WIR MACHEN DAS MAL GANZ ANDERS
Reinhard Mey drückt in seinen Worten etwas aus, das viele von uns Eltern nur zu gut kennen: Warum gibt es für so vieles im Leben eine Ausbildung, aber für das Elternsein – die wohl anspruchsvollste Rolle – wird erwartet, dass man es einfach kann? Und dabei wird oft angenommen, dass das Wissen über Erziehung und den Umgang mit Kindern einfach “intuitiv” vorhanden ist. Doch wie oft haben wir uns schon gedacht, dass das Leben mit Kindern sicher nicht so kompliziert sein wird, wie es bei anderen Eltern aussieht? „Bei uns wird das schon ganz anders laufen!“ – diesen Gedanken hatte ich definitiv früher und vielleicht kennst du ihn auch.
NACH DEN ERSTEN SCHRITTEN IST VOR DEM LEBEN
Eltern zu sein bedeutet weit mehr als die bloße Geburt eines Kindes. Es beginnt ein neuer Lebensabschnitt, der viele Herausforderungen bereithält – und das nicht nur für Eltern von Neugeborenen. Sicher, es ist wichtig, mit Leichtigkeit und einem gesunden Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten an die Sache heranzugehen, aber oft wird der Alltag mit Kindern ganz anders, als man es sich vorgestellt hat. Vom ersten Schultag bis zum ständigen Auf und Ab der Pubertät – die Reise ist lang und vielfältig.
HINTER VERSCHLOSSENEN TÜREN
Auch wenn das Leben mit Kindern oft öffentlich sichtbar ist, finden viele der echten Herausforderungen hinter verschlossenen Türen statt. Ob es die schlaflosen Nächte sind, in denen man ein fieberndes Kleinkind beruhigt, oder die stillen Momente, in denen man mit einem schulgestressten Kind spricht – diese Szenen sieht oft niemand. Es sind die alltäglichen, manchmal einsamen Kämpfe, die das Elternsein prägen.
DIE ROLLE DEINES LEBENS
Kinder großzuziehen ist keine leichte Aufgabe. Es gibt keine festen Regeln, und vieles muss man im Laufe der Zeit lernen. Ob es nun die endlosen Diskussionen über Bildschirmzeiten sind, die ständigen Wäscheberge oder das Jonglieren von Terminen zwischen Schule, Sport und Spielverabredungen – Eltern brauchen besondere Talente, um diese Herausforderungen zu meistern. Vor allem, wenn es um die WICHTIGSTE aller Aufgaben geht: das Managen von Emotionen. Damit uns das gut gelingt und wir stets bzw. immer wieder in tragfähiger Verbindung mit unserem Kind sind, brauchen wir folgende Talente.
TALENT 1: BEOBACHTEN
Wie kann man sein Kind wirklich verstehen? Durch Beobachten. Dieses Talent ist entscheidend, egal wie alt das Kind ist. Denn nur durch aufmerksames Beobachten können wir herausfinden, was unser Kind gerade beschäftigt, was es freut oder ärgert. Ob es sich um den Stress in der Schule oder die Unsicherheiten im Freundeskreis handelt – wachsame Augen und ein offenes Herz sind hier unerlässlich.
Aber Vorsicht: Dieses Talent leidet besonders, wenn der Alltag zu hektisch ist, wir ständig auf unsere Bildschirme starren oder einfach zu gestresst sind, um wirklich hinzusehen.
TALENT 2: WAHRNEHMEN
Beobachten ist der erste Schritt, Wahrnehmen der zweite. Hier geht es darum, das Gesehene auch wirklich ernst zu nehmen. Wenn das Kind abends beim Zubettgehen erzählt, dass es in der Schule ausgegrenzt wurde, dann ist es wichtig, dies als seine Wahrheit anzuerkennen – auch wenn es schwerfällt. „Das kann doch nicht so schlimm sein!“ oder „Das passiert doch jedem mal“ sind Reaktionen, die nicht weiterhelfen.
Dieses Talent leidet besonders, wenn wir zu sehr mit unseren eigenen Problemen beschäftigt sind oder die Gefühle unserer Kinder nicht ernst genug nehmen.
TALENT 3: INTERPRETIEREN
Besonders bei kleinen Kindern, die ihre Gefühle und Bedürfnisse noch nicht gut in Worte fassen können, müssen Eltern oft zwischen den Zeilen lesen. Warum zieht sich mein Kind zurück? Ist es müde oder bedrückt? Diese Interpretationsarbeit bleibt ein wichtiger Bestandteil des Elternseins – vom Kleinkindalter bis in die Teenagerjahre. Und ist der Teil, wo wir wohl am häufigsten Fehler machen.
Dieses Talent leidet, wenn wir uns zu sehr von außen beeinflussen lassen und unsere eigene Intuition untergraben wird.
TALENT 4: BEANTWORTEN
Jede Beobachtung und Wahrnehmung muss schließlich in eine Handlung münden. Oft ist es leichter, auf die Bedürfnisse eines Kleinkindes zu reagieren: Hunger, Müdigkeit, Trost – alles ist ziemlich klar. Doch je älter die Kinder werden, desto komplexer werden auch die Antworten, die sie brauchen. Manchmal reicht ein Gespräch, das Aushalten und Mittragen von heftigen Gefühlen, manchmal braucht es mehr. Aber immer geht es darum, die Not des Kindes zu erkennen und darauf zu reagieren.
Dieses Talent leidet, wenn wir uns selbst zu sehr einschränken, wenn wir uns allein fühlen oder wenn unsere Ressourcen aufgebraucht sind. Darum: Selbstfürsorge bedenken!
TALENT 5: LOCKER BLEIBEN
Das klingt so einfach, ist aber oft das Schwierigste: Locker bleiben. Besonders wenn der Alltag hektisch wird, wenn die Probleme sich häufen oder wenn die Erwartungen – sei es von uns selbst oder von anderen – überhandnehmen. Es braucht Übung und Zeit, um auch in stressigen Momenten die Ruhe zu bewahren und den Humor nicht zu verlieren.
Dieses Talent leidet, wenn die Anforderungen übermäßig hoch sind oder wenn wir uns zu sehr mit anderen vergleichen.
POTENZIALENTFALTUNG
Elternsein ist ein stetiger Prozess der Weiterentwicklung. Die hier beschriebenen Talente sind nur ein kleiner Teil dessen, was wir im Laufe der Jahre lernen und verfeinern. Auch wenn es keine „Befähigungslizenz“ für Eltern gibt, sollten wir nie aufhören, uns weiterzubilden und zu hinterfragen. Denn: Die Erwachsenen von morgen werden von uns geprägt. Sie sind die Entscheidungsträger, Gestalterinnen und Zukunftsmacherinnen. Für sie sollten wir diese Talente entwickeln – und das Beste aus uns herausholen.
Danke, dass du dir die Zeit nimmst, diese Talente zu entwicklen und noch besser darin zu werden. Dein Kind wird es dir DANKEN!
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