Terror, Trost und Taylor Swift

9. August 2024

Hormongeschwängerte Glückseligkeit, heisere Stimme und zwei Unterarme voll mit bunten Perlenbändern. So hätte der heutige Freitag sein sollen nach dem geplanten Taylor Swift Konzert in Wien. Geplatzt der Traum – am späten Mittwochabend und immer noch ist es unbegreiflich.

Warum dies junge Menschen emotional aus der Bahn wirft, was wir von Taylor Swift über Beziehungen lernen können und wie man richtig tröstet, liest du in diesem Beitrag.

Tränen fließen, stille Umarmungen werden geschenkt und es werden Löcher in die Luft gestarrt. Seit der Nachricht von der Absage der Wien Konzerte des US-Superstars Taylor Swift laufen in diesem Haushalt mehrere Seelen neben der Spur.
Jahrelange Vorfreude: zerschmettert.
Enthusiastische Vorbereitungen: verhöhnt.
Heiß ersehntes Konzerterlebnis: torpediert.

Unfassbar, dass es ein paar wenigen hirnlosen Extremisten möglich ist, hunderttausenden jungen Menschen derart in die Suppe zu spucken.

Warum die Wogen und Emotionen bei den Fans – die sich selbst Swifties nennen – so derartig hochgehen hat mehrere Gründe, wie ich meine. 

1.) Starke emotionale Verbindung

Taylor Swift ist bekannt für ihr Songwriting und verarbeitet in den Texten lebensnahe Erfahrungen, an die so viele Jugendliche und Menschen überhaupt anknüpfen können. Von enttäuschter Liebe, dem Frust der ungleichen Behandlung von Männern und Frauen bis empowernden Unterstützungshymnen: gefühlt hat Taylor Swift für jede beliebige Lebenssituation einen Song parat, der zum Ausdruck bringt, wie man sich fühlt. Das erzeugt eine starke emotionale Verbundenheit zwischen ihr und den Fans. Sie fühlen sich gehört, verstanden, abgeholt. Etwas, das ihnen so oft im echten Leben fehlt. Die Musik holt sie ab, umarmt sie und gibt ihnen Halt, wenn sie ihr Leben verarbeiten.

2.) Tiefgründige Werte

Als weibliche Künstlerin, Unternehmerin und Rollenvorbild verkörpert Taylor Swift vor allem Werte, die der jungen Generation bedeutend sind. Freiheit und Unabhängigkeit, gleiche Chancen für alle Geschlechter, Stärkung von Frauen. Sich nicht verbiegen lassen und zu sich selbst stehen – aber auch Freundlichkeit, Mitgefühl und Akzeptanz. Ein Respektvolles Miteinander, Fürsorge und ein offenes Herz für andere haben – all das kommt nicht zuletzt beim Tauschen der „Friendship Bracelets“ bei ihren Konzerten zum Ausdruck. Das mag teeniehaft und oberflächlich wirken – wer die Community kennt, erlebt aber, wie aufrichtig das gelebt wird. Der geplante Angriff auf die Konzerte ist eine Attacke auf diese Werte und schmerzt beinahe körperlich. 

3.) Gelebte Beziehung

Zahlreiche Elemente der Star-Fan-Beziehung sind ein Paradebeispiel für gelungene Beziehung. Swifts ehrliches Interesse den Liebhaberinnen ihrer Musik gegenüber, geheimnisvoll versteckte Botschaften (die Spannung und Vorfreude erzeugen) und unzählige kleine Rituale, die bei Konzerten (z.B. bestimmte Zwischenrufe, Gesten, Freundschaftsbänder) gelebt werden, erzeugen eine verschworene Einheit und ein Zusammengehörigkeitsgefühl, wie es gute Beziehungen brauchen. Emotionale Verbindung, das Gefühl gehört und verstanden zu sein erzeugt ein Nähegefühl ganz unabhängig von räumlicher Distanz. Über ihre Musik begleitet sie Fans durch die Höhen und Tiefen des Lebens. So ist sie ein Bestandteil des Alltags bis hin zu tragender Stütze für ihre Anhängerinnen.

Endlich einmal auch räumlich nahe sein, mit ihr live in die Musik eintauchen und Gefühle aufarbeiten und gehen lassen – durch Melodien und ihre Texte. Das wird vorerst nicht Realität für die Menschen, die sie in Wien erstmals erleben wollten. Bei allem Verständnis für die Sicherheit bei Veranstaltungen und der korrekten Entscheidung der Behörden und Swifts Management bleibt ein schaler Beigeschmack zurück.

Warum ein Konzert, wo hauptsächlich junges, weibliches Publikum anwesend sein wird und nicht ein Fußball-Em-Endspiel? Wie kann es sein, dass Taylor Swift ganze Welt bespielt und überall klappt es, nur in Wien gewinnen die Wahnsinnigen? 

Natürlich wäre ein durchgeführter Terrorakt eine Katastrophe völlig anderen Ausmaßes gewesen und wir sind dankbar, dass wir heute gesund und vollzählig aufgewacht sind. Doch Trost ist das leider nur ein kleiner.

Unangenehme Gefühle wie Trauer, Frust, Wut kommen ja bei jedem Menschen vor. Nicht nur wegen abgesagter Events. In diesen Situationen ist es wichtig, nicht zu bagatellisieren oder abzulenken. Diese Sätze helfen nicht wirklich:

  • Das wird schon wieder, mach dir keine Sorgen!
  • Sie kommt bestimmt wieder, die ist ja noch so jung!
  • Seid froh, dass euch nix passiert ist statt euch zu ärgern!

Auch wenn jede Aussage bestimmt gut gemeint ist, hinterlässt sie beim Gegenüber den Eindruck, dass etwas mit seiner oder ihrer Empfindung nicht stimmt. “Du bist nicht richtig” , wenn du dennoch frustriert, enttäuscht oder entsetzt bist. Hilfreich und wirklich unterstützend ist es, das Gefühl der anderen Person ernst zu nehmen, anzuerkennen und zu validieren (für WAHR erklären). Das geht zum Beispiel so:

  • Ich sehe, wie traurig du bist, weil …. (beliebiges Ereignis einfügen)
  • Das macht dich richtig wütend, dass …..(beliebige Begebenheit einfügen)
  • Es ist so frustrierend, dass … (beliebigen Grund einfügen)

Um Gefühle zu respektieren, anerkennen und achten zu können, muss das Gegenüber sie NICHT verstehen! Es hilft, wenn man versteht, das muss aber nicht sein. Ich kann mir denken: „Was, warum die Aufregung, ist doch völlig übertrieben!“ und dennoch mitfühlend sein. 

Menschen, die emotional gerade schwere Dinge erleben wollen und sollen nicht ZU früh abgelenkt, darüber hinweggetröstet oder beschwichtigt werden. 

  • Gefühle sind da, um gefühlt zu werden.
  • Freude darf sein und gefühlt werden. Dann geht sie wieder.
  • Enttäuschung darf sein. Dann geht sie wieder.
  • Zufriedenheit darf sein. Dann geht sie wieder.
  • Wut darf sein. Dann geht sie wieder.

Was uns bei angenehmen Gefühlen leicht fällt, wird bei belastenden Befindlichkeiten zur Herkulesaufgabe. Besonders, wenn der Schmerz nicht uns selbst, sondern Partner, Kinder oder Angehörige betrifft, halten wir furchtbar schlecht aus, dies zu ertragen. Darum wollen wir darüber hinweg „TRÖSTEN“. Wir sollten trösten, um zu trösten. Nicht, um möglichst schnell wieder Ruhe zu haben. Das ist herausfordernd und unangenehm, aber möglich.

Zwei junge Frauen sahen gestern Nachmittag, wie wieder Tränen über das Gesicht eines Mädchens flossen. Sie gingen auf sie zu und schenkten ihr selbst gebastelte Friendship Armbänder, wie es bei den Konzerten Tradition ist. Plus ein paar tröstende Worte. Diese Szene war so berührend. Denn: logisch dürfen wir etwas Gutes tun, ein Angebot machen, versuchen zu Beruhigen. Wenn die Zeit reif ist, wird sich dein Gegenüber sehr darüber freuen. Je nachdem wie heftig der Auslöser für das Gefühl ist, dauert das länger oder kürzer.

Verheulte Gesichter, getrübte Mienen und kreisende Gedanken – so sitzen wir tatsächlich heute am Küchentisch und versuchen, irgendwie einzuordnen, was da gerade vor unseren Augen den Bach hinunter schwimmt. Wir probieren, das beste draus zu machen und einfach zu sein.

Üben wir uns doch bitte alle darin, die Emotionen (eigene und fremde) zuzulassen. Fühlen, was gefühlt werden will.
Loslassen, wenn es Zeit dafür ist.
Und in der Zwischenzeit: da sein, ernst nehmen und aushalten.
Klingt einfach – ist es nicht immer. Versuchen will ich es jedenfalls.

Kerstin Bamminger

Hallo, ich bin Kerstin Bamminger und ich unterstütze Menschen dabei, lebendige Beziehungen zu gestalten. Tiefgründig, bedeutungsvoll und auf Augenhöhe. Hol dir hier am Blog gern Tipps und Tricks, wie das gelingen kann und lass mir gern einen Kommentar da, wenn dir etwas gefallen hat! Viel Freude beim Lesen!

9. August 2024

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