In diesen Tagen versammeln wir uns auf Friedhöfen und Grabstätten, wo diejenigen ruhen, die uns schon vorausgegangen sind. In den meisten Fällen werden diese Plätze auch vorher schön hergerichtet und geschmückt, wohl auch damit man während der oft länger dauernden Allerheiligen Prozedur nicht auf ein verwahrslostes Grab starren muss.
Ich geb’s zu. Ich bin nicht der größte Fan vom Friedhof gehen. Ich mag zwar die Stille dort (wenn grad nicht Allerheiligen ist) und lese auch gern, was auf Grabsteinen steht, doch es zieht mich nicht unbedingt dorthin, wo die leiblichen Reste meiner Verwandten liegen, um ihnen nah sein zu können. Darum schreib ich heute darüber, welche drei Wege ich persönlich gehe (öfter als einmal im Jahr) um diejenigen zu ehren, die mir schon vorausgegangen sind.
Denn: die Heiligen und Seelen zu ehren ist mehr, als einmal im Jahr eine Stunde am Friedhof zu stehen.
Geschichten erzählen
Wir ehren die Verstorbenen vor allem dadurch, dass wir sie in Erinnerung behalten, dass wir von ihnen reden, uns Geschichten von ihnen erzählen. Wenn wir FOtos und Videos von ihnen ansehen und uns an gemeinsam erlebtes erinnern. Wenn ich daran denke, wie sich Oma einmal zu Ostern mit meinem Schwager ein Schnapsduell geliefert hat (und gewonnen hat – sorry, David!). Wie Opa bei einer Familienfeier in seiner fortgeschrittenen Demenz dieser netten Frau neben ihm (es war seine langjährige Frau, unsere Oma) einen Heiratsantrag gemacht hat und uns alle darüber abstimmen hat lassen (er war jahrelang Bürgermeister, das hat sich halt eingeprägt). Er war nach über 60 Jahren Ehe immer noch verliebt in sie – und wusste nur nicht mehr, dass er schon längstens mit ihr verheiratet ist. Wie in dem Film “Coco, lebendiger als das Leben” (ja, wir sind unheilbare Disney Fans) über den mexikanischen „Tag der Toten“ (Día de los Muertos) geschildert wird, sterben unsere Lieben erst, wenn niemand mehr an sie denkt. Also: lassen wir sie leben in unseren Geschichten und Erinnerungen. Das kann man auch prima nach dem Allerheiligen-Ritual am Friedhof machen. Und sowieso an jedem Tag des Jahres.
Es ihnen Ähnlich tun
Wenn ich mich in meinem erwachsenen Leben betrachte, merke ich, wie viel von meinen Vorfahren auch in mir versteckt ist. Mein politisches Interesse hat bestimmt mit der intensiven politischen Tätigkeit meines Opas (und meines Papas) zu tun und wenn ich mich heute für Politik interessiere ist es auch ein bisschen ihnen zu Ehren. Wenn ich mich im Garten beschäftige, sehe ich meine Oma, die ihren Garten immer geliebt hat, auch bei mir noch so viel geholfen hat, als es noch körperlich möglich war und wünsche mir oft mehr von ihrem grünen Daumen. Wenn ich Lektorendienst in der Kirche hab, habe ich immer meine Oma im Herzen dabei, die unzählbare Stunden – nicht nur vorlesend – in der und für die Kirche geopfert hat, für uns alle gebetet hat und in ihrem Glauben Halt fand. Wenn ich stricke oder häkle, lächle ich, und denke an Oma, die es wahrscheinlich ähnlich beruhigend fand, mit den Händen einfache Tätigkeiten zu verrichten. Wenn ich auf einen Berg gehe, denke ich praktisch jedes Mal an meinen Cousin, der mit 17 Jahren tödlich am Berg verunglückt ist und mir wird bewusst, dass es in jedem Moment vorbei sein könnte mit dem Leben. Dieser Gedanke macht mich demütig und dankbar. Wenn wir in unserem Leben also Facetten entdecken, die uns an liebe Verstorbene erinnern, ist das wie ein kleines Zeichen, dass sie durch uns und in uns weiterleben. Weil wir es ihnen Ähnlich tun. Und sie dadurch ehren.
Das eigene Leben leben
Es gibt einen Satz, der mich immer noch zu Tränen rührt, wenn ich an die letzten Jahre meiner Großeltern denke. Wenn ich mir wieder mal Zeit genommen hab, bei ihnen zu sitzen und mit ihnen zu plaudern (was im Angesicht ihrer Demenz zunehmend herausfordernd war), war es manchmal mühsam, manchmal humorvoll und öfters ergreifend.
“Sitz doch nicht hier herum, geh’ und lebe dein Leben!” Diesen Satz von meiner Oma werd ich so schnell nicht vergessen. Natürlich ist es auch wichtig, die alternden Personen nicht allein zu lassen. Doch klarer hätte sie es nicht sagen können, was sie sich von uns wünscht:
Dass wir das eigene Leben LEBEN.
Etwas daraus machen.
Mitgestalten wollen.
Uns interessieren.
Einbringen.
Am Leben teilnehmen.
Und es genießen.
So lange es (noch) geht.
Und das mache ich. WIR ALLE ehren unsere Verstorbenen auch …
… mit jedem Moment des Glücks.
… mit jedem guten Essen, das wir genießen.
… mit jedem getanzten Schritt.
… mit jeder belebten Erinnerung.
… mit jedem Gipfelsieg auf einem Berg.
… mit jeder politischen Diskussion.
… mit jedem Fehler für den wir uns noch entschuldigen können.
… mit jedem Glas Wein, das wir auf sie trinken.
… mit jedem Besuch an ihrem Grab.
… mit jedem Tag, den wir leben und dafür dankbar sind.
Wie ehrst du deine Lieben, die dir schon vorausgegangen sind?
Kommentar schreibenKommentare: 1
- #1Claudia Huber (Donnerstag, 31 Oktober 2019 16:09)Hallo Kerstin, ich sage immer und schon lange solange ich von meinen Eltern, Großeltern und Verwandten Geschichten erzählen kann und sie in Gesprächen ehre sind sie für mich nicht gestorben!
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