Reduktion. Verzicht. Weniger.
Keine Begriffe, die recht gut in unsere Zeit passen, denn wir leben in einer Gesellschaft in der es sexy ist, viel zu besitzen, reich zu werden, wo Stillstand als Rückschritt bezeichnet wird.
In diesem Beitrag gehe ich an den Rand meiner Comfort Zone und ein bisschen darüber hinaus. Wenn wir über Klimaschutz reden und was getan werden sollte, dann landet man zweifellos beim Thema Reduktion und welch mächtiger Hebel sie wäre. Welche Kraft in den reduzierten, einfachen Dingen steckt, das versuche ich, zu ergründen.
“.. und alles, woran ihr denken könnt, sind Geld und Märchen von ewigem Wachstum. Wie könnt Ihr es wagen!” (Greta Thunberg)
Wir nähern uns dem Ende der Klimastreikwoche und stehen vor einem globalen “Earth-strike” am Freitag, initiiert von der #fridaysforfuture Bewegung, der wieder Millionen Menschen weltweit auf die Straßen rufen wird mit der Botschaft: wir müssen aufwachen! Der Klimanotstand ist bereits ausgerufen. Und dennoch gibt es noch viel zu tun und umzudenken.
Es gibt kein ewiges Wachstum. Wir leben auf einem begrenzten Planeten, mit begrenzten Ressourcen und verhalten uns immer noch, als gäbe es keine Klimakrise. Ja, wir haben schon einige kluge Lösungen. Mehr als wir oft glauben. Manche der derzeitigen Lösungen vermitteln allerdings den Eindruck, wir könnten uns mit Geld, neuer Technologie oder Steuern aus dem Thema raus kaufen. Das wäre die bequeme Lösung.
Doch selbst wenn alle Autos, die wir so in Mitteleuropa haben, mit E-Motoren ausgestattet werden, sind es noch immer zu viele Fahrzeuge.
Selbst, wenn alle Kleidung, die wir kaufen ökologisch und fair und bio ist, ist es noch immer zu viel Gewand, das wir kaufen.
Selbst wenn aller Strom, den wir verwenden Ökostrom ist, verbrauchen wir immer noch zu viel Strom.
Spätestens seit dem wir den “earth-overshoot-day” kennen, wissen wir: wir leben über unsere Verhältnisse, was Ressourcen angeht.
„Wenn alle den gleichen Lebensstandard hätten wie der Durchschnittseuropäer oder -amerikaner, bräuchten wir sechs Planeten.“ (Jane Goodall)
Sechs Planeten! Autsch. Das ist eine extrem unbequeme Erkenntnis, denn: im Verzichten sind wir schlecht und noch mehr ungeübt. Zumindest viele von uns. Da nehme ich mich gar nicht aus.
Wir tun gern was für den Klimaschutz, doch auf die Flugreise im Sommer mit der Familie möchten wir nicht verzichten. Wir sind bereit den Stromverbrauch zu reduzieren, doch im Winter heizen wir unsere Wohnungen und laufen drinnen kurzärmelig herum, wie im Sommer. Wir nützen gern öffentliche Verkehrsmittel, aber wenn das Zugticket deutlich teurer ist, als die Autofahrt, steigen wir doch wieder lieber um.
Schon während ich diese Zeilen schreibe, merke ich, wie es mir unwohl wird, weil mich diese Dinge genau so betreffen. Viel leichter fällt es uns, auf andere zu zeigen und zu sagen: Na, da sollen doch mal zuerst die vielen Berufsflieger einsparen, bevor ich auf meinen Urlaub verzichte. Die ÖBB sollen mal das Zugfahren preislich interessant machen, dann machen wir’s eh. Dass ich’s daheim ungemütlich hab, nur wegen dem höheren Stromverbrauch, kommt nicht in Frage.
Oder, wie man dann liest in Postings: So lange China so weitermacht mit dem CO2 Ausstoß können wir hier gar nix ändern.
Und so argumentieren wir und reden uns raus – die anderen bitte zuerst. Wir, was können wir hier (allein) schon ändern? Das sehen wir gar nicht ein.
Deshalb abwarten und Tee trinken ist keine Alternative. Wir brauchen einen Systemwandel und vor allem brauchen wir eine andere Haltung zu Veränderungen, die unser Lebensstil nötig hat.
Durch Reduktion, durch Verzicht kann auch etwas entstehen, dass wir in Wahrheit dringend brauchen. Wenn wir öfter mal zu Fuß gehen (oder mit dem Rad fahren) drosseln wir gleichzeitg das Lebenstempo, das uns ohnedies oft zu schaffen macht.
Wenn wir die Jeans mit Löchern (ja, ich weiß, das ist sowieso total “in”, aber nur, wenn die Löcher an den richtigen Stellen sind!) flicken, haben wir länger was davon und sparen Geld.
Wenn wir weniger Geld insgesamt ausgeben, brauchen wir weniger arbeiten und haben mehr Zeit – das kostbarste Gut überhaupt. Wenn wir weniger Spielzeug verschenken, sondern Zeit und gemeinsame Erlebnisse stärkt das Beziehungen . (Und mal ehrlich: wer hat nicht schon erlebt, dass Kochlöffel und Wäscheklammern und leere Dosen interessanter sein können als das neueste Playmobil.) Wenn wir Essensreste aufheben und verwerten, brauchen wir weniger kaufen oder können dann vielleicht öfter zu Bio-Ware greifen, was gesünder für uns ist. Wenn wir lernen, uns (anders) zu organisieren (Fahrgemeinschaft, Benützung von Werkzeug oder Gartengeräten, …) kommen wir ins Gespräch mit unserem Umfeld und bauen Netzwerke auf, die uns letztlich tragen. Wenn wir statt der Flugreise in den Zug steigen oder in Österreich urlauben, ist das mindestens genau so schön und erholsam – nur einfach anders schön!
Ja, wir brauchen Mut um diese Dinge zu wagen, um weniger wollen “gut” zu finden.
Ja, wir brauchen Pioniergeist, wenn wir Dinge zum ersten Mal anders tun.
Ja, wir brauchen Kraft, wenn der innere Schweinehund schreit: “Das ist unbequem!”
Ja, wir brauchen Ausdauer, weil es Zeit braucht, bis wir Veränderungen annehmen können.
Ja, wir brauchen Geduld, wenn wir andere mitnehmen wollen, die noch nicht bereit sind aufzubrechen.
Ich bin überzeugt, dass wir die Fähigkeiten haben, gemeinsam eine bessere Zukunft zu gestalten. Lassen wir uns unsere Ideen nicht kleinreden. Geben wir weiterhin jeden Tag unser Bestes. Gehen wir auf unsere Kritiker zu und versuchen wir, ihre Angst (vor Veränderung) zu verstehen. Lassen wir ihre Wut nicht in unsere Herzen, sondern bleiben wir mutig.
Für unsere Zukunft.
Für unsere Kinder.
Für diesen Planeten.
Und für uns selbst!
Bei welchem Teil des Textes war dir unwohl? Lass uns darüber reden!
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