Nun sind die ersten Kinder also wieder zum teilweisen Schulbetrieb eingerückt, das erste Eis im Gastgarten ist verzehrt, es wurden Fußballtrainings mit Abstand genossen und endlich wurden die schmerzlich vermissten sozialen Kontakte wieder hergestellt.
Ein leichtes Aufatmen in der Gesellschaft ist spürbar. Und doch sind wir noch ein gutes Stück entfernt von der großen Erleichterung, dem Moment, wo ein riesiger Stein vom Herzen fällt.
Denn zu viele Menschen leiden immer noch unter verschiedensten Einschränkungen.
Was wir in dieser Krise gebraucht haben oder hätten, was uns auch in Zukunft dienlich sein kann, hab ich mir überlegt und hier nieder geschrieben.
Umweltschonendes Verhalten
Viele erinnern sich vermutlich an die Bilder im März, wo Delfine nah der Küste Spaß hatten, an das klare Wasser in Venedig und die traumhafte Verbesserung der Luftwerte durch den Shutdown. Dass die industrialisierte Gesellschaft endlich gezwungen ist, in mancher Hinsicht neue Wege zu gehen, nicht jeden (Kurzstrecken)Flug als selbstverständlich ansieht und mal kritisch hinterfragt, wohin uns die wirtschaftliche Globalisierung führt, ist ein Gewinn dieser Krise.
Ich wünsche mir, dass wir weiterhin Regionalität fördern, unsere Mobilität hinterfragen und wirtschaftliche Interessen mit Umweltthemen verbinden und mindestens ebenbürtig behandeln.
Lernfreudige Einstellung
In den letzten Wochen blieb vielen von uns nichts anderes übrig, als neue Dinge zu erlernen. Wie man Videokonferenzen abwickelt, wie man im Homeoffice überlebt, wie man Kinder einsperrt und gleichzeitig bei Laune hält, wie man ein erhöhtes Arbeitspensum unter erschwerten Bedingungen bewältigt und wo weiter – für jeden waren die Herausforderungen wohl ein wenig anders. Und für Viele waren diese Erfahrungen unangenehm, weil mit Angst und Unsicherheit behaftet.
Ich wünsche mir, dass wir wieder mehr an unsere Lernfähigkeit glauben, dass uns diese Veränderung gelehrt hat, dass wir mehr schaffen, als wir denken und dass wir (wenn wir wirklich alles daran blöd fanden) zumindest die ursprünglichen Zustände wieder mehr wertschätzen können.
Menschliche Sensibilität
Man hat sich viele Gedanken gemacht über die Verletzlichen in dieser Gesellschaft – wir übten uns in Rücksichtnahme, besonders in Bezug auf die betagten Menschen hier und anderswo. Leider wurde auch sichtbar, dass wir immer noch auf diejenigen vergessen, die öffentlich wenig bis keine Interessensvertretung haben und deren gesundheitliche Schäden nicht gleich am Sterbe-Dashboard zu sehen sind: Kinder und Jugendliche. Wie viele von ihnen haben in dieser Zeit den Druck, die Anspannung und die Wut der Erwachsenen abbekommen und wurden schlecht oder unzureichend begleitet in ihren Ängsten und Sorgen?
Ich wünsche mir, dass wir menschliche Sensibilität nicht nur gegenüber Älteren aufbringen, sondern uns besonders auf die Realität der Jungen und Jüngsten einlassen können, die mit den Erfahrungen dieser Zeit noch sehr, sehr lange leben werden.
Kreative Lösungen
Angefangen bei einer Unzahl von Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder (Klopapierrollenkunst, Indoor-Hindernisparcours, Garten-Skilift) über innovative Geschäftskonzepte (Lieferservice, Videokonferenzen, Online-Angebote) bis hin zu kreativen Ideen in Kunst, Kultur und Kirche (YouTube Gottesdienste, Take-away Whatever beim Wirtn, Jukebox in der Kirche, Video Übertragung von Konzerten) haben wir in der Phase des Lockdown viele frische Ideen gesehen. Not macht erfinderisch ist ein Spruch, der sich definitiv bewahrheitet hat und das darf uns zuversichtlich machen für was auch immer kommen mag: es gibt genügend Menschen, die stets Lösungen suchen, die immer wieder aufstehen und Wege finden, wie es weiter oder anders gehen kann.
Ich wünsche mir, dass wir diese Kreativität auch in Zukunft nützen, wenn wir Lösungen brauchen um mit (anderen) Schwierigkeiten umzugehen – sei es der Klimawandel, ein anderes Wirtschaftssystem zu etablieren oder bei der Bekämpfung von Ungerechtigkeiten.
Kritischer Geist
Kaum jemand hat wohl alle Maßnahmen und Erlässe der Regierung jederzeit vollends verstanden und hundertprozentig angenommen. Spätestens bei “private Treffen waren immer erlaubt” muss sich der kritische Geist gemeldet haben, um zu fragen: Was ist hier eigentlich los? Welche Informationen werden uns hier gegeben oder bewusst vorenthalten? Wie wirkt der zielgenaue Einsatz von Emotionen auf die Gesellschaft? Warum gibt man uns nicht die Chance, Zahlen in einen Kontext stellen zu können? Welche Ziele werden hier tatsächlich verfolgt (und was ist das nächste Ziel, wenn das aktuelle erreicht ist)?
Ich wünsche mir, dass wir nicht nur in Krisenzeiten unseren kritischen Geist einschalten, sondern dass er uns immer begleiten möge und dass wir ganz genau hinschauen, was mit uns als Menschen passiert. Denken wir also immer daran, was das Heiligste und Grundlegendste unserer Gesellschaft sein sollte: die menschlichen Grundrechte. Nicht einmal im Angesicht einer Katastrophe dürfen sie wanken. Sie sind das Fundament unseres Zusammenlebens und brauchen dennoch Achtung und Schutz.
Und zwar von Jedem und Jeder von uns.
Weil man nicht davon ausgehen kann, dass sich alle Machthabenden jederzeit daran halten (aus welchen Gründen auch immer).
So weit meine kleine, persönliche Zusammenfassung des bisher Erlebten.
Wir brauchen weiterhin ganz viel Herz und ganz viel Hirn. Und – was natürlich höchst notwendig ist – eine große Portion Humor. Falls (und wenn) es mal wieder ähnliche Zustände geben sollte, werden wir dringend darauf angewiesen sein, dazugelernt zu haben und vorbereiteter und bewusster Maßnahmen zu setzen.
Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen. Wenn Jede*r seinen Teil dazu tut.
Was hast du in diesen Wochen erlebt, was du als “Lernerfolg” verbuchen würdest?
Welche “schlauen” Erkenntnisse wirst du in die Zukunft mitnehmen?
Schreib doch in die Kommentare und teile deine Erfahrung mit dem Schwarm!
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