Home-Office-Schooling-HÄ?

26. März 2020

Erstmals in der jüngeren Geschichte gibt’s also flächendeckendes HOME-schooling.

Pikanterweise gleich gepaart mit Home-office am HOME-Küchentisch und tendenziellem HOME-Lagerkoller, also quasi unter erschwerten Bedingungen. 
Gott sei Dank wissen allerhand Experten gleich, WIE das funktioniert, haben Tipps und Tricks auf Lager und einen scheinbar unerschöpflichen Erfahrungsschatz.

Hmm. Ich kann und werde dir damit nicht dienen. Hier und heute erfährst du von mir lediglich, wie ich glaube, dass es NICHT geht – alles andere lerne ich selbst grad. Genau wie du, vermutlich.

Wir befinden uns in Woche 2 der neuen Corona – Zeitrechnung und langsam kommt so etwas wie Gewohnheit auf. Von heut auf morgen weht der Wind aus einer anderen Richtung, doch wer, wenn nicht wir Mütter bzw. Eltern, schultern Krisen wie diese mit links?!

Ich schnall mir also mein Superheldinnen-Cape um und düse durch meinen Alltag.

Neuerdings bin ich befugt, die Arbeit von 21 Lehrpersonen in 37 Gegenständen bei drei schulpflichtigen Kindern zu übernehmen, natürlich ein Kinderspiel. Ganz nebenbei schaukle ich noch das Fußballtraining, Instrumentalunterricht und Showdance-Klassen. 

Also fliege ich mir der Trillerpfeife pünktlich um 6 Uhr Früh durch die Kinderzimmer und reiße den Nachwuchs unsanft aus den Federn – damit sind sie wenigstens gleich ordentlich geweckt und der Kreislauf in Schwung, wenn schon der morgendliche Spaziergang zum Bus oder zur Schule entfällt. Nach dem knappen Frühstück treibe ich sie in Windeseile an den Arbeitsplatz und überschütte sie – nach den digital übermittelten Aufgaben – noch mit zusätzlichen Übungen in jedem einzelnen Fach, damit daheim ja keine Gemütlichkeit aufkommt. 

Ganz Superheldinnen-like gebe ich einen streng hierarchischen Plan vor, wann sie was zu tun haben, bloß nicht fragen, worauf sie grad Lust hätten – sonst finden sie sich ja später (irgendwann) in der Schule gar nicht mehr zu recht. Wichtig ist auch noch, reichlich Druck und Angst entstehen zu lassen, damit auch endlich mal was weiter geht – wochenlang nix tun geht ja gar nicht, da verblöden sie ja total! Jegliche Ablenkung wird nicht geduldet, ebensowenig ausgiebige Pausen … wo kommen wir denn da hin?!

Also tu ich ihnen letztlich einen Gefallen als superstrenger Lehrerinnenschreck….

Bevor du dich fragst, ob ich nun komplett den Verstand verloren hab: SO ist es natürlich glücklicherweise hier nicht gelaufen. Und jeder, der nicht so ähnlich vorgegangen ist, hat vermutlich schon irgendwas richtig gemacht bei diesem Heimbeschulungsdingsbums.

WAS jedoch das Richtige ist, WIE man das ganz genau hinbekommt und WER wofür Verantwortung trägt, kann ich hier und heute allerdings nicht beschreiben. Ich weiß noch nicht, welche Erkenntnisse wir in dieser Zeit gewinnen, ich kann nicht sagen, ob sie ausreichend lernen und entsprechend “üben”, ich kann nicht beurteilen, ob ihnen diese Wochen oder Monate in ihrer Schullaufbahn mal “fehlen” werden. Dafür ist es noch zu früh. Es gibt aber Experten, die sagen, dass 2-3 Monate verpasster Unterricht für den schulischen Wissenskanon letztlich irrelevant sind! (Ja, denkt mal über diese Aussage nach.)

Ich kann derzeit nur sagen, worauf ICH bei UNS im Home-Office-Schooling achte.

Ich lege Wert darauf, dass sich die Kids wieder selber spüren lernen. Darauf, dass sie womöglich (und hoffentlich!!) selbst noch einen Antrieb spüren, diesem einen Wissensgebiet, dieser Aufgabe jetzt nachzugehen. Dass sie spüren, worauf sie Lust haben und diese Energie dann sinnvoll nützen. Und auch spüren, wenn mal einfach nix weitergeht (auch wenn es halb neun Uhr morgens ist) und dann einer anderen Beschäftigung nachgehen, weil sie eventuell am Nachmittag eine gute Konzentrationsphase erleben.

Ich lege Wert darauf, dass sie sich selbständig organisieren lernen, ihre Aufgaben überblicken und eventuell zeitlich einschätzen können und dann eigenverantwortlich einteilen. Dazu gehört auch, sich mal zu täuschen und die To-do Liste nicht erledigen zu können oder viel zu früh fertig zu sein. Dazu gehört, sich selbst zu strukturieren und vorausplanen zu können.

Ich lege Wert darauf, dass ich sie emotional begleite – was momentan viel wichtiger ist, als die fachliche Unterstützung in diversen Fächern. (Und ääähhhm, in der berufsbildenden höheren Schule wird’s da auch in diversen Gegenständen recht knapp mit meinem Know-How.) Es gibt so viel abzufedern und zu reflektieren, weil die Kinder weniger bewegt, ob sie den Lehrstoff auch bewältigen, sondern mehr, dass ihnen ihre Freunde fehlen. Als Kolleginnnen oder Spielgefährten. 

Ich lege Wert darauf, dass wir es als Familie in dieser Zeit gut haben miteinander anstatt den Leistungsdruck erst recht wieder absichtlich und unnötiger Weise nach oben zu drücken. Wir treffen uns nicht nur zum gemeinsamen Frühstück, sondern auch mal zu einer kleinen Jause am Vormittag, essen zusammen Mittag und auch am Nachmittag lässt es der nun leere Kalender zu, sich bei Lust und Laune rund um den Tisch zu versammeln und diesen Raum als Begegnungszone zu nützen und uns andererseits Rückzugsräume zugestehen.

Was ich also schon weiß ist: wir lernen nun Dinge, die sie in der Schule oder im früheren Alltag nicht oder nur begrenzt lernen konnten. Wir können und dürfen es uns gut machen beim gemeinsamen Arbeiten und Lernen. (Und… ein Schreibtisch mehr: wäre gut. Ein PC mehr: auch.)

Und dann gibt es noch viel mehr was ich oder wir NICHT wissen. Und weißt du was?


Es ist auch gar nicht notwendig.

Wir sind zum ersten Mal in dieser Situation.
Wir sind am Weg und lernen dazu, wir wachsen an unseren Aufgaben und entwickeln uns weiter.
Und DAS ist das, was zählt. 
Das Beste zu geben, sich selbst und den Anderen Fehler zuzugestehen und nach einem Hoppala oder Hindernis weiter zu machen und wieder auf zu stehen. 

Winston Churchill sagte: “Das ist die Kunst: einmal mehr aufzustehen, als man hinfällt!”

Und der Satz beinhaltet nicht, dass man dabei perfekte Haltungsnoten braucht!

Also, lass dir gesagt sein:
DU bist gut.
DU bist genug.
DU schaffst das.
DU wächst und lernst täglich dazu.
DU bist einzigartig & wunderbar. 

Kommentar schreibenKommentare: 5

  • #1Doris (Donnerstag, 26 März 2020 11:44)Liebe Kerstin!
    Danke, du sprichst mir aus der Seele. Ich muss sagen, dass uns dieser entschläunigte, stressfreie Zustand als Familie sehr gut tut. Die Mädels meinten sogar, dass wir noch nie so viel gemeinsame Zeit miteinander verbracht haben und es wird viel weniger gestritten. (Das berufliche müssen wir ausblenden�)
    Wir wünschen euch Alles Gute – gsund bleiben!
    Lg Doris&Martin, Leah Hannah u. Greta
  • #2Margot (Donnerstag, 26 März 2020 14:25)Danke!
  • #3Birgit Obermayr (Donnerstag, 26 März 2020 21:51)Dein Schreibstil und deine Analysen sin einfach genial! Lg
  • #4Elke Gruber Franthall (Donnerstag, 26 März 2020 23:34)Liebe Kerstin, soooo schön geschrieben und sooo wahr, wir halten es genauso und es ist wirklich genial, wieviel Zeit wir gemeinsam haben, meine 3 Mädls und ich!! Wir unterstützen uns gegenseitig und machen ganz viel gemeinsam!!! Glg Elke
  • #5Kerstin Bamminger (Freitag, 27 März 2020 09:13)Ihr Lieben! Danke für euer Feedback … es freut mich, wenn ich mich mit meinen Worten erreiche!

    Doris: ihr macht das sicher wunderbar daheim, auch wenn ihr dennoch zu den Systemerhalten gehört und auch im Erwerb tolle Arbeit leistet!

    Margot: Bitte, gerne 😉

    Birgit: Vielen Dank für die Blumen! Ich werd schon ein bisschen rot …. 😉

    Elke: Danke dir und ich bin mir auch sicher, dass eure Mädels gut begleitet sind daheim – alles Liebe für euch!
Kerstin Bamminger

Hallo, ich bin Kerstin Bamminger und ich unterstütze Menschen dabei, lebendige Beziehungen zu gestalten. Tiefgründig, bedeutungsvoll und auf Augenhöhe. Hol dir hier am Blog gern Tipps und Tricks, wie das gelingen kann und lass mir gern einen Kommentar da, wenn dir etwas gefallen hat! Viel Freude beim Lesen!

26. März 2020

Das könnte dich auch interessieren…

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert