Sandwichkinder – die “goldene” Mitte

12. Juni 2020

Über Geschwisterbeziehungen hab ich ja schon öfter geschrieben. Über emotionale Premieren und erinnerungswürdige Finali gab’s hier schon zu lesen. Diese betreffen oft die jüngsten oder erstgeborenen Kinder. Wem oft zu wenig Aufmerksamkeit zu Teil wird, sind die Mittleren, die sogenannten Sandwichkinder. 

Mit diesem Beitrag möchte ich speziell dieser Personengruppe huldigen und mich auf die Suche machen nach dem, was an den zwischendrin geborenen Kindern das Herausragende ist und was an so manchem Klischee dran ist – oder auch nicht.

Wenn Paare Eltern werden, erleben sie mit ihren Erstgeborenen praktisch täglich Premieren, alles passiert zum ersten Mal. Man entdeckt sich als Eltern und lernt so viel dazu. Mit den jüngsten Kindern der Geschwisterreihe – den sogenannten “Nesthäkchen” – erleben wir Abläufe, Feste, Rituale oft zum letzten Mal und deshalb auch manchmal sehr bewusst.

Dass die mittleren Kinder, die Sandwiches, dabei oft durch die Finger schauen, ist irgendwie offensichtlich – jedenfalls meiner Erfahrung nach und die Befragungen dieser Gruppe bestätigen diese Meinung.

Die “armen” Sandwichkinder

“Die haben’s besonders schwer” heißt es oft, oder “… das sind immer die schwierigen Kinder” klingt es, wenn man über diejenigen spricht, die in der Mitte einer mindestens 3-teiligen Geschwisterreihe stehen. Laut presse.com sagen 38% der Eltern, die Mittleren seien die ungezogensten und frechsten ihrer Kinder.

Sie erleben häufig, weniger bemuttert zu werden als die vorher und nachher Geborenen, bekommen generell weniger elterliche Aufmerksamkeit, sie verzagen leichter, können eher aggressives Verhalten zeigen und sind fordernder und unzuverlässiger als die anderen Kinder.

Keine besonders schmeichelhafte Bilanz, selbst wenn sie nicht auf hundert Prozent der Gruppe zutrifft, weil es eben immer Ausnahmen zur Regel gibt.

Dennoch zahlt es sich aus, mal einen kritischen Blick auf ihre Rolle zu werfen. Mittlere Kinder werden in Familien hineingeboren, wo schon mindestens ein Kind da ist. Sie erleben das Aufwachsen mit anderen Geschwistern als ihr “normal”, sind meist von Beginn an mehr Energie gewöhnt (weil eben mehr Leben da ist) als die Erstgeborenen und bekommen früher oder später eins oder mehrere jüngere Geschwisterkinder, die wieder den Fokus von ihnen wegziehen. Sie stehen also nur für ein gewisses Zeitfenster im Rampenlicht. 

Wettkampf um elterliche Zuwendung

Da jedes Kind gesehen werden will und Aufmerksamkeit möchte, suchen sie eben kreative Wege, um wahrgenommen zu werden. Wenn das durch “folgsam sein” (wie die Erstgeborenen) nicht geht, weil das schon jemand macht und auch nicht durch “niedlich sein” (siehe Nesthäkchen), braucht es eben andere Mittel. Sie wollen und müssen Dinge anders machen, wenn sie elterliche Zuwendung erreichen möchten, egal ob dies nun positive oder negative Zuwendung ist. “Hauptsache, es bemerkt mich irgendwer”, quasi. Diese Tatsache führt meiner Meinung nach zu den wenig bewundernswerteren Eigenschaften die Sandwichkinder möglicherweise entwickeln können. 

Die goldene Mitte

Statt sich allerdings dauernd auf die negativen Eigenschaften zu stürzen, ist es gut und wichtig darüber nachzudenken, welches Potenzial in dieser Position steckt. Denn jede Geschwisterkonstellation und -position hat ihre Vorteile und Nachteile. Die Kunst besteht halt darin, diese Chancen zu nützen anstatt die schweren Umstände zu bejammern.

Mittlere lernen beispielsweise besser als andere in der Geschwisterreihe, flexibel zu sein. Auch wenn viele dieser Kinder das als leidvolle Erfahrung beschreiben, nicht zu wissen “wo man hingehöre – zu den Großen oder den Kleinen?”, lernen sie dabei Einzigartiges. Sie können sich an das Spiel der älteren Geschwister anpassen, sich aber auch an den Interessen der jüngeren Geschwister erfreuen und sich so in verschiedenen Rollen erleben. Einmal mitlaufen und sich unterordnen, dann die Führung übernehmen. Beides lernen sie in dieser Position besser als die anderen Kinder, was man für das Leben gut brauchen kann.

Sie lernen durchsetzungsfähig zu werden, besonders, wenn sie andere Wege beschreiten wollen, als vorher geborene Geschwister (z.B. doch ein anderes Maturaballkleid zu bekommen als die Schwestern vorher). Wenn die Eltern mit ihnen “gewohnte Pfade verlassen dürfen”, ist dafür auch besonderer Kampfgeist von Nöten – den kann man bekanntlich auch ganz gut brauchen im Leben. Andererseits sind die Sandwiches außergewöhnlich diplomatisch, weil sie vielleicht auch gelernt haben, zwischen den “Großen” und den “Kleinen” zu vermitteln, wenn es Unstimmigkeiten gab – sicher eine wunderbare Eigenschaft für allfällige spätere Beziehungsgestaltung.

Sandwiches wissen, wie es geht, aufzuzeigen, gewohnte Bahnen zu durchbrechen und (wenn nötig mit allen Mitteln) Neues durchzusetzen, können aber auch bequem bereits (von älteren Geschwistern) bereitete Wege beschreiten – und sie gegebenenfalls noch ein wenig erweitern! (Stichwort Fortgehzeiten).

Die mangelnde elterliche Aufmerksamkeit kann definitiv als Bonus erlebt und genützt werden. Viele Mittlere gestehen, dass man sich “super durchschummeln” konnte und die Eltern vieles nicht bemerkten, was sie so getan haben, weil das Hauptaugenmerk eben wo anders lag (z.B. ein Wertkartenhandy ohne elterliche Erlaubnis kaufen “…ist nie wem aufgefallen”). 

Man kann auch sagen, dass sie es nicht nötig haben, immer im Mittelpunkt zu stehen – was durchaus Vorteile im Leben hat! Sie halten es gut aus, wenn sich nicht alles um sie dreht. 

Eine andere Brille

Eine gemachte Erfahrung mit einer anderen Brille zu betrachten ist also auch im Hinblick auf Geschwisterpositionen zu empfehlen. Ja, es ist so: mittlere Kinder bekommen oft weniger Aufmerksamkeit von den Eltern und haben andere Bedingungen beim Aufwachsen als die Erstgeborenen oder die Jüngsten. Doch das bedeutet nicht, dass das automatisch schlechtere Karten sind. Wie in jedem Geschwisterrang gilt es auch bei ihnen, die Gegebenheiten gut für sich zu nützen und darauf zu vertrauen, dass man genau an der richtigen Stelle geboren wurde, weil man dort das meiste lernen kann und alles mitbekommt, was für das eigene Leben notwenig ist, weil uns Konstellationen im Familienmobile eben prägen. Als Menschen und Persönlichkeiten.

Erfahrungen als Eltern

Als erstgeborenes Kind kann ich diese Dinge nur erzählen, ich hab sie nicht erlebt. Ich kann und habe mittlere Kinder befragt (gaaaaanz viele davon in den Partnerkursen für Brautpaare), wie es ihnen ergangen ist – doch richtig gefühlt hab ich natürlich nie, wie es ist, ein mittleres Kind zu sein.

Als dreifache Mama versuche ich täglich mein Bestes, die Kinder gerecht zu behandeln. Dazu gehört nicht nur die Geschwisterposition sondern auch die Persönlichkeit, Temperament und Bedürfnisse des Kindes zu berücksichtigen. (Schon beim Tippen dieser Wörter wird mir die Unmöglichkeit dieser Aufgabe bewusst.)

Doch der Punkt ist: ich versuche es
Ich bin mir bewusst, dass es Unterschiede gibt. 
Ich bemühe mich, typische Rollenbilder zu verbannen.
Ich widme dem mittleren Kind – und jedem Kind – öfter Exklusivzeit
Ich gebe mein Bestes und vertraue darauf, dass das gut genug ist.

Wir kommen als Eltern nicht ohne Fehler durch. Das müssen wir auch nicht. Jeder Fehler ist eine Erfahrung, die uns weiterbringt auf unserer Reise als Begleiter durchs Leben. (Jan Uwe Rogge sagte mal in einem Vortrag: “Trinken Sie 1/8 Weißburgunder für jeden Fehler, den Sie in der Erziehung gemacht haben.” … worauf eine anwesende Mütterrunde im Anschluss eine feuchtfröhliche Nacht erlebte 😉 ….)

Und wir können sie stets in etwas Gutes verwandeln und bisher eventuell negativ behafteten Bildern oder Rollen einen neuen Anstrich geben.

Sandwich Kinder sind vielleicht Troubleshooter.
Vielleicht sind sie aber auch ganz einfach: die GOLDENE MitteUnd glänzen von diesem Platz aus.
Bist du ein mittleres Kind? Welche Erfahrung hast du in dieser Position gemacht?

Was kannst du heute aufgrund deiner Geschwisterposition Positives in deinem Leben entdecken?
Lass mich gern teilhaben und schreib in die Kommentare!


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Kommentare: 3

  • #1Tina (Freitag, 12 Juni 2020 12:34)Ich finde nichts schlechtes daran ein mittleres Kind zu sein.
    Meiner Meinung nach zieh ich sehr viel positives daraus! Ich war die als erste selbständig und ihr eigene Leben gelebt hat. Hab die Zeit mit meinem großen Bruder genossen und natürlich auch gestritten 🙂 Mit meinem kleinen Bruder war’s so das ich schon die Rolle der großen Schwester sehr genutzt und genossen habe.
  • #2Papa (Sonntag, 14 Juni 2020 10:33)ich bin der Dritte von Fünf, und nach meinen zwei Schwestern der lang ersehnte Stammhalter.
    Durch diese spezielle Konstellation und meiner braven Art und Weise als Kind hatte ich absolut keine Nachteile, außer zwei große Schwestern zu haben, die oft etwas besser wussten. Liebe und Zuneigung wurden bei uns in der Familie durch den Betrieb sowieso kaum gelebt, einfach keine Zeit.
    ich habe als erstgeborener Sohn einen Sonderstatus erlangt und bis heute behalten, mir ist es mit meiner Position gut ergangen.
  • #3Kerstin (Montag, 15 Juni 2020 10:32)Schau mal, Tina – das hab ich auch bei der Recherche gefunden (t.online):
    Am einfachsten haben es die mittleren Kinder, die der einzige Junge oder das einzige Mädchen in der Familie sind. Als “Prinz” oder “Prinzessin” haben sie eine recht klare Position. 😉
    Schön, wenn es dir in deiner Position gut geht!
    Papa, danke für deinen Kommentar … schade, dass es da noch diese klischeehaften Wertungen gab bezüglich “Stammhalter” – auch wenn du sichtlich davon profitiert hast. Die Familiendynamik ist immer eine spannende Sache – in jeder Familie!
  • #4
Kerstin Bamminger

Hallo, ich bin Kerstin Bamminger und ich unterstütze Menschen dabei, lebendige Beziehungen zu gestalten. Tiefgründig, bedeutungsvoll und auf Augenhöhe. Hol dir hier am Blog gern Tipps und Tricks, wie das gelingen kann und lass mir gern einen Kommentar da, wenn dir etwas gefallen hat! Viel Freude beim Lesen!

12. Juni 2020

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