Bitte, geht’s euch wieder fürchten!

2. Juli 2020

Also, so war das nicht geplant. Heute ist hier letzter Schultag. Ho-ruck werden ab morgen wieder alle Betreuungs- und Bildungseinrichtungen in einigen Bezirken in OÖ geschlossen. Da war doch dieses Dings, ach ja: CORONA!
Der Wink mit dem Zaunpfahl lautet wohl: geht’s euch alle brav wieder fürchten, die Pandemie ist nicht vorbei! 
Wovor ich mich wirklich fürchte und was mir durch den Kopf geht, wenn ich an Familien und Kinder denke angesichts der Maßnahmen dieser Tage, kannst du heute hier lesen.

Geplant hatte ich ja mal, dass ich zum Schulschluss (das wäre dann nächste Woche gewesen) einen Rückblick über die Grundschulzeit schreibe, dazugehörige Erlebnisse und Ideen zur Verbesserung. (Wird’s auch geben, nur – wir haben dann schon eine Woche Ferien).
Dass man im Leben nicht immer alles planen kann, ist mir schon länger bewusst. Ich lass mich auch gern mal überraschen und kann mit Veränderungen grundsätzlich sehr gut umgehen, wie ich meine. Doch hier geht’s für mich nicht um eine unvermeidbare, schicksalhafte Entscheidung, sondern um etwas Anderes.

ZU SEHR ALTE NORMALITÄT?

Ich hatte schon geglaubt, mich an eine “neue Normalität” zu gewöhnen. Ganz ehrlich war es sogar sehr nah dran an meiner “alten Normalität”, weil ich nicht jemand bin, die jedes Wochenende um den Globus jettet, dauernd Großveranstaltungen besucht oder am laufenden Band in brechend vollen Diskotheken die Nacht zum Tag macht.
Die Kinder durften einige der geliebten Freizeit Aktivitäten wieder aufnehmen, ich konnte langsam meine persönlichen Klientenkontakte durchführen und erneut face-to-face Kurse planen, ein löchriger, aber dennoch zumindest minimal vorhandener Schulalltag war gegeben, es hat sich ganz gut angefühlt, eigentlich.

So nach Zuversicht.
Nach “wir schaffen das”.

ZUVERSICHT STREUEN? DENKSTE!

Doch denkste: so leicht sollen wir bloß nicht glauben, dass es ist. Wir sind gefährlich füreinander, außerdem rücksichtslos und wir fürchten uns definitiv zu wenig, weil wir so tun, als wäre alles wieder beim Alten. Die Menschen wurden lebensfroher, haben auch kritisch betrachtet, was da so passiert ist vor einigen Wochen. Viele waren gar nicht mehr so sehr einverstanden mit der Proportionalität der Einschränkungen gegenüber der tatsächlichen Gefahr, die sich darstellte.

Da kommt so eine Maßnahme (Schulschließungen) natürlich genau richtig, um uns zu erinnern: wir sind in einer Pandemie, das Leben ist tödlich! Habt Angst! Das ist gefährlich! (Außerdem haben wir noch keine verpflichtende App und auch keine Impfung.)
Einmal ganz abgesehen davon, dass die Entscheidungsträger anscheinend noch immer völlig hilflos agieren (und genau gleich wie vor dreieinhalb Monaten) und auch wie es aussieht nichts dazugelernt haben, frag ich mich ernsthaft, ob jemand bedenkt, was man damit auslöst. 
Und bitte: diesmal zählt das Argument einfach NICHT, man hätte nicht Zeit gehabt, darüber nachzudenken. 

WAS IST DAS ZIEL?

Angst und Schrecken zu verbreiten ist – und auch diese Diskussion hatten wir doch schon – kein probates Mittel um Menschen zu schützen, die sich gegen ein hochansteckendes und möglicherweise auch gefährliches Virus schützen oder wehren sollen.
Wenn ich auch sonst nicht viel von Virologie verstehe und von Infektionsketten und solchen Dingen, dann zumindest das: unser Körper wird, wenn er mit Angst konfrontiert wird (und noch mehr mit unseren Urängsten) nicht stark sondern SCHWACH!
Wir brauchen Mut und Zuversicht, damit wir gut durch Krisen kommen. Doch ich spüre vor allem Unwissenheit, Täuschung und Manipulation. 

MIT DER GEFAHR LEBEN

Wir werden lernen dürfen mit Corona zu leben und brauchen endlich eine bodenständige Einschätzung der Gefahr. Denn auch mit einer App wird das Virus weiterexistieren, sich verändern und vielleicht noch mehr Probleme machen. Und auch mit einer Impfung gibt es (Achtung, breaking news:) KEINE 100%ige Sicherheit. Also, wenn unser Ziel ist, Corona auszurotten, dann können wir uns glaub ich tatsächlich von einem planbaren Alltag verabschieden.

Ja, das Leben ist potenziell gefährlich. Nicht wegen Corona. Auch wegen dem Straßenverkehr, Unfällen im Haushalt, gewalttätigen Übergriffen, psychischen Traumatisierungen, anderen Krankheiten.

WAS ECHT ZUM FÜRCHTEN IST

Was mir viel mehr Sorgen bereitet, ist der Umgang mit den zukünftigen Generationen. Mir nix, dir nix werden sie aufs Abstellgleis geschoben. Soll sich sonst wer darum kümmern. WIE das passiert ist ja mehr als fraglich. Anstiege bei den registrierten Missbrauchsfällen sind ja längst kein Geheimnis. Doch auch wenn keine körperlichen Übergriffe passieren: SO VIELE Kinder sind und waren schon während dem ersten Lockdown sich selbst überlassen. Waren alleine, während Eltern arbeiten gehen mussten und sich nicht getraut haben, die Kinder in den Notbetrieb zu schicken, da red ich noch nicht davon die “Schande” einzugestehen, dass man es “nicht schafft” daheim. Eine ganze Generation verkümmert hier und wird einfach zu wenig beachtet. Die Folgen dieser Erlebnisse wird man erst in vielen Monaten oder Jahren einschätzen können.

WEGEN DEN PAAR WOCHEN

Wer jetzt meint, das kann ja nicht so schlimm sein, die Kids mal ein paar Wochen nicht so gut zu betreuen, dem sei gesagt: selbst hier (in einem diesbezüglich sehr privilegierten Haushalt, weil immer ein Elternteil greifbar war) waren Auswirkungen deutlich spürbar und was wir als Familie abfedern durften an Enttäuschung, Frust, Angst, Verwirrung, Antriebslosigkeit, Trauer, Wut und Sorgen war hart an der Grenze. Ich mag mir nicht vorstellen, wie es Kindern und Jugendlichen (JA, auch 16-jährige brauchen noch elterliche Zuwendung, besonders in Krisenzeiten!!) ergangen sein mag, die in dieser Zeit völlig auf sich gestellt waren. 

ICH HAB DAZU GELERNT

Was mich betrifft, so hab ich dazu gelernt. Ich werde nicht mehr darauf warten, dass politische Entscheidungsträger uns erlauben, soziale Kontakte zu pflegen, wenn ich merke, dass das nötig ist. (Und dann behaupten, private Treffen waren eh immer erlaubt.) Bei allem Respekt für meine Mitmenschen und sorgfältigem Umgang werde ich mich um uns kümmern.
Ich werde kritisch hinterfragen, und öffentlich darüber reden, was man wohl mit gewissen Maßnahmen erzielen mag und nicht in Schockstarre verfallen, sondern in der Liebe bleiben – so wie es von Anfang an geplant war.
In der Liebe zu meinen Kindern, meiner Familie, meinem sozialen Umfeld und zu mir selbst.
Ich werde auffangen, trösten und mitleiden, weil kein Abschied möglich war, Veranstaltungen wieder abgesagt werden, das Schulende nicht gefeiert werden konnte, das Fußballspiel wieder nix wird und meine Kurse wieder auf wackeligen Beinen stehen. 

Vor allem aber werde ich das Konzept der Angst nicht mittragen. Auch wenn ich mich gegen öffentliche Entscheidungen nicht wehren kann. Der Angst gebe ich IN mir keine Chance. Für mein Leben will ich Zuversicht, Hoffnung und ein Konzept, das auf etwas Postitivem basiert. 
Zum Beispiel Liebe
Und Vertrauen ins Leben.
Darauf, dass es gut wird und Sinn macht. Irgendwann, zumindest.

(So, danke für’s Zuhören. Das wollte ich mir heut von der Seele schreiben.)

Kommentar schreibenKommentare: 7

  • #1Kerstin L. (Donnerstag, 02 Juli 2020 12:56)Danke, du triffst es wieder mal super! Alles Liebe!
  • #2Grabner Susanne (Donnerstag, 02 Juli 2020 14:22)Hammer Beitrag, ich bin zu 100 Prozent deiner Meinung.
    Super geschrieben
  • #3Lena (Donnerstag, 02 Juli 2020 14:39)No more words needed.
  • #4Sabine (Donnerstag, 02 Juli 2020 14:49)Danke für deine Worte Kerstin. Ich bin auch absolut deiner Meinung!
    Und ich bin soooo sauer, dass den Kindern nun obwohl sie in der Schule eh schon in 2 Gruppen zerlegt wurden, und sehr genau auf Abstand und Hygiene achten, und somit dort wesentlich mehr auf Schutzmaßnahmen geachtet wird als anderswo … Dass ihnen nun trotzdem diese eine letzte Woche mit der Möglichkeit auf angemessenen Abschied (vor allem der Abschlussklassen) genommen wurde. Meine Jungs sind sehr enttäuscht, und ich auch!
  • #5Petra (Donnerstag, 02 Juli 2020)Perfekt ge-/beschrieben! Danke dafür!!!!
  • #6Sigrid (Donnerstag, 02 Juli 2020 19:50)Du sprichst mir aus der Seele, wir bleiben in der Liebe und nicht in der Angst. Ich bin von Beginn an nicht auf den Zug der Angst aufgesprungen und werde das auch in Zukunft nicht tun.
  • #7Tina (Donnerstag, 02 Juli 2020 22:16)Danke für deine tolle wahre Worte.
    Die Leidtragende sind die Kinder. Von heute auf morgen wird abrupt eine Schließung ausgesprochen und wie es den Kindern dabei geht egal, Hauptsache es wird gemacht. #kopfschüttelnfür dieganzeaktionenwasimjahr2020geschehenist#
Kerstin Bamminger

Hallo, ich bin Kerstin Bamminger und ich unterstütze Menschen dabei, lebendige Beziehungen zu gestalten. Tiefgründig, bedeutungsvoll und auf Augenhöhe. Hol dir hier am Blog gern Tipps und Tricks, wie das gelingen kann und lass mir gern einen Kommentar da, wenn dir etwas gefallen hat! Viel Freude beim Lesen!

2. Juli 2020

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