Ein Perspektivenwechsel auf Weihnachten. Das war das vorgegebene Thema der Adventfeier der Abteilung BEZIEHUNGleben, die ich heuer gestaltet hab.
Wie kann man den eigenen Blick verändern?
Wie kann man “mal was Anderes” in den Dingen sehen?
Ich hab mich auf die Suche gemacht und gleich mal zu Beginn die 11 Buchstaben vom Fest der Liebe auseinandergeschnipselt und dann mit eigenen Gedanken wieder zusammengefügt..
Buchstabenküche eben. Lass dich überraschen, was mir dazu eingefallen ist. Denn: das Fest der Liebe, Weihnachten und auch schon die Zeit davor waren – genau genommen – noch nie pure Idylle, Ruhe und Freundlichkeit. Es ist und war schon immer: VIEL MEHR.
WIE ZACH
Wie “zach”, wie mühsam kann Weihnachten sein. So viele Dinge zu Tun, Termine abzuklappern, Leute zu treffen, so viel Essen, so viel Trinken. Das beginnt schon in der Vorbereitung. Obwohl wir schon etwas erschöpft sind von einem arbeitsintensiven Herbst verlangt uns der Advent nochmal alles ab, fordert uns heraus, an allen Ecken lauert die Versuchung, doch noch etwas zu kaufen, doch noch etwas Nettes zu unternehmen, doch noch ein “sehen wir uns noch vor Weihnachten” …. – als würde die Welt sich danach nicht weiterdrehen.
Wie zach war es auch damals, für Josef und die hochschwangere Maria. Eine weite und unbequeme Reise zu machen, kein Quartier zu finden, erschöpft und müde zu sein. Wie zach waren die vielen Zurückweisungen und wie groß war wohl ihre Not im Angesicht der bevorstehenden Geburt ihres Kindes, das “nicht mal” ihr gemeinsames war. Es wird oft verniedlicht, mit idyllischen Bildern übermalt, dabei war es ganz schön hart, kalt und schonungslos, dieses Weihnachten.
NICHT EHE
Weihnachten soll’s werden, aber nicht ehe die Wohnung klinisch sauber ist.
Weihnachten soll’s werden, aber nicht ehe wir Geschenke in Hülle und Fülle besorgt haben.
Weihnachten soll’s werden, aber nicht ehe alle Zutaten für den Festschmaus gekauft sind.
Weihnachten soll’s werden, aber nicht ehe wir uns ein fröhliches Gesicht aufgesetzt haben.
Weihnachten soll’s werden, aber nicht ehe wir in den neuen Fast Fashion Teilen funkeln.
Weihnachten war damals … nicht einmal eine Wohnung zu haben, von Geschenken ganz zu schweigen – ein Stall musste gut genug sein, und ich glaube, auch Maria hätte sich – selbst vor über 2000 Jahren – einen anderen Ort lieber gewünscht. Da war kein Bett oder fließendes Wasser, da war kein Essen vorbereitet, es war vielleicht nicht mal Irgendwas da, für eine Familie – für eine Frau nach einer anstrengenden Geburt und ganz bestimmt, war den beiden nicht zum Lachen zumute. Das Wunder geschah trotzdem.
WENN ICH
Wenn ich Zeit hätte, würde ich selber die Kekse backen.
Wenn ich keine Geschenke kaufen müsste, wär’s einfacher.
Wenn ich ruhigere Kinder hätte, würde ich mit ihnen auch mal in die Kirche gehen.
Wenn ich einen anderen Partner*in hätte, wäre ich glücklicher.
Wenn ich eine größere Wohnung hätte, würde Weihnachten schöner sein.
Wir sind manchmal der Meinung, verschiedenste Dinge im Außen müssten sich erst ändern, damit es besser wird, oder Weihnachten nicht mehr so stressig, wir endlich weniger unter Druck oder Zugzwang stehen.
Ja, manchmal macht es Sinn, etwas anzugehen, zu verändern und verbessern, weil es UNS entspricht. Doch manchmal ist ebenso empfehlenswert, das Leben so zu nehmen wie es ist. Die Kekse ruhigen Gewissens zu kaufen, oder sich ruhigen Gewissens die Zeit zum Selberbacken nehmen. Den Konsum auf ein passendes Maß zu reduzieren oder mit den quirligen Kindern den Gottesdienst aufmischen. Den Partner / die Partnerin mit seinen Eigenheiten akzeptieren und sich dafür entscheiden, glücklich zu sein, auch wenn wir nicht perfekt sind – so wie unser Gegenüber. Das schätzen, was man hat, anstatt immer nach dem zu lechzen, was fehlt.
WEIT & NAH
So weit weg uns das Ereignis in Betlehem auch zeitlich vorkommt – in vielerlei Hinsicht ist es uns nah, näher als wir denken. Weihnachten war damals schon eine angespannte Situation. Weihnachten war damals schon irgendwie verrückt. Weihnachten war damals schon mit vielen unerfüllten Erwartungen verbunden. Weihnachten war damals schon eine harte Tour.
Also gehört das vielleicht genau so dazu: das “Gestresst-sein”, das “Sich-unter-Druck-fühlen”, die Idee, es nicht rechtzeitig zu schaffen. Vielleicht kommt uns Gott auch oder genau in diesem Gefühl nah und will uns damit zeigen: so muss es Maria und Josef ergangen sein. Auch das ist Weihnachten.
WEICH
Was passiert, wenn so ein Wunder geschieht wie damals? Was braucht es, damit Weihnachten wahr wird? Wir dürfen WEICH werden. Das ist in unserer Gesellschaft nicht besonders gefragt, es zählt Leistung, Arbeit, Zeit und Geld. Es zählen Ergebnisse, Daten und Fakten – “so ist das eben in der Realität” bekommt man dann gesagt.
Ich bleibe dabei: Weihnachten konnte es nur werden, weil Maria sich trotz der widrigen Umstände, der Zurückweisungen und menschlichen Härte … weich gemacht hat. Eine Geburt verlangt Hingebung, Vertrauen und die Zuversicht, dass es gut wird – obwohl man das Ergebnis nicht kennt. Hier hilft kein Verstand, keine Berechnung, keine Vernunft – eine Geburt ist die Aufgabe des Egos für neues Leben. Das kann auch schmerzhaft sein. Doch wir gewinnen unermesslich viel in diesem Prozess des “WEICH”-werdens…. wir kommen vom Denken ins Fühlen, vom Kontrollieren ins Geschehen lassen, vom Bestimmen zum Annehmen. Dieses Geschenk verbirgt sich in “Weihnachten”.
ECHT. Echt? In ECHT …
Alle Menschen sind glücklich und zufrieden, trinken Tee und essen Kekse, sitzen idyllisch um den Adventkranz und leben friedlich und erfüllt zusammen. Diese Bilder werden in unseren Köpfen kreiert, sollen uns anregen zum Konsum (wenn wir diesen Tee haben, sind wir entspannt!) und setzen uns ganz subtil unter Druck, denn es sieht auch noch so leicht aus.
Nicht mal in Werbespots ist es leicht, obwohl die Situation dort gestellt ist – man denke an die Maskenbildner, Stylisten und Belichtungsprofis, die zig Takes, die es braucht, bis alles im Kasten ist und dann …. erwarten wir, dass uns das “einfach so” im Alltag gelingt?
In ECHT ist zufrieden sein ein ganzes Stück Arbeit, es erfordert Achtsamkeit, Selbstreflexion und die Bereitschaft, sich von gesellschaftlichen Trends zu distanzieren, höher, schneller, weiter und mehr zu wollen.
In ECHT ist eine familiäre Idylle ein ganzes Stück Arbeit, erfordert Zeitmanagement und Offenheit, das Bewusstsein, dass Bedürfnisse unterschiedlichst sind und die Erkenntnis, dass nicht immer alle erfüllt werden können. Aber den meisten soll es meistens gut gehen.
In ECHT dürfen wir selbst entscheiden, was wir brauchen und was nicht und können durch unser weniger-tun und weniger-leisten einen stillen Protest gegen die Leistungsgesellschaft zeigen. Wenig zu brauchen ist ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann und zu dem man sich – im Angesicht des Überflusses – auch ein bisschen überwinden darf.
In ECHT fiel es Maria und Josef sicher auch nicht sonderlich leicht, sich in einem dreckigen Stall zu schützen, sie fanden es bestimmt ungerecht, abgewiesen zu werden und vielleicht machten sie sich sogar Vorwürfe, nicht eher losgegangen zu sein um noch ein Quartier zu erwischen.
WACH
Weihnachten ist eine Herausforderung. Eine Herausforderung, WACH zu sein und WACH zu bleiben. Unsere Sinne zu schärfen und die kleinen Dinge des Lebens wach und achtsam wahrzunehmen, sie zu würdigen und dankbar zu sein. Weihnachten ist eine Chance, unsere Werte und Prioritäten zu überprüfen und zu hinterfragen und uns gegebenenfalls neu auszurichten, eine gesündere Richtung einzuschlagen, eine weiche, echte. Weihnachten soll uns wach machen, aufwecken, aus dem Alltagstrott reißen, uns ermuntern zum Suchen, zum Aufbrechen, zum Mensch werden und zu vertrauen, dass Gott über uns WACHT.
So wie über die Hirten damals, die wach waren oder geweckt wurden, die losgingen unter seinem Stern, die ihren Sinnen getraut haben und ihrem Gefühl gefolgt sind, ohne Erwartung aber mit viel Hoffnung im Herzen – hin zum Kind in der Krippe.
Wie wir es auch drehen und wenden.
Weihnachten ist Viel und für kann für jeden und jede etwas Anderes sein.
Die inneren Bilder, die wir zu diesem Fest haben und unsere Erwartungen bedürfen immer wieder mal einer Überprüfung.
- Ist das mein Weihnachten, oder eine von außen hoch gehängte Latte?
- Ist das mein Weihnachten, oder eine veraltete Vorstellung eines Festes, von der ich mich lösen möchte?
- Ist das mein Weihnachten, oder versuche ich es eher anderen Menschen recht zu machen?
Wenn wir es schaffen, dieses Fest und diese Zeit als das zu sehen, was es ist: nämlich die Menschwerdung Gottes, ist schnell klar: da MUSS alles drin sein, was das Leben zu bieten hat, ALLE Facetten, nicht nur die schön glitzernden, sondern auch die dunklen, die unsere Schattenseiten zeigen, die uns unangenehm sind, an denen wir aber auch wachsen können, uns entwicklen und lernen, jeden Tag noch ein Stückchen menschlicher zu sein
… dann wird aus Weihnachten –
MEINACHTEN!
Du hast noch andere Wörter in den 11 Buchstaben gefunden, die auch zu Weihnachten passen?
Lass uns die Idee gemeinsam weiterspinnen …. gern in den Kommentaren!
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