3 Arbeitspakete und wie sie auszuhandeln sind

3 Arbeitspakete und wie sie auszuhandeln sind

Das Zusammenleben in Familien ist oft herzerwärmend, stärkend und unfassbar lehrreich weil man so viel miteinander erlebt, sich aneinander entwickelt und voneinander profitiert.
Familie ist daneben auch ganz viel Arbeit. 
Wer übernimmt den Einkauf, wer schaut auf die Kinder, wer geht wann einer Erwerbsarbeit nach, wer wäscht, kocht, putzt, bügelt, wer kauft das Geschenk für den nächsten Geburtstag, wer organisiert den Babysitterdienst?

All diese Dinge lassen sich meiner Meinung in drei Pakete einteilen, die gut ausgehandelt werden sollen. Ein neuer Blick auf Arbeit ist dazu notwendig.
In Beratungen mit Paaren ist das immer ein heißes Thema. Die Aufteilung von Arbeit innerhalb einer Familie. Der größte Stolperstein dabei ist, wie ich finde, eine alte Sicht- und Denkweise, was als “Arbeit” gesehen wird – und was nicht.

Lange, lange Zeit gab es ganz einfach festgeschriebene Rollen – ein Partner geht arbeiten, der andere kümmert sich um Kind und Haushalt (= die Hausfrau, wie der schöne Name ja sagt). Dieses Modell (Patriarchat) war ja sogar bis 1976 in Österreich geseztlich verankert, und bis zum Jahr 2000 konnten Frauen nicht arbeiten gehen, wenn der Mann damit nicht einverstanden war, weil sie es einmal anders vereinbart hatten.

Bei diesen Jahreszahlen stellt es mir immer wieder die Nackenhaare auf – und gleichzeitig bekomme ich ein klein wenig Verständnis dafür, warum wir immer noch so viel Klärungsbedarf in diesem Feld haben: es ist noch nicht sooo lange her, dass die Uhren ganz anders tickten.

Wir brauchen ein neues Bild von aufzuteilender Arbeit in Familien. Es sind nicht nur zwei Bereiche, sondern drei. Und es ist höchst an der Zeit, dieses Wissen und diese Haltung endlich bei uns allen sickern zu lassen.

PAKET #1: Erwerbsarbeit

Wenn man nicht gerade millionenschwer geerbt hat, ist es üblicherweise erforderlich, dass jemand in der Familie einer Erwerbstätigkeit nachgeht – also den Lebensunterhalt verdient. Wir leben Gott sei Dank in einer Zeit, in der relativ frei entschieden werden kann, WER diese Aufgabe übernimmt und WIE man sich die Erwerbsarbeit aufteilt. Das gesetzlich festgeschriebene Recht auf Elternteilzeit gilt für Mütter und Väter (!!) und auch Karenzzeiten können geschlechtsunabhängig und recht flexibel in Anspruch genommen werden, was schon mal sehr fortschrittlich ist.

Wäre da nicht der Gender-Pay-Gap, also die tendenziell schlechtere Bezahlung von Frauen (besonders in typischen Frauenberufen), die eine echte Wahlfreiheit einschränken. Das ist eine Milchmädchenrechnung. Während bei Beamtinnen und Beamten lediglich knapp 4% Einkommensdifferenz besteht, verdienen Arbeiter fast 56% mehr als Arbeiterinnen. Da ist es dann relativ logisch, dass der Mann den Erwerb erledigt, wenn die Frau in der selben Zeit nur die Hälfte seines Bruttojahreseinkommens kassiert. Wer’s nicht glaubt, kann gern bei der Statistik Austria vorbeiklicken.

Zu Erwerbsarbeit in Familien sei auch noch gesagt: derjenige Partner, der diesen gesellschaftlich geschätztenTeil übernimmt, kann das NUR tun, wenn der andere die Care-Aufgaben schultert, der weder ausreichend bezahlt noch anerkannt wird. Was immer also in Familien erwirtschaftet wird, gehört beiden Elternteilen gleichermaßen. Das ist hoffentlich langsam selbstverständlich.

PAKET #2: Care-Arbeit

Unter Care-Arbeit wird jener Bereich verstanden, der mit dem Versorgen und Sich-Kümmern von Familienmitgliedern zu tun hat. Das umfasst zunächst natürlich die eigenen Kinder, später aber vielleicht auch irgendwann die Pflege von älteren Angehörigen, die auch auf die Erwerbsarbeit Auswirkungen hat.

Die Betreuung von Kindern, die ganze körperliche, emotionale und geistige Zuwendung, das Beaufsichtigen, sich beschäftigen ist hiermit gemeint. Der Taxidienst zum Ballet, die Vereinbarung des Kieferorthopädentermins, das Erinnern an die Klavierstunde, die Begleitung beim Üben für das Flötenkonzert, die Fahrten zum Tennistraining, zu Fußballturnieren, Übernachtungsparties (mit vorherigem Geschenkbesorgen), Freunde-Verabredungen, dem Nachkaufen zu kurz gewordener Hosen und T-shirts, gemeinsamen Aufräumnachmittagen in den Untiefen der Spielzimmer, dem Seelentrösten nach der verhauenen Mathe-Schularbeit und eskaliertem Freunde-Streit, dem Pflegeurlaub wegen krankem Kind bis zum Helfen oder Begleiten bei Schulveranstaltungen und CO …. you name it.

Diese Arbeit hat tausend Gesichter. Sie ist täglich variierend und manchmal einschläfernd eintönig. Sie ist nervenaufreibend und kräfteraubend, weil es stets um DAS geht, was vielen wohl das “wichtigste auf der Welt ist” – um die Kinder (oder später die Pflegebedürftigen). Die meisten von uns wollen das hier wirklich gut machen und strengen sich an. Was zwar belohnt wird – hoffentlich – mit guten Beziehungen, emotionalen Erlebnissen und dem Gefühl ihnen eine “sichere Basis” bieten zu können. Gesellschaftlich und wirtschaftlich, besonders im Hinblick auf unser Pensionskonto ist die Care-Arbeit aber so gut wie nichts wert. 

Dabei basiert das ganze Wirtschaftssystem auf der Tatsache, dass diese Arbeit unentgeltlich (von Frauen) gemacht wird. Think about it.

Wer diese Arbeit in Familien übernimmt, ist verhandelbar. Ich hab ja selbst – und mache es immer noch – den Großteil der Carearbeit gerne übernommen, weil es mir wichtig ist und war, für die Kinder da sein zu können und ich neben dem monetären Wert vor allem den menschlichen geschätzt hab.

Das ändert aber nichts an der Ungerechtigkeit, wenn diese Arbeit im Außen und wirtschaftlich derartig unterbewertet wird. Besonders, wenn wir über Paket #3 zu reden beginnen.

PAKET #3: Haushaltsmanagement

“Moment, das gehört doch zur Hausfrau dazu, wenn die eh nicht arbeiten geht, ist doch klar, dass sie den Haushalt machen muss!”

NEIN. EBEN NICHT. Das ist genau der Punkt, den wir erkennen dürfen: Care Arbeit ist ein Full-Time-Job, und was Energie und Aufwand betrifft jedenfalls einer Erwerbsarbeit (mindestens) gleichgesetzt. Und dann ist da noch der Haushalt.

Wer sammelt die Wäsche, sortiert sie farblich, startet die Waschmaschine, hängt die Wäsche auf, legt sie zusammen, bügelt (wenn unbedingt nötig), wer schreibt auf was eingekauft werden soll, wer geht ins Geschäft, wer räumt zuhause alles in den Kühlschrank, wer räumt auf, plant und kocht das Essen, wäscht ab, wer saugt den Boden, wer putzt das Klo, wer macht die Betten, lüftet am Morgen und so weiter und so fort? 
Während junge Paare ohne Kinder, die beide vollzeit erwerbstätig sind, zunehmend ebenbürtig und selbstverständlich diese Aufgaben aufteilen, fällt das oft ungeliebte Ressort bei Familien manchmal automatisch den Partnern zu, die sich um die Kinder kümmern. 

Dabei ist es ein eigenes, zusätzliches Paket, das auszuhandeln ist. Zunächst unter den beiden Partnern, später innerhalb der ganzen Familie (je nach Altern und Kompetenz).
Die Fülle an Aufgaben, die ein – sogar halbwegs intakter – Haushalt erfordert ist immens. Wer mehr dazu lesen will, kann mal unter dem Hashtag #mentalload nachschauen. 

Es braucht ehrliches Sichtbarmachen dieser Arbeit.
Es braucht öffentliche Wertschätzung dieser Tätigkeiten.
Es braucht ebenbürtige Aufteilung unter gleichberechtigten Partnern.

Arbeit ist unfassbar vielseitig und unterschiedlich beachtet. Jede und jeder von uns kann bestimmte Dinge besser als andere, macht bestimmte Tätigkeiten lieber als andere. Talente, Vorlieben und Wünsche können und sollen berücksichtigt werden in dieser Verteilungsdebatte. Vor allem jedoch erfordert es ganz viel Empathie und dann Organisationstalent, wenn man ebenbürtig, partnerschaftlich und gleichwürdig an diese Sache herangehen möchte.

Wir alle wollen was tun, wir wollen nützlich sein und wollen auch unseren Teil zum Gelingen des großen Ganzen beitragen. Arbeit ist etwas WICHTIGES und GUTES, sie gibt uns Sinn und erfüllt uns auch mit Dankbarkeit. Es kommt halt darauf an:



Auf das WIE.
Auf das WER.
Auf das WANN.
Auf das WO.
Auf das WIEVIEL.
Und wenn diese Dinge gut besprochen sind, ist das WARUM meist viel leichter zu ertragen.

Wir feilen grad (gefühlt) am meisten an Paket #3, wie es schon im Beitrag zu “Wir sind kein Hotel, sondern eine WG” zu lesen gab.

Wo hängst du am meisten? Und was habt ihr schon passabel ausgehandelt? Let me know 😉