Koffer für’s Leben #3

Koffer für’s Leben #3

Tränen der Freude, berührende Momente und eine Extraportion Liebe. Diese drei Dinge waren zwar nicht in Papier verpackt, beschriftet und in den alten Lederkoffer geworfen. Und doch bildeten sie den Rahmen für die familiäre Tradition anlässlich der Firmung unseres Jüngsten zu Pfingsten 2024.

Wie schon bei der großen Schwester und unserer Mittleren haben wir das “Erwachsenwerden” des Kindes im Glauben – die Firmung – genützt, um unserem Kind zu verdeutlichen, was wir ihm gerne mitgeben möchten, für den zunehmend eigenständigen Weg ins Leben. Das langsame Loslassen der Kinder fordert mich als Mutter zeitweilig sehr. Nicht nur, weil die Kontrolle nach und nach verloren geht (die hatten wir in Wirklichkeit NIE ganz!), sondern weil es auch viel Segen, Glück und Vertrauen braucht, dass ihnen gelingt, wovon sie träumen.

Hier liest du – in gewohnter Art und Weise – was wir unserem Sohn in dem Koffer überreicht haben. Es gab jeweils ein kleines symbolisches Geschenk, das fein säuberlich nummeriert und mit einer Überschrift versehen war. Er suchte das verpackte Paket mit der Nummer, las uns die Eigenschaft / Haltung vor. Dann folgte der Text von uns Eltern (abwechselnd gelesen) und anschließend durfte er das kleine Präsent auspacken.

Hier liest du – in gewohnter Art und Weise – was wir unserem Sohn in dem Koffer überreicht haben. Es gab jeweils ein kleines symbolisches Geschenk, das fein säuberlich nummeriert und mit einer Überschrift versehen war. Er suchte das verpackte Paket mit der Nummer, las uns die Eigenschaft / Haltung vor. Dann folgte der Text von uns Eltern (abwechselnd gelesen) und anschließend durfte er das kleine Präsent auspacken.


WAS WIR MITGEBEN WOLLTEN:

Für jede angenehme Reise ist es gut, sinnvoll und klug zu packen. Damit man die wichtigen Dinge dabei hat und trotzdem nicht schwer schleppen muss. Wie es schon familiäre Tradition ist, haben wir für dich auch einen Koffer für’s Leben gepackt. Mit kleinen Dingen, die symbolisch für Eigenschaften, Haltungen und Ideen stehen, die wir dir mitgeben möchten.

Durchhaltevermögen & Geduld (Batterien)

Wir leben in einer Zeit, wo wir fast alles Jetzt! Sofort! Haben! Wissen! Können! Wollen. Und wenn es mal länger dauert, bis etwas gelingt, du wütend oder antriebslos wirst, weil Erfolge auf sich warten lassen, dann sei wie ein Duracell Hase und höre niemals auf, zu gehen. Seien die Schritte auch noch so klein. Lade dich auf und bleib dran, dann wirst du dich selbst nie enttäuschen!

Empathie / Einfühlungsvermögen (Herz – Süßigkeiten)

Was uns lebendig macht, sind unsere Gefühle. Erlaube dir, alles zu fühlen, was dir im Leben unterkommt. Koste die angenehmen Gefühle aus und lasse dich auch in unangenehme fallen. Sie sind da, um gefühlt zu werden und verschwinden auch wieder, wenn wir ihnen genug Raum gegeben haben. Vor allem jedoch: nimm auch andere Menschen in ihrem Gefühl wahr und ernst. 

Und merke dir: in den dunkelsten aller Momente, sei das Licht, das für dich und andere leuchtet.

Respekt (Regenbogenfarben – Stifte)

Jeder Mensch hat eine Geschichte, die ihn zu der Person macht, die er oder sie ist. Diese Geschichten oder innere Landkarten sind so einzigartig, bunt und schillernd wie die Farben des Regenbogens. Dir muss nicht jeder Mensch gefallen. Wir wünschen dir aber, dass du jedem mit dem nötigen Respekt und genügend Achtung begegnen kannst. Beurteile dich selbst und andere nicht nach Oberflächlichkeiten wie Statussymbolen, Erfolg oder Hautfarbe sondern stets nach der Größe ihres Herzens.

Anstrengungsbereitschaft (Kettlebell)

Vieles ist dir bisher im Leben wunderbar leicht von der Hand gegangen. Es darf leicht gehen. Und wenn dir das Leben schwerere Brocken in den Weg legt, dann sei bereit, dich anzustrengen. Sei dir sicher: Übung schlägt Talent. Wer bereit ist, mehr aus sich heraus zu holen statt sich auf Gaben der Natur auszuruhen, wird weiter kommen im Leben.

Grips & Vernunft (Train your brain Rätsel)

In einer komplexen Welt brauchst du immer wieder die Fähigkeit, Dinge auseinander zu dividieren und zusammen zu bringen. Hinterfragen, kritisch sein, wachsam bleiben – besonders auch in gesellscahftlichen Belangen, das war schon immer von Bedeutung und wird es auch in Zukunft bleiben. Bediene dich deines Verstandes, nütze ihn für dich und merke dir: Never be so clever, you forget to be kind. Never be so kind you forget to be clever.

Achtsamkeit für die kleinen Dinge (Bettwäsche)

In der Flut der Sinneseindrücke unserer Realität ist es oft schwer, sich eine gute Wahrnehmung zu erhalten. Verlasse dich in hektischen Zeiten auf deine Sinne, sie holen dich schnell ins Jetzt, in den einzigen Moment, der zählt. Und denke immer dran: es sind die kleinen Dinge, die oft einen großen Unterschied ausmachen, wie zum Beispiel morgens das Bett zu machen.

If you want to change the world, start by making your bed. If you can‘t do the little things right, you will never be able to do the big things right.

Teamgeist (Badehose)

Die größte Stärke von uns Menschen ist, Dinge gemeinsam zu bewältigen. Die herausfordernsten Krisen unserer Spezies konnten nur überlebt werden, indem wir zusammen halfen. Du wirst erfahren, dass es im Leben (anders als in der Schule) oft darauf ankommt, wie teamfähig du bist. Keiner muss alles können. Jeder darf eigene Stärken haben. Und gemeinsam wird man dann fast unschlagbar. Du kannst die Welt nicht allein verändern. Such dir jemanden, der sich mit dir ins Boot setzt und gemeinsam rudert.

Humor (Seifenblasenpistole)

Im Erwachsenenleben (und auch schon in Ausbildungszeiten) geht es oft um Leistung, Arbeit und Ernsthaftigkeit. Besonders, wenn einem das Lachen vergeht, ist Humor eine entwaffnende Fähigkeit, die wir auspacken können. Manchmal bleibt uns fast nichts anderes übrig. Wir wünschen dir einen guten Sinn für Humor, der sich wie schillernde Seifenblasen über die Ernsthaftigkeit legt. Dass du auch über dich selbst lachen kannst und dich nicht über Defizite und Eigenheiten anderer Menschen lustig machst, besonders, wenn es sich um schwächere Mitglieder unserer Gesellschaft handelt.

Kommunikationskultur (Buchstabennudeln)

Der Unterschied zwischen primitiven Tieren und uns Menschen: wir können miteinander reden. Dass du in allen Lebenslagen die richtigen Worte findest, deinen Gefühlen und Bedürfnissen Ausdruck verleihen kannst und stets auf ein Gegenüber triffst, das dich ehrlich hören und sehen versucht, das wünschen wir dir. 

Zuversicht & Hoffnung (Spritzkerze)

Das Leben ist Licht und Schatten. In den einsamen, traurigen, ohnmächtigen Stunden brauchen wir ganz besonders die Kraft der Hoffnung. Sei du die Person, die anfängt, den Funken der Hoffnung zu verbreiten. Glaube so fest daran, dass du andere damit ansteckst, mitreißt und begeisterst, auch wenn sie ebenso tief im Sumpf stecken wie du. Start singing when you are up to your head in mud.

Freiheit & Verantwortungsbewusstsein (Planeten)

In den nächsten Jahren wird sich dir die Welt zu Füßen legen. Du wirst sie auf deine Art und Weise begreifen und erfahren. Erlaube dir die Freiheit, dir selbst ein Bild zu machen von diesem Universum anstatt Meinungen zu kopieren. Und hab dabei immer in Herz und Hirn, dass wir auch dafür verantwortlich sind, was uns gegeben ist. Sei sorgsam mit unserem Planeten und gib auf dich und alles Leben acht – sonst ist die Freiheit schneller weg als man denken kann.

Flexibilität (Multifunktionswerkzeug)

Leben ist Veränderung und in den letzten Jahren passiert das mit rasanter Geschwindigkeit. Mit künstlicher Intelligenz, zunehmender Digitalisierung und immer extremeren Lebensumständen werden wir sehr viel Flexibilität im Denken und Handeln brauchen, um in Zukunft bestehen zu können. Sei dir sicher, dass du ganz viel beitragen kannst, um ein gutes Leben für dich und andere zu ermöglichen und wisse: du kannst alles lernen, was du (noch) nicht kannst! 

Selbstvertrauen & Selbstwirksamkeit (Sugar cookie)

Wir finden: das Leben ist nicht immer fair. Manchmal kannst du noch so gut vorbereitet sein, noch so gewappnet, noch so erfolgreich – hinfallen wird Teil deines Weges sein. Leben ist nicht so gemeint, dass es fehlerlos klappt. Sonst wäre es vermutlich zu langweilig. 

Sei dir immer bewusst: Fallen gehört dazu. Fehler gehören dazu. Scheitern gehört dazu. Wie Brösel zu Keksen. Wichtig ist nur, dass du weißt, wie du wieder aufstehst. Dass du überzeugt bist, dass du stark genug bist, um weiter zu gehen. Und dass du dir entweder selbst helfen kannst oder um Hilfe bitten darfst. Dann machst du auch noch jemandem eine Freude – dem, der dir helfen darf.  

Vielleicht sind diese Dinge noch nicht alles, was du auf deinem Weg, deiner Reise durch’s Leben brauchen wirst. Du wirst deine eigenen Pfade betreten, Dinge tun, von denen wir nicht viel wissen. Daher wollen wir dir zum Schluss sagen: Wir glauben fest daran, dass du alles in dir trägst, was du für ein glückliches, zufriedenes und wunderbares Leben brauchst. Hab immer wieder den Mut, in dir selbst zu graben, dich auf die Suche zu machen und dich zu entwickeln. Lass den Geist Gottes in dir und durch dich wirken! 

Finde immer wieder Sinn in den Dingen, die du tust, und denke immer dran: du bist – auch wenn du erwachsen bist – nie allein.

Die Tür zu unserer Wohnung und besonders unseren Herzen wird immer offen stehen für dich. Ganz egal, was du ausgefressen hast. Hier ist dein sicherer Hafen, dein geschütztes Nest und deine verlässliche Tankstelle. Immer für dich geöffnet.

  • Wir freuen uns auf alles, was da noch kommt.
  • Was wir noch mit dir erleben dürfen.
  • Wohin du uns noch bringst und mitnimmst und sind jetzt schon dankbar.

Für dich und alles, was du in unser Leben bringst!


Wieviel unsere Kinder von dem, was wir ihnen mitgeben möchten, auch wirklich nehmen, bleibt ihnen überlassen. Sie haben die Freiheit, selbst zu entscheiden, was für sie gut und wichtig ist. In der Hoffnung, dass wir ihnen nicht nur in Worten und Taten sondern vor allem durch unser gelebtes Leben bis hier her ein Vorbild sein konnten, wollen wir sie Stück für Stück entlassen.

In neue Freiheiten, in neue Lebensabschnitte, in neue Abenteuer. Denn schließlich ist das Leben da, um gelebt zu werden.
So, und ich hole mir jetzt die Taschentücher. Loslassen kann so schön und traurig zugleich sein – genieße dieses Gefühl.

ANMERKUNG: Diese Idee ist ausdrücklich zum Nachmachen empfohlen! Ich freue mich über jeden Koffer, der so oder so ähnlich voller liebevoller Gedanken an eine(n) Jugendliche(n) übergeben wird! VIEL FREUDE bei der Zeremonie!

18 Sommer

18 Sommer

Der Küchentisch ist heut Morgen wieder nur von einem Kind besiedelt, zwei Drittel sind ausgeflogen. Was hier immer öfter vorkommt. Mehr und mehr eigene Pläne und Orte, wo sie ihr Leben genießen, unser Zuhause: manchmal nur mehr die Homebase zum Gewand wechseln und kultivieren. 
18 Sommer haben wir mit unseren Kindern (so las ich es bei Ellen Girod), wo wir die Verantwortung für sie tragen. Wenn uns so viel Zeit zusammen gegönnt ist. Warum wir sie nutzen, genießen, auskosten sollten.

IM RÜCKSPIEGEL BETRACHTET

Ich bin jung Mama geworden. Mit gerade mal 24 Jahren hab ich unser erstes Kind geboren und mich selbst als Mutter dazu. Die Kombination aus fast jugendlicher Unbeschwertheit und sorgloser Selbstverständlichkeit war im Rückspiegel betrachtet ein Glücksfall. Und doch hab ich so jung schon sehr genau gewusst, wie ich mir das mit dem „Kinder haben“ vorstelle. Geprägt von meiner eigenen Geschichte im Oberbuch’schen Bullerbü.

DEMUTSÜBUNG DES LEBENS

Hingabe. Das ist eins der ersten Dinge, die es braucht, wenn man Kinder bekommt. In unzähligen Geburtsgeschichten, war der Moment der Hingabe der, wo die Geburt wirklich losging, wie ich gehört habe. Du gibst dich selbst auf und darfst komplett ins Vertrauen gehen, dass alles, was hier passiert, hoffentlich gut gehen wird. „Mutter werden ist die größte Demutsübung, die es gibt!“ hat eine sehr kluge Frau mal zu mir gesagt. Ich stimme ihr zu.

DAUER DER VORSTELLUNG UNBEKANNT

Wenn dann die durchwachten Nächte hereinbrechen, Brechdurchfälle und gippale Infekte sich die Klinke in die Hand geben, der Haushalt einem jeden Tag noch mehr über den Kopf wächst und um sieben Uhr morgens schon das gefühlt tausendste „MAAAAMMAAAA!“ durch die Wohnung dröhnt, scheint die Zeit wie eingefroren zu sein. Man sitzt in seinem ganz persönlichen Horrorfilm und weiß nicht, wie lang die Vorstellung noch dauert.

WIR SCHAUEN VORBEI

„Kinder dürfen keine Ausrede sein, etwas im Leben nicht zu machen! Das möchte ich ihnen später nicht vorwerfen müssen!“ hab ich kürzlich gehört und die Aussage trifft mich ins Herz. Weil sich darin ein klein wenig der Wert der Kinder in dieser Gesellschaft wiederspiegelt. Wir gaukeln vor, wie wichtig sie sind, tönen „Kinderbetreuungsplätze für alle“ und verlieren meist komplett aus den Augen, um wen es hier eigentlich geht. Und welche Chancen wir verpassen, wenn wir so denken.

18 SOMMER IS ALL WE HAVE

Nein, man muss nicht auf alles verzichten, wenn man Kinder hat. Da bin ich glasklar. Mir erschließt sich der Wert von mehrstündigen Wandertouren mit Säugling im Tragetuch halt nicht. Und so manche andere Sachen, die mir neuerdings wiederkehrend unterkommen. Wann ist es bitte so unpopulär geworden, Zeit für die eigenen Kinder zu haben und die Elternkarenz für alles mögliche zu nützen, nur nicht dem Kind zu widmen? Wir schhhschen sie bei Videokonferenzen, nehmen ihre Signale nicht wahr und schieben sie beiseite, weil wir so beschäftigt sind. Wir verhalten uns, als könnten wir all das später nachholen. Aber wir haben nur 18 Sommer. Manchmal vielleicht sogar weniger.

Wir sollten …

  • … mit ihnen Musik aufdrehen und laut dazu singen.
  • sie mit pubertären Launen aushalten und daran Gelassenheit trainieren.
  • sie mit mildem Blick anschauen, wenn was daneben gegangen ist.
  • die 5 in Bio entspannt hinnehmen, weil sich die Erde sowieso weiter dreht.
  • sie ermutigen, das mit dem Skateboard doch noch mal zu versuchen.
  • ihnen zuhören, wenn sie uns vom Leben erzählen.
  • sie fragen, ob sie heute mal gelacht haben.
  • uns interessieren, was denn gerade in ihrem Kopf vorgeht.
  • mit ihnen feiern! JEDEN TAG! Weil es jeden Tag was zu „feiern“ gibt – im Sinn von: darüber hab ich mich heute gefreut!
  • am Boden mit ihnen spielen und die Welt aus ihrer Perspektive sehen.
  • uns verzaubern lassen von ihren phantasievollen Ideen und Gedanken.
  • sie sehen, wie großartig sie sich dieser verrückten Welt entgegenstellen.
  • sie umarmen, drücken, abknutschen, streicheln, halten. Und aushalten.
  • denken, dass sie schon gut sind, so wie sie sind.
  • ihnen lernen und zeigen, wie wichtig sie uns sind.
  • mit ihnen Bettkantengespräche führen und dabei unsere Verbindung spüren.
  • den Haushalt stehen lassen und mit ihnen im Garten toben.
  • die Videokonferenz unterbrechen, wenn sie zur Tür rein kommen und uns brauchen.
  • sehen, wie sehr sie unser Leben bereichern, nur durch ihre Existenz.
  • jeden Moment schätzen, der uns mit ihnen gegönnt ist.

Dies ist der achtzehnte Sommer mit unserem ersten Kind. Rein rechtlich ist sie im Herbst eine unabhängige Erwachsene, die uns nicht mehr braucht. Natürlich bedeutet das kein Ende des Kontakts. Wir hoffen, dass „DAHOAM“ immer noch und noch lange ein Ort ist, wo sie gerne lebt und immer wieder zurück kommt. Um aufzutanken, loszulassen, einzukehren und sich zu verbinden

Wie endlich unsere gemeinsame Zeit ist, haben wir oft zu wenig am Radar.
Einerseits ist es gut, andererseits eine Schande.
Weil wir Gelegenheiten verpassen, die nie mehr wiederkommen.

Weil das Glück in Momenten zu finden ist.
Weil es die Beziehungen zueinander sind, die unser Leben reich machen.
Und das Leben überhaupt lebenswert.

Wie viele Sommer hast du hoffentlich noch? Schreib mir in die Kommentare, was dir bei dem Gedanken durch den Kopf geht, wenn du magst …

Der gemeinsame Nenner

Der gemeinsame Nenner

Haltungen, Meinungen und Werte haben uns Menschen immer schon voneinander unterschieden. Es ist also nix Neues. Was aber neu ist, ist die Tatsache, dass sich so viele Menschen gleichzeitig bei einem Thema entzweien, wie derzeit beim großen C. Wenn man früher noch die Chance hatte, gewisse Themen geschickt zu “umschiffen” ist es heute kaum noch möglich, das Thema auszusparen, weil es so allgegenwärtig ist.
Höchste Zeit also, ein wenig hinter die Kulissen zu blicken und sich auf die Suche nach einem gemeinsamen Nenner zu machen, der wieder kitten kann, was so an Gräben aufgerissen wurde und immer noch wird.

LEADERSHIP IN FAMILIEN

Jeder Mensch wird in eine Familie hinein geboren und lernt dort sein erstes Wertekonstrukt kennen. Wir erfahren, worauf in der Familie wert gelegt wird, welche Gepflogenheiten, Rituale und Traditionen es gibt und all diese Dinge werden maßgeblich von den Erwachsenen in der Familie geprägt. Das ist auch gut so, denn Kinder im Aufwachsen zu begleiten erfordert ein ständiges Handeln und Entscheiden nach diesen Wertvorstellungen und da macht es Sinn, diese individuell und wohl überlegt abzustecken. Nur so können Mütter und Väter authentische Führungspersönlichkeiten sein und Leadership in Familien zeigen.

GEGENSÄTZLICHKEITEN ÜBERBRÜCKEN

Dass Dinge in anderen Familien ganz anders laufen, merkt man oft schon früh. Wenn man Freundinnen zuhause besucht, bei anderen Familien zu Gast ist oder spätestens, wenn man die eigene Schwiegerfamilie kennen lernt. Die Beziehungsarbeit, die dann notwendig ist, um solche Unterschiede oder Gegensätzlichkeiten zu überbrücken, ist entscheidend für das Gelingen des Zusammenlebens. Die Liebe zueinander hilft da natürlich ungemein – sowohl in freundschaftlichen als auch in partnerschaftlichen Beziehungen. Drum ist es auch grad im Großen Ganzen so schwierig, weil die Zuneigung und Verbundenheit fehlt.

IM NENNER BEDÜRFNISSE

Was aber tun, wenn plötzlich auch im “Kleinen” Sand im Getriebe ist und selbst in familiären Beziehungen Differenzen ausgebügelt werden sollen? Geschweige denn im großen gesellschaftlichen Ganzen? Mir hilft es, wenn ich mich darauf besinne, dass wir alle grundsätzlich dasselbe wollen und brauchen. Auch auf die Gefahr hin, dass du mich für völlig verrückt erklärst: JA, das meine ich wirklich so. Vielleicht benötigen wir nicht alle alles im selben Ausmaß und ganz sicher nicht immer zum gleichen Zeitpunkt, aber ja: das ist unser gemeinsamer Nenner.
Wir haben alle (die gleichen) Bedürfnisse.

WIR WOLLEN DOCH ALLE DAS SELBE

In der friedvollen Kommunikation ist das Ausdrücken von Gefühlen und Bedürfnissen ja die Basis von allem und somit nicht nur wichtig sondern auch hilfreich, wenn wir einander verstehen oder zumindest erkennen wollen. Im Groben lässt sich sagen, dass jeder Mensch einerseits verbunden sein will, also zu einer Gemeinschaft dazugehören mag und auch selbstbestimmt sein möchte. Dazu kommt das Bedürfnis, sich entspannen zu können und gleichzeitig sicher zu sein, bzw. sich sicher zu fühlen. Natürlich kann man das jetzt noch viel genauer aufdröseln, doch im Wesentlichen läuft es auf diese Dinge zusammen.

WARNBLINKANLAGE GEFÜHL

Da wir nicht wie Autos automatische Warnanzeigen haben, die zu blinken beginnen, wenn ein Bedürfnis nicht ausreichend gedeckt ist, brauchen und haben wir unsere Gefühle. Sie sind die Indikatoren dafür, wie es uns geht, sie zeigen auf, wenn unsere Bedürfnisse grad halbwegs erfüllt sind und wann eben eher nicht. Gefühle bei erfüllten Bedürfnissen wahrzunehmen und auszudrücken macht uns dankbar und ausgewogen, wir spüren Leichtigkeit und Freude und können unser Dasein wertschätzen. Wir genießen es, in solchen Emotionen zu baden.

STRATEGIEN IM MANGEL

Gefühle bei unerfüllten Bedürfnissen anzunehmen ist dagegen viel schwerer, weil sie irgendeine Form des Handelns erfordern. Schließlich mag man nicht in einem Zustand verweilen, der sich unangenehm anfühlt. Wenn wir also ängstlich, gestresst, wütend, verärgert, traurig, ohnmächtig, unzufrieden, einsam, frustriert oder hoffnungslos sind, dann macht das was mit uns. Wie wir darauf reagieren, wie wir damit umgehen, ist jedoch höchst unterschiedlich und hängt mit den erlernten Strategien im Lauf des Lebens zusammen.

DEIN GEFÜHL HAT IMMER RECHT

Ein erster wichtiger und guter Schritt ist jedenfalls, das eigene Gefühl wahrzunehmen, versuchen, es möglichst präzise zu benennen (Eltern machen das stellvertretend für ihre Kinder, wenn die das sprachlich noch nicht können) und dann anzunehmen. Ein Gefühl ist immer richtig, so wie es im Moment empfunden wird. Auch wenn wir die Auslöser dafür (wenn das Brot des Kindes beim Frühstück falsch durchgeschnitten wurde), nicht verstehen oder nachvollziehen können. Das Gefühl ist die Realität des Menschen, egal ob das jemand anderes auch noch versteht. Diese Erkenntnis und das Zugeständnis ist wichtig.

ANERKENNEN UND AUSSPRECHEN

Und wenn ich aufhöre, mit der Realität zu streiten – indem ich mir selbst oder anderen bestimmte Gefühle abspreche – kann ich mich und den anderen wieder ernst nehmen. Dann kommt der schwierigere Teil: solche unangenehmen Gefühle entweder aushalten oder reflektieren woher die kommen (die meisten von denen kennen wir aus sehr frühen Kindertagen) und gegebenenfalls in die Handlungsfähigkeit kommen. Dabei hilft es, auszusprechen, wie es da drin in mir aussieht:

  • Ich fühle mich bedrängt und wünsche mir mehr Selbstbestimmung und Unabhängigkeit.
  • Ich fühle mich frustriert und wünsche mir, wirksamer sein zu können.
  • Ich fühle mich ohnmächtig und wünsche mir, etwas beitragen zu können.
  • Ich fühle mich einsam und wünsche mir, dazu gehören zu können.
  • Ich fühle mich hoffnungslos und wünsche mir Vertrauen, Ordnung und Klarheit für meine Zukunft.
  • Ich fühle mich traurig und wünsche mir mehr Erholung, Ruhe und Harmonie.
  • Ich fühle mich gleichgültig und wünsche mir mehr Respekt und Wertschätzung.
  • Ich fühle mich wütend und wünsche mir mehr Gerechtigkeit und Unterstützung.

EIN GLÜCKLICHES LEBEN

Diese Liste lässt sich natürlich beliebig fortsetzen, unsere Palette an verschiedenen Gefühlen ist bunt und vielfältig. Wenn es uns gelingt, zu erkennen, dass wir im Grunde als Menschen dieselben Bedürfnisse haben, könnte uns das wieder milder stimmen im Umgang miteinander. Wir könnten erkennen, dass wir alle uns ein glückliches Leben wünschen und zufrieden uns selbstbestimmt in Sicherheit leben möchten. Dass das unser gemeinsamer Nenner ist. Und wir lediglich verschiedene Vorstellungen davon haben, wie wir das erreichen können.

AUSHALTEN UND AUSGLEICHEN

Zugegeben, das ist schwer genug. Die Vorstellung von andersdenkenden, andersfühlendnen und andershandelnden Menschen so zu akzeptieren ohne das eigene Weltbild davon bedroht zu wissen. Wir sind geprägt von unserer Geschichte und unseren Erfahrungen im Leben. Hätte uns das Universum auf andere Pfade geschickt, würden wir mit ziemlicher Sicherheit auch anders da stehen. So verlasse ich mich darauf, dass es einen Grund hat, warum wir so verschieden sind. Dass es Sinn macht, unterschiedlich zu sein. Und dass wir auch alles von der Schöpfung mitbekommen haben, um diese Andersartigkeit auszuhalten oder auszugleichen. Wenn wir uns nur ein Herz nehmen, ein bisschen herunter kommen und uns dann auf Augenhöhe begegnen. Weil wir eins sind.

  • Jeder Mensch will wirksam sein.
  • Jeder Mensch will Leichtigkeit und Entspannung spüren.
  • Jeder Mensch will Gerechtigkeit erfahren.
  • Jeder Mensch möchte dazu gehören.
  • Jeder Mensch will Wertschätzung bekommen.
  • Jeder Mensch möchte etwas beitragen können.
  • Jeder Mensch will Abwechslung erleben.
  • Jeder Mensch möchte sich austauschen können.
  • Jeder Mensch will sich entwickeln.
  • Jeder Mensch möchte gleichwertig und ausgewogen behandelt werden.
  • Jeder Mensch möchte Harmonie und Schönheit erleben.
  • Jeder Mensch möchte Unterstützung erfahren.

Vielleicht sind wir am Ende des Tages gar nicht so verschieden, wie wir meinen. Nützen wir dieses Wissen, um wieder mit mehr Sanftheit aufeinander zu zu gehen. Es täte uns jedenfalls gut.

ÜBERFORDERT MAL 17

ÜBERFORDERT MAL 17

Es ist ein unschöner Zustand, wenn man überfordert ist oder überfordert wird. Und doch meine ich, fast jeder Mensch kennt ihn. ICH kenne ihn jedenfalls. In verschiedensten Lebensbereichen hab ich mich schon überfordert gefühlt und besonders oft, seit ich auch Mama bin. Auch wenn nach Außenhin alles oft spielerisch und mühelos leicht aussieht: das ist es nicht. 
Warum Kinder trotzdem etwas davon haben, wenn du überfordert bist und warum du mit reinem Gewissen überfordert sein darfst, darum geht’s in diesem Beitrag.

BEAUTIFUL DESASTER

Ganz ehrlich: ich war letzte Woche mit so einigem überfordert. Termine, die sich kreuz und quer in meinen Tagesplan schoben, verpeilte Geburtstage und so viele Ausnahmen zum gerade erst gewohnten Alltag, dass ich gar nicht mehr genau wusste: wer in der Familie ist eigentlich gerade zuhause und wer darf morgen Früh geweckt werden (bzw: weckt mich der Wecker oder mein Mann?!). Ein einziges schönes Desaster, also.

AUFMERKSAMKEIT IM MULTIZERKLEINERER

Es ist schon so eine Erscheinung dieser Zeit, oder? Obwohl viele von uns (und auch ich gehöre manchmal dazu) vorgeben, alles super im Griff zu haben, Dinge gut auf die Reihe zu kriegen oder den Alltag spielend zu schaukeln, straucheln wir (also ich, jedenfalls öfters). Weil es so viele kleine Dinge zu bedenken gibt, die unseren Kopf so unfassbar zustopfen. Weil wir gewisse (hohe!) Ansprüche haben, wir wir das mit diesem Leben hinbekommen wollen. Weil unsere Aufmerksamkeit wie in einem Mutlizerkleinerer zerstückelt und in alle möglichen Richtungen verteilt wird, wenn wir in unserem Netz (real oder digital) interagieren.

NEXT LEVEL ÜBERFORDERUNG

Eltern leben eine verschärfte Version davon. Sie wollen nämlich nicht nur für sich selbst alles richtig machen, sondern auch noch für ihre Kinder. Hier fängt es an, echt schwierig zu werden. Erstens, weil es das EINE “richtig” nicht gibt und zweitens, weil wir viel zu selten ehrlich darüber sind, wie sehr wir tatsächlich oft anstehen und überfordert sind. Eltern sollen doch immer funktionieren! Eltern sollen doch Leuchttürme sein! Eltern sollen doch innere Klarheit haben und stark sein! Eltern sollen doch Vorbild sein und sich auskennen! Oder nicht?

MENSCH, NICHT MASCHINE

Manche dieser Worte hast du auch hier schon gelesen. Weil manches davon stimmt. Ziemlich viel sogar. Und dennoch möchte ich heute mal besonders betonen: wir sind keine Maschinen. Wir handeln nicht geradlinig und zuverlässig wie eine Software. Wir sind unberechenbar, lebendig und menschlich. Und als solche herrlich mangelhaft. Schade ist, dass wir zu wenig darüber sprechen und nicht ehrlich genug damit sind. Also geh ich mal voran und schreib eine Liste von Dingen, mit denen ich regelmäßig überfordert bin.

ÜBERFORDERND KANN SEIN

  1. täglich eine (oder mehrere) sinnvolle Mahlzeiten für die Kinder herrichten
  2. die Wohnung aufgeräumt zu halten oder die Wäscheberge zu bewältigen
  3. mich an die Freizeittermine der Kinder zu erinnern und alle Taxifahrten koordinieren
  4. die Übernahme von Haushaltsaktivitäten von den Kindern einfordern
  5. generell die Arbeitsverteilung im Haushalt zu organisieren
  6. mich selbst beim Konsum von Social Media zu begrenzen
  7. neue Ideen für den Blog zu finden
  8. überbordende Gefühle immer geduldig zu begleiten (vor allem wenn man selbst grad bedürftig ist)
  9. totale Klarheit über allfällig anstehende Entscheidungen (für mich oder die Kinder) zu bekommen
  10. mit hormonellen Schwankungen von Teenagern fertig werden
  11. mit eigenen hormonellen Schwankungen fertig werden
  12. frühmorgens gute Laune versprühen 
  13. den Überblick über sämtliche Lernplattformen der Kinder zu bewahren
  14. nach einem laaaangen Tag noch die Küche blitzblank machen
  15. ständig die Nahrungsmittel aufzufüllen, die in einer Großfamilie verbraucht werden
  16. meinen gesamten Konsum auf Ökologie und Nachhaltigkeit zu prüfen
  17. die Katze zu füttern bevor ich selbst esse, damit sie zum Schreien aufhört

WILLKOMMEN IM CLUB

Ich bin sicher, du kennst das eine oder andere Szenario. Klar bin ich nicht jeden Tag mit all dem überfordert. Und doch kehren diese Themen variierend und mit einiger Regelmäßigkeit wieder. Oft habe ich sehr viel Verständnis für mich selbst und erwarte mir gar nicht, dass ich es anders können sollte. Doch was ich damit sagen möchte: so geht es mir AUCH. Und falls du solche oder ähnliche Empfindungen und Gedanken hast: willkommen im Club!

EINE PORTION SCHULTERKLOPFEN, BITTE

Damit der Beitrag nicht zum reinen Jammertext verkommt, hab ich noch ein paar Worte und Tipps für dich, die dir bei Überforderung eventuell helfen können. Weil sie mir helfen. 

  • Ich darf überfordert sein. Ich bin trotzdem genug.
  • Wenn ich überfordert bin, lernen meine Kinder, dass ich auch nur ein Mensch bin.
  • Ich bin nicht für alles zuständig.
  • Ich darf verletzlich sein und Grenzen haben.
  • Ich bleibe geduldig mit meiner Unvollkommenheit.
  • Ich bin lieb zu mir, wenn ich nicht funktioniere wie erhofft.
  • Ich kann auch vorleben, dass es okay ist, mangelhaft zu sein.
  • Ich nehme mir Zeit für ein klares Ja oder Nein – mindestens einmal ein- und ausatmen lang.

HUMOR HILFT

Weißt du, welchen Satz ich wirklich oft in meinen Workshops oder Beratungen höre? Es tut gut, dass man sieht, dass du auch nicht alles richtig machst. Weil ich auch in meiner professionellen Rolle Platz lasse für Unzulänglichkeiten, Fehler und ungünstige Verhaltensweisen. Nicht nur die Teilnehmer:innen profitieren davon, auch die Kinder. Es gibt doch nichts Ätzenderes als aalglatte, perfekt aussehende, immer lächelnde und makellose Menschen. Also für mich jedenfalls. Ich bin und bleibe auch lieber lebendig, angreifbar, menschlich und humorvoll. Denn ab und zu hilft nur mehr, auch über sich selbst lachen zu können.

SURROUND YOURSELF WITH KIND PEOPLE

Zurück zur letzten Woche. Am Freitagabend nahm ich eins der Kinder dann wieder nach den Kennenlerntagen entgegen. Während ich darauf wartete, ergab sich ein netter Plausch mit drei anderen Müttern am Parkplatz. Ein paar schöne und ehrliche Momente, wo keine der anderen versucht hat, etwas vorzumachen. Gedanken unter Gleichgesinnten, bei denen man den Kopf über sich selbst schütteln konnte, ohne gleich misstrauisch angesehen zu werden. Und das Gefühl, dass es anderen ähnlich geht. Auch wenn ich es ohnehin weiß – das hat gut getan.
Auch wenn’s nur zehn Minuten waren.

Umgib auch du dich mit Menschen, wo du nicht nachdenken musst, wie du zu sein hast. Sie sind eins der größten Geschenke, die wir uns selbst machen können.

Entspannung – auf 6 Ebenen

Entspannung – auf 6 Ebenen

Wir befinden uns gerade in der Urlaubs- und Ferienzeit und wann, wenn nicht jetzt, ist Zeit sich zu entspannen? Doch, wie geht das noch mal? Was brauchen wir Erwachsene um entspannen zu können und brauchen Kinder andere Dinge?

(Die Basis) chillen, relaxen, runterkommen, sich beruhigen – egal wie wir es benennen – ist etwas, dass Kinder meiner Einschätzung nach vor allem in der Familie lernen. Also sind wir als Eltern gefordert, ihnen hier einerseits ein Vorbild zu sein und sie andererseits gut dabei zu begleiten. Worauf du dabei achten sollst, und was das mit einem Klavier zu tun hat, erfährst du in diesem Beitrag.

RHYTHMUS statt BALANCE

Das Leben besteht aus vielen Gegensätzen. Tag und Nacht, Aktivität und Ruhe, Freude und Trauer, Reden und Schweigen und vielen mehr. Anspannung und Entspannung gehören auch dazu. Ich finde es okay und gut, stressige Zeiten aushalten zu können, einen dichten Terminplan zu stemmen und gefühlt mit tausend Händen zu werken und abends erschöpft in die Horizontale zu kippen. Dafür gibt es im Ausgleich Phasen der Ruhe, bewusstes Abkehren von Produktivität, hin zu Genuss und Stille und einer angenehmen Langsamkeit, die sich dann breit machen darf.
Es kommt nicht drauf an, ständig die Balance – also die Mitte – zu finden, sondern in einem lebendigen Rhythmus hin und her zu pendeln.

NOCH EIN TO-DO?

Meiner Beobachtung nach landen To-Dos, Termine und Tumulte schneller und automatischer auf unserer Tagesagenda. Zumindest in der westlichen und industrialisierten Welt. Um den Teil mit Entspannung, Erholung und Entlastung dürfen wir uns viel bewusster kümmern – von selbst passiert das praktisch nie. Und es macht Sinn, das schon früh zu üben, auch wenn das wie ein weiteres To-Do auf einer ohnehin langen Liste erscheint.

ES LEBE DIE VIELFALT

“Lebensqualität gibt es nur im Jetzt”, sagt Gerald Koller vom österreichischen Forum Lebensqualität. Nicht erst später, im Urlaub, in der Pension, im Himmel. Jetzt! Das heißt, wir brauchen die Fähigkeit, uns ein gutes Leben zu schaffen, im Alltag. Wenn wir uns ein lebendiges und ausgewogenes Dasein wünschen. Und was Koller als Risiko- und Suchtpädagoge ebenfalls predigt: auf die Vielfalt kommt es an. Es reicht nicht, zum Stress reduzieren laufen zu gehen. Wenn es die einzige Option ist, die ich nützen mag.

Die Suchtpädagogik beschreibt das gern mit dem Bild der Tasten am Klavier (des Lebens). Jede Taste am Klavier steht für ein anderes Tool, das mir hilft, mich zu entspannen. Ich als Mensch bin gefordert, selbst die verschiedensten Töne kennen zu lernen und zu spielen. Ich darf entscheiden, ob und wann welche “Taste” hilfreich ist. Und in welcher Situation. Es kommt drauf an, dass ich viele verschiedene dieser Tasten spielen kann und nicht, was die Tätigkeit ist und ob es dazu eine gesellschaftliche Bewertung gibt. Die Vielfalt ist der relevante Faktor.

DAS KLAVIER DES LEBENS BESPIELEN

Die Aufgabe von uns Eltern ist es, den Kindern möglichst verschiedene Tasten ihres “Klaviers” zu zeigen. Mit unserer Lebenserfahrung und einer großen Portion Empathie dürfen wir an ihrer Seite stehen und sie dabei begleiten, ermutigen, stärken und anregen. Schon bei Säuglingen ist es so, dass sie zuerst MIT einer anderen Person lernen, sich zu beruhigen, bevor sie es ALLEIN lernen. Das bleibt in verschiedenen Bereichen lange so. Ich würd meinen, bis ins jugendliche Alter, weil jedes Alter auch neue und angepasste Strategien erfordert. Bei dieser schönen aber auch manchmal aufreibenden Aufgabe können wir uns aus unterschiedlichen Bereichen inspirieren lassen.

RUHE. Das kann zum Beispiel sein …

  • ein Schläfchen halten
  • den eigenen Atem hören und fühlen
  • Meditation odereinfach nichts tun
  • Langeweile zulassen und aushalten
  • in die Stille hinein hören (Berg, Wald, Kirche,….)

MUSIK. Das kann zum Beispiel sein…

  • eine coole Nummer laut aufdrehen
  • dabei mitsingen und abtanzen
  • selbst ein Instrument spielen
  • einem Konzert lauschen
  • musizieren und dazu singen

BEWEGUNG. Das kann zum Beispiel sein …

  • eine Runde spazieren gehen
  • sich beim Yoga einmal durch mobilisieren
  • auf einem Baumstamm, Randstein, Parcours balancieren
  • sich richtig zum Schwitzen bringen beim Sport
  • den einen Körper bewusst dabei spüren

NATUR. Das kann zum Beispiel sein …

  • in den Wald gehen
  • einen Berg (oder Hügel) erklimmen
  • den Himmel und die Wolken beobachten
  • Pflanzen(namen) kennen lernen und eventuell nützen
  • ihren Rhythmus spüren und mit gehen mit den Jahreszeiten

MENSCHEN. Das kann zum Beispiel sein …

  • eine Freundin anrufen
  • die Mädelsrunde treffen
  • auf ein Konzert, eine Demo, ein Fest gehen 
  • anderen helfen und sich daran freuen
  • ein gutes Gespräch führen und dabei das Herz öffnen

GENUSS. Das kann zum Beispiel sein …

  • ein Eis zusammen schlemmen
  • ein gutes Glas Wein trinken
  • sich was Leckeres kochen
  • gut essen gehen in’s Lieblingslokal
  • sich die Schokolade, Torte, Chips, das Juni-Food einfach mal mit gutem Gewissen schmecken lassen 

Ich bin mir sicher, du hast noch viel mehr Ideen. Womöglich hab ich einen ganzen Bereich, der dir wichtig ist, nicht abgebildet. Diese Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, im Gegenteil. Sie ist ein kleiner Anfang. Du bist gefordert: für dich und dein Kind immer wieder neu zu entdecken, was dich und was dein Kind entspannt. Und im Moment der Anspannung verschiedene Strategien parat zu haben, damit es lernt, dass in jeder Situation eine Vielzahl von Möglichkeiten DA sind und genützt werden können. Wir brauchen nicht IMMER ALLE Optionen. Und wenn uns dauerhaft nur eine einzige Möglichkeit bleibt, dann ist das krankmachend. Egal von welchem oben genannten (oder anderen) Punkt wir dabei reden. !!

EIN TISCH AUF EINEM BEIN

Die Natur zeigt es uns vor. Nicht DIE EINE Lösung ist gut für alle. Es braucht Vielfalt. Je bunter und unterschiedlicher wir aufgestellt sind, desto resistenter sind wir. Gegen Stress. Gegen Verspannung. Gegen Viren. Und Engstirnigkeit. Wir können uns nicht abschotten und hundertprozentig schützen vor den Gefahren und Herausforderungen des Lebens. Wir können uns wappnen. Breit aufstellen. Flexibel bleiben. Uns zusammentun. Miteinander fühlen und uns gegenseitig unterstützen. Das wird uns stark machen. So wie ein Tisch auf mehreren Beinen stabiler steht als auf einem.

Lasst uns unsere Kinder stark machen.
Lasst uns selbst stärken.
Damit wir einander stärken können.
Einander helfen.
Empathie zeigen.
Dann können wir kleine und große Krisen relativ sicher bewältigen.

Was hilft dir / deinem Kind, dich zu entspannen? Immer her mit den guten Ideen!
Ich freu mich über einen Kommentar dazu!

Glitzer über die “Lernlücken”

Glitzer über die “Lernlücken”

Ein Schuljahr, wie es noch niemand je erlebt hat. Morgen machen wir gemeinsam endlich einen Haken drunter. Die Kinder haben wieder viel gelernt – mehr als Schulnoten ausdrücken können und beschreiben. Ich freu mich immer, wenn sie dazulernen und sich entwickeln. Manches haben sie GOTT SEI DANK nicht gelernt, was heuer ungewollter Weise am “Lehrplan” stand. Für dieses Nicht-Lernen will ich ihnen heut mal besondere Anerkennung zollen. 

JETZT UND HIER

Was war ich zuversichtlich, dass die Schulen das ganze Jahr offen bleiben. Echt! Als meist unverbesserliche Optimistin glaubte ich tatsächlich, die paar Monate Kerker im Frühling 2020 hätten gereicht, um zu zeigen, wie wichtig die Bildungsinstitutionen für uns als Gesellschaft sind. Doch weit gefehlt. Ich will gar nicht länger drüber nachdenken. Über das Gestern und das Morgen. Jetzt und hier möchte ich ein bisschen Glitzer über die Lernlücken der Kinder (und meine eigenen) streuen.

SIE HABEN TROTZDEM NICHT GELERNT …

Und zwar nicht über die, die schon länger öffentlich debattiert werden. Nicht über den Lehrstoff, der im einen oder anderen Fach nicht mehr in die Kinder hineingestopft werden konnte und als vermeintliche Bildungslücke der “verlorenen Generation” (die sie nicht ist) in die Geschichtsbücher eingeht. Wer weiß, ob das tatsächlich irgendwann rückblickend so gesehen wird.

Ich will Glitzer über die Dinge streuen, die sie heuer teilweise über sich ergehen lassen mussten und TROTZDEM nicht gelernt – im Sinn von angenommen – haben.

… OHNE FREUNDE AUSZUKOMMEN

Kinder voneinander fern zu halten – aus welchen Gründen auch immer!! – ist ein abscheulicher Gedanke und das war schon immer so. Ja, man kann sich auch mal was einfangen, wenn man mit anderen Menschen (engen) Kontakt hat. Auch das war schon immer so. Ich freu mich aber sehr, dass unsere Kinder das nicht als Normalität akzeptiert haben und hoffentlich nie akzeptieren werden. Ich werd auch weiterhin mein Möglichstes tun, um sie in ihrer sozialen Entwicklung zu unterstützen, direkten menschlichen Kontakt fördern (auch entgegen Verordnungen) und mich (wieder) auflehnen, wenn jemand findet, dass allein im Kinderzimmer und ohne Freunde genau so gut gelernt werden kann wie in einer Gruppe.

… DIGITALEN KONTAKT BESSER FINDEN

Trotz der vielen Videokonferenzen und Online Arbeit haben sich meine Kinder (… der Apfel fällt wohl nicht weit vom Stamm) nie komplett mit dem alleinigen digitalen Kontakt abfinden können. Ja, es gibt definitiv Vorteile und Chancen für diese Formate, die wir auch in Zukunft nützen dürfen und werden. Doch wo immer es möglich ist, werden die Kinder reale und synchrone Kommunikation bevorzugen, weil selbst das beste High-Speed-Internet nicht alles überträgt und immer noch langsamer ist als das menschliche Gehirn, wenn wir uns direkt gegenüber stehen. Mich beruhigt die Tatsache, dass ihnen dieser Wert so wichtig und bewusst geworden ist. Und sie dadurch wohl nie den digitalen Kontakt besser finden werden.

… GANZ ALLEIN ZURECHT ZU KOMMEN

Zugegeben: das war manchmal schon mühsam. Oft hab ich mir gewünscht und gehofft, die mögen mich doch bitte den ganzen Vormittag um nichts bitten, fragen oder anjammern, weil ich wieder ununterbrochene Arbeitszeit genießen wollte. Doch sie haben es – manche mehr, manche weniger – nicht geschafft. Und ich bin froh darüber. Weil es mir zeigt, dass Beziehung für’s Lernen wichtig ist. Nicht nur wichtig, sondern die Voraussetzung, dass überhaupt was da oben rein geht. Dass sie so viel geschafft haben mit so reduziertem menschlichen Kontakt ist für mich eine beachtliche Leistung und ich hoffe, dass sie auch verinnerlicht haben: niemand “muss” alles ganz allein schaffen. Wir sind soziale Wesen und dürfen um Hilfe und Unterstützung bitten. Und wir einander auch gerne helfen.

… KEINE LÜCKEN ZU AKZEPTIEREN

Ich weiß nicht, ob es eine Schülerin oder einen Schüler gibt, der in diesem Schuljahr alles immer vollständig und korrekt abgegeben hat. So wie die Anforderungen waren. Unsere Kids gehören definitiv nicht zu dieser Sorte und das find ich gut. Alles haben, alles schaffen und perfekt sein wollen wird uns ohnehin (auch in anderen Lebensbereichen) zu häufig schmackhaft gemacht. Da ist es super, wenn man schon in der Schule lernt, Abstriche machen zu können. Prioritäten zu setzen und zu erkennen: DAS schaffe ich nicht (mehr). Die Welt dreht sich trotzdem weiter. Diese Erkenntnis ist auch eine wichtige Erfahrung. Vielleicht mehr wert als alles immer perfekt abzugeben.

DIGITALE ZOMBIES, NEIN DANKE

So. Und bevor das zu sehr in Richtung: “in dieser Krise steckte so viel Gutes” abdriftet, möchte ich betonen, dass ich dieses Schuljahr so richtig Sch%&@e fand. Man muss nicht krampfhaft nach dem Positiven suchen. Manche Dinge waren einfach schlecht und wir hatten keine Möglichkeiten sie zu ändern. Ich sehe kein großartiges Potenzial in vielen Dingen, mit denen wir im letzten Jahr konfrontiert waren und hoffe, dass wir nicht zu digitalen Zombies mutieren, weil wir uns nach und nach doch immer noch mehr daran gewöhnen und abstumpfen

WORAN ICH GLAUBE

Ich glaube an unsere menschliche Natur. Dass uns nichts und niemand unsere soziale Ader ganz abtrainieren können wird. Ich glaub daran, dass wir widerstandsfähig sind und für unsere eigene Gesundheit sehr viel mehr tun können. Dass wir immer mehr erkennen, dass Vielfalt unser Leben und Überleben garantieren wird und nicht einfältige Herangehensweisen und Lösungen. Und ich hab die Hoffnung, dass unsere Sehnsucht nach “einander”, der Zugehörigkeit zu einer (oder mehreren) sozialen Gruppen so stark ist, dass wir mit dieser Kraft des Kollektivs auch größere Herausforderungen der Zukunft meistern können. Wenn wir sie erkennen und nutzen. Und weiterhin nicht lernen, was unsere Kinder in diesem Schuljahr nicht gelernt haben. Und hoffentlich NIE lernen werden.

UND NUN: MAN STREUE DEN GLITZER, BITTE!

Worüber streust du Glitzer nach diesem Schuljahr?
Fällt dir noch was ein, worüber du froh bist, dass du oder die Kinder es NICHT gelernt haben!