von Kerstin Bamminger | Okt. 8, 2021 | Allgemein, Elternbeziehung, Hilfreich, Leben, Selbstfürsorge
Kaum jemals in der Geschichte stand unsere körperliche Gesundheit so im Fokus wie in den letzten eineinhalb Jahren. Oder soll ich sagen: das nicht-vorhanden-sein-eines-einzlenen-Virus mit mittlerweile nervigem Namen. Als Mensch, der im psychosozialen Bereich tätig ist, wird mir immer deutlicher bewusst (und nicht nur mir): diese Gesundheitskrise hat viele Gesichter. Und sie trifft die Jüngeren härter als Erwachsene. Mit Angststörungen, zwanghaftem Verhalten, psychischen Diagnosen.
TRIAGE AM LAUFENDEN BAND
Vor dem März 2020 wusste wohl nur medizinisches Personal, was “Triage” bedeutet. Dass man medizinische Hilfeleistungen bei Ressourcenknappheit priorisieren muss. Heißt soviel, wie: nicht alle bekommen Hilfe, die sie brauchen. Glücklicherweise haben sich nicht alle Horrorszenarien eins zu eins erfüllt. Doch nur weil auf Intensivstationen nicht wie prophezeit trainiert wurde, heißt das nicht, dass wir davon verschont sind. Kinder- und Jugendpsychiatrien sind nämlich längst übervoll und triagieren am laufenden Band. Und nur weil die Kinder nicht wie die Fliegen umfallen, nimmt die Politik das recht geduldig hin.
DA KANNST DU LANG WARTEN
Ich finde es einen Verrat an den nächsten Generationen, wie wir gerade mit ihnen umgehen und bedauere zutiefst, was ich in meiner Arbeit zu sehen bekomm. Ich bin auch überzeugt, dass wir diese Rechnung noch teuer zahlen werden dürfen. Viele Kinder und Jugendliche haben in den letzten Monaten traumatisierende Erfahrungen gemacht. Auf öffentliche Hilfe kann man hierzulande leider sehr lang warten. Also ist es wieder mal an uns Eltern, auch die seelische Gesundheit unserer Kinder mit zu bedenken und sie zu fördern.
WAS ELTERN TUN KÖNNEN
Die gute Nachricht ist: wir tun dabei nicht nur was für unsere Kinder, sondern auch für uns selbst. Weil hier gilt, was für fast alles in der Erziehung gilt: sie machen’s uns sowieso nach. (Die Frage, warum die Mehrheit der Kinder hier sehr, sehr “spezielle” Essenvorlieben hat, klären wir ein anderes Mal.)
Anyways: wenn du die seelische Gesundheit deines Kindes stärken möchtest, dann mach das am besten, in dem du es VORlebst und -zeigst, wie es geht. Hier und heute beschreib ich ein paar Wege, die du dabei beschreiten kannst.
Erster Weg: Zeit für Pausen
Wer mich und unseren Familienkalender (aus Erzählungen) kennt, der weiß: wir sind sehr oft ziemlich verplant, die Kinder zur gleichen Zeit in alle Himmelsrichtungen verteilt und es gibt immer was zu tun. Dennoch achte ich sehr darauf, dass ich mir und die Kinder sich Pausen nehmen und benenne diese auch. Eine Pause kann sein:
+ 10 min auf dem Sofa mit und auch mal ohne Bildschirmgerät
+ 20 min Bewegung draußen oder dösen in der Hängematte
+ 30 min quatschen und von der Seele reden oder sich zurückziehen und allein sein
Zweiter Weg: Frieden mit dir selbst schließen
Wir alle und auch ich haben unsere Makel und Schwächen. Ich kann mich allerdings entscheiden, ob ich mich deswegen permanent miserabel fühle, oder Frieden mit mir schließe und sag: ja. So bin ich auch. Wenn wir auch unsere Schattenseiten besser akzeptieren und integrieren können, schauen wir nicht nur freundlicher auf uns selbst – dieser Blick gelingt uns vermutlich auch bei anderen besser.
Dritter Weg: Gefühle anerkennen
Das ist so ähnlich wie mit unseren kleinen Unvollkommenheiten. Gefühle sind nun mal, wie sie sind. Meist suchen wir sie uns nicht bewusst aus. Sie zeigen einfach an, wie es gerade um unsere menschlichen Bedürfnisse bestellt ist. Wenn wir also grauenhafter Laune sind, brauchen wir das noch nicht gut zu finden. Aber anerkennen, dass das sein darf, weil wir zu müde, hungrig, überlastet, gekränkt, energielos, beleidigt, allein, frustriert der sonst was sind: das dürfen wir schon. Und es bedeutet nicht, dass wir auch augenblicklich eine Lösung für das “Problem” haben. Anerkennen ist ein wichtiger und großartiger erster Schritt. Wir sagen uns damit: “Ich bin richtig, so wie ich mich fühle.”
Vierter Weg: offene Haltung
Gerade jetzt, wo Gesellschaftsgruppen gespalten und (bewusst) gegeneinander ausgespielt werden, ist es wichtig, aus dieser Dynamik bewusst auszusteigen. Eine offene, respektvolle Haltung gegenüber anders denkenden, fühlenden oder handelnden Menschen garantiert uns, dass wir unser Leben als soziale Wesen wieder besser hinbekommen werden. Ich darf denken, wie ich möchte. Du darfst denken, wie du möchtest. Wir können uns auch einigen, uneinig zu sein. Das geht. Es ist nicht so kuschelig, wie harmonische Einigkeit. Doch die Vielfalt wird uns retten und ein achtsamer Umgang miteinander. Davon bin ich überzeugt.
Fünfter Weg: innere Klarheit
Ha! Leichter gesagt, als gelebt! Innere Klarheit gibt es nicht auf Knopfdruck. Sie ist eine Entwicklung, ein Lernprozess und ein Weg zu dir selbst. Darum auch so gut für seelische Gesundheit! Es bedeutet, heraus zu finden, was dich selbst ausmacht, wonach DU handeln möchest, welche Werte ganz und gar DEIN sind. Weg von der Fremdbestimmung hin zu Autonomie. Und für mich ganz persönlich bedeutet es auch, nicht “alles” haben zu wollen oder müssen, sondern mich bewusst entscheiden zu können – in größt möglicher Freiheit – und auf manche Dinge daher zu verzichten.
Sechster Weg: hol dir Hilfe
Bei all diesen bisher genannten Dingen, die helfen, die seelische Gesundheit zu stärken, ist eins wichtig: du brauchst das nicht allein zu schaffen. Weder bei dir selbst, noch bei deinem Kind. Wenn du also merkst, dass du entweder allein nicht (oder zu langsam) weiter kommst, wenn du die Last deiner Sorgen teilen möchtest und dabei verlässliche und gute Begleiter brauchst, dann such dir professionelle Hilfe. Ja, es gibt zu wenig Versorgung auf Krankenschein. Und dennoch: es gibt viele gute Therapeuten, Coaches, Mentoren oder Ähnliches, die dir auf deinem Weg helfen können. Klar kannst du es auch allein schaffen. Zusammen geht’s halt schneller und leichter. Give it a try!
Siebter Weg: hilf Anderen
Wie jetzt? Das passt doch NULL zu Weg Nummer 6?! Oh doch, und wie! In einer Zeit, wo der Ruf nach Selbstfürsorge und Selbstliebe scheinbar alles übertönt, kann das nicht genug betont werden. Wir bleiben nicht lang glücklich, wenn wir uns selbst lieben und anerkennen. Es ist wichtig. Vor allem, weil wir uns selbst zum Wohle für Andere einsetzen möchten! Und nicht nur, weil es dem Gegenüber hilft, sondern weil wir besonders SELBST davon profitieren! Ältere Kinder, die jüngeren etwas lernen, lernen selbst noch viel mehr dazu. Die letzte Stufe im Programm der Anonymen Alkoholiker lautet “Hilf einem anderen Alkoholiker.” Weil wir am DU noch mehr wachsen und uns stabilisieren. Weil es unsere tiefe Sehnsucht nach einem menschlichen Miteinander beflügelt. Weil es gut tut, Gutes zu tun in einer sonst so kalkulierten Welt.
INTERNATIONALER TAG DER SEELISCHEN GESUNDHEIT
Am 10. Oktober ist internationaler Tag der seelischen Gesundheit. Wir dürfen uns nicht nur darin üben, uns um unsere eigene psychische Verfassung zu kümmern sondern brauchen darüber hinaus auch ein höheres gesellschaftliches Bewusstsein für diese Krankheiten, die halt so gar nicht krank “aussehen”. Weil sie nicht bluten, keine abnormalen medizinischen Werte produzieren oder herausstehende Knochen beinhalten. Wichtig ist: wenn jemand schon psychisch krank ist (oder das vermutet), braucht es auch gute fachliche Begleitung. Menschen brauchen oft Unterstützung von Angehörigen, weil sie es alleine nicht schaffen würden, sich Hilfe zu organisieren.
A MENSCH MÖCHT I BLEIM
Vor allem aber braucht es unser aller Verständnis und Einfühlungsvermögen. Dass das so ist. Dass es diese Krankheitsbilder gibt und dass sie durch die Belastungen und der Angstmaschinerie der letzten 18 Monate befeuert wurden. Seien wir feinfühlig miteinander und unterstützend, wenn der Karren schon etwas verfahren ist. Und wenn’s grade noch so geht: achte und pflege deine Seele, dieses verletzliche und zarte Etwas. Weil wir genau das in einer hochtechnischen, digitalisierten und kalkulierten Zukunft brauchen: unsere Seele. Wenn wir keine Maschinen werden wollen. So wie Wolfgang Ambros so schön singt:
“A Mensch mecht i bleibn, und net zur Nummer mecht i werdn
Und Menschn macht i sehng, wei i bin sehr dagegn
Dass ma unsare Haisa nua mehr füa Roboter baun
Und deppat nur ind′n Fernsea schaun!
A Mensch macht i bleibn, a klaans Geheimnis mecht i hom
Kugerl mecht i scheibn und schena Stana mecht i grobn
I mecht singn und lachn und üwahaupt tuan wos i wui
Owa i glaub do verlaung i scho z’fui!”
Wie siehst du das?
WIE stärkst du deine seelische Gesundheit? Lass mal wissen …
von Kerstin Bamminger | Okt. 1, 2021 | Allgemein, Gute Worte, Hilfreich, Leben
Es ist ein unschöner Zustand, wenn man überfordert ist oder überfordert wird. Und doch meine ich, fast jeder Mensch kennt ihn. ICH kenne ihn jedenfalls. In verschiedensten Lebensbereichen hab ich mich schon überfordert gefühlt und besonders oft, seit ich auch Mama bin. Auch wenn nach Außenhin alles oft spielerisch und mühelos leicht aussieht: das ist es nicht.
Warum Kinder trotzdem etwas davon haben, wenn du überfordert bist und warum du mit reinem Gewissen überfordert sein darfst, darum geht’s in diesem Beitrag.
BEAUTIFUL DESASTER
Ganz ehrlich: ich war letzte Woche mit so einigem überfordert. Termine, die sich kreuz und quer in meinen Tagesplan schoben, verpeilte Geburtstage und so viele Ausnahmen zum gerade erst gewohnten Alltag, dass ich gar nicht mehr genau wusste: wer in der Familie ist eigentlich gerade zuhause und wer darf morgen Früh geweckt werden (bzw: weckt mich der Wecker oder mein Mann?!). Ein einziges schönes Desaster, also.
AUFMERKSAMKEIT IM MULTIZERKLEINERER
Es ist schon so eine Erscheinung dieser Zeit, oder? Obwohl viele von uns (und auch ich gehöre manchmal dazu) vorgeben, alles super im Griff zu haben, Dinge gut auf die Reihe zu kriegen oder den Alltag spielend zu schaukeln, straucheln wir (also ich, jedenfalls öfters). Weil es so viele kleine Dinge zu bedenken gibt, die unseren Kopf so unfassbar zustopfen. Weil wir gewisse (hohe!) Ansprüche haben, wir wir das mit diesem Leben hinbekommen wollen. Weil unsere Aufmerksamkeit wie in einem Mutlizerkleinerer zerstückelt und in alle möglichen Richtungen verteilt wird, wenn wir in unserem Netz (real oder digital) interagieren.
NEXT LEVEL ÜBERFORDERUNG
Eltern leben eine verschärfte Version davon. Sie wollen nämlich nicht nur für sich selbst alles richtig machen, sondern auch noch für ihre Kinder. Hier fängt es an, echt schwierig zu werden. Erstens, weil es das EINE “richtig” nicht gibt und zweitens, weil wir viel zu selten ehrlich darüber sind, wie sehr wir tatsächlich oft anstehen und überfordert sind. Eltern sollen doch immer funktionieren! Eltern sollen doch Leuchttürme sein! Eltern sollen doch innere Klarheit haben und stark sein! Eltern sollen doch Vorbild sein und sich auskennen! Oder nicht?
MENSCH, NICHT MASCHINE
Manche dieser Worte hast du auch hier schon gelesen. Weil manches davon stimmt. Ziemlich viel sogar. Und dennoch möchte ich heute mal besonders betonen: wir sind keine Maschinen. Wir handeln nicht geradlinig und zuverlässig wie eine Software. Wir sind unberechenbar, lebendig und menschlich. Und als solche herrlich mangelhaft. Schade ist, dass wir zu wenig darüber sprechen und nicht ehrlich genug damit sind. Also geh ich mal voran und schreib eine Liste von Dingen, mit denen ich regelmäßig überfordert bin.
ÜBERFORDERND KANN SEIN
- täglich eine (oder mehrere) sinnvolle Mahlzeiten für die Kinder herrichten
- die Wohnung aufgeräumt zu halten oder die Wäscheberge zu bewältigen
- mich an die Freizeittermine der Kinder zu erinnern und alle Taxifahrten koordinieren
- die Übernahme von Haushaltsaktivitäten von den Kindern einfordern
- generell die Arbeitsverteilung im Haushalt zu organisieren
- mich selbst beim Konsum von Social Media zu begrenzen
- neue Ideen für den Blog zu finden
- überbordende Gefühle immer geduldig zu begleiten (vor allem wenn man selbst grad bedürftig ist)
- totale Klarheit über allfällig anstehende Entscheidungen (für mich oder die Kinder) zu bekommen
- mit hormonellen Schwankungen von Teenagern fertig werden
- mit eigenen hormonellen Schwankungen fertig werden
- frühmorgens gute Laune versprühen
- den Überblick über sämtliche Lernplattformen der Kinder zu bewahren
- nach einem laaaangen Tag noch die Küche blitzblank machen
- ständig die Nahrungsmittel aufzufüllen, die in einer Großfamilie verbraucht werden
- meinen gesamten Konsum auf Ökologie und Nachhaltigkeit zu prüfen
- die Katze zu füttern bevor ich selbst esse, damit sie zum Schreien aufhört
WILLKOMMEN IM CLUB
Ich bin sicher, du kennst das eine oder andere Szenario. Klar bin ich nicht jeden Tag mit all dem überfordert. Und doch kehren diese Themen variierend und mit einiger Regelmäßigkeit wieder. Oft habe ich sehr viel Verständnis für mich selbst und erwarte mir gar nicht, dass ich es anders können sollte. Doch was ich damit sagen möchte: so geht es mir AUCH. Und falls du solche oder ähnliche Empfindungen und Gedanken hast: willkommen im Club!
EINE PORTION SCHULTERKLOPFEN, BITTE
Damit der Beitrag nicht zum reinen Jammertext verkommt, hab ich noch ein paar Worte und Tipps für dich, die dir bei Überforderung eventuell helfen können. Weil sie mir helfen.
- Ich darf überfordert sein. Ich bin trotzdem genug.
- Wenn ich überfordert bin, lernen meine Kinder, dass ich auch nur ein Mensch bin.
- Ich bin nicht für alles zuständig.
- Ich darf verletzlich sein und Grenzen haben.
- Ich bleibe geduldig mit meiner Unvollkommenheit.
- Ich bin lieb zu mir, wenn ich nicht funktioniere wie erhofft.
- Ich kann auch vorleben, dass es okay ist, mangelhaft zu sein.
- Ich nehme mir Zeit für ein klares Ja oder Nein – mindestens einmal ein- und ausatmen lang.
HUMOR HILFT
Weißt du, welchen Satz ich wirklich oft in meinen Workshops oder Beratungen höre? Es tut gut, dass man sieht, dass du auch nicht alles richtig machst. Weil ich auch in meiner professionellen Rolle Platz lasse für Unzulänglichkeiten, Fehler und ungünstige Verhaltensweisen. Nicht nur die Teilnehmer:innen profitieren davon, auch die Kinder. Es gibt doch nichts Ätzenderes als aalglatte, perfekt aussehende, immer lächelnde und makellose Menschen. Also für mich jedenfalls. Ich bin und bleibe auch lieber lebendig, angreifbar, menschlich und humorvoll. Denn ab und zu hilft nur mehr, auch über sich selbst lachen zu können.
SURROUND YOURSELF WITH KIND PEOPLE
Zurück zur letzten Woche. Am Freitagabend nahm ich eins der Kinder dann wieder nach den Kennenlerntagen entgegen. Während ich darauf wartete, ergab sich ein netter Plausch mit drei anderen Müttern am Parkplatz. Ein paar schöne und ehrliche Momente, wo keine der anderen versucht hat, etwas vorzumachen. Gedanken unter Gleichgesinnten, bei denen man den Kopf über sich selbst schütteln konnte, ohne gleich misstrauisch angesehen zu werden. Und das Gefühl, dass es anderen ähnlich geht. Auch wenn ich es ohnehin weiß – das hat gut getan.
Auch wenn’s nur zehn Minuten waren.
Umgib auch du dich mit Menschen, wo du nicht nachdenken musst, wie du zu sein hast. Sie sind eins der größten Geschenke, die wir uns selbst machen können.
von Kerstin Bamminger | Sep. 24, 2021 | Allgemein, Elternbeziehung, Hilfreich, Leben
Am Montag, 20. September war “Weltkindertag”. Es gibt international mehrere Tage an denen wir die Kinder mit ihren Rechten und Bedürfnissen feiern – zurecht, wie ich finde. Nicht nur, weil es noch immer viel zu tun gibt was Umsetzung und vor allem Einhaltung von Kinderrechten betrifft, sondern auch, weil wir viel zu selten zu unseren Kindern hinauf schauen. Ja, hinauf. Heute nütze ich die Gelegenheit und zähle 7 Dinge auf, die wir von Kindern lernen können und auch sollten.
Sie kennen im Schlaf die Namen aller Teletubbies, wissen über die Abenteuer der PawPatrol bescheid, können sich lautlos im Schlafzimmer anpirschen oder aus der Küche davon schleichen und wissen ganz genau, wie sie uns schnellst möglich um den Finger wickeln. Also mich jedenfalls. Kinder sind in vielerlei Hinsicht ein Knaller und uns weit überlegen – nicht erst seit die Digitalisierung uns 80er Jahre Eltern blass da stehen lässt, sondern immer schon. Wir schauen als Gesellschaft oft zu den Kindern “hinab”, dabei müssen wir uns ganz schön strecken, um ihr Niveau zu erreichen. Zumindest was folgende Dinge angeht:
- AUTHENTISCH SEIN
Kinder (je jünger desto mehr) sind in meinen Augen die einzigen Menschen, die jederzeit hundert Prozent authentisch sind. Sie verziehen das Gesicht, wenn das Essen nicht schmeckt. Sie weinen, wenn sie beleidigt wurden oder protestieren heftig, wenn ihre Bedürfnisse übergangen werden. Oft zum Leidwesen von uns Eltern. Doch dieses völlige “bei-sich-sein” und sich nicht verstellen (können) ist schon eine besondere Qualität, die uns Erwachsenen abhanden gekommen ist. Jedenfalls teilweise, manchen sogar in großem Maß.
“Authentisch ist das neue cool!” lautet ein Spruch und JA! Es ist cool, sich selbst nah zu sein, sich ganz wenig verstellen zu “müssen” und vor sich selbst gerade stehen zu können. Trotz unserem Bedürfnis nach Verbundenheit dürfen wir uns selbst sein lassen, wie wir sind. Die besten Vorbilder haben wir (oft) direkt vor unserer Nase sitzen.
- ACHTSAM SEIN
Jeder, der schon mal mit einem zweijährigen Kind spazieren war, weiß: Kinder entdecken jeden winzigen Käfer, finden die schönsten Steine und sind fasziniert von Vielem, was ihren Weg kreuzt. Was das Spazierengehen durchaus mühsam machen kann. Sie sind echte Profis, was Achtsamkeit angeht, weil sie alles mit diesem forschenden und interessierten Geist wahrnehmen. Sie können sogar schön finden, wenn Nacktschnecken auf ihrer Haut kriechen. Jedenfalls bis wir unsere Wertung hinein packen und erklären, das sei ekelig.
Ich lasse mich gern verzaubern und anspornen von der Begeisterung für die kleinen Dinge, die Kinder noch sehen und für die wir schon oft blind sind. Ich lasse mich von ihnen entführen in Welten, wo die einfachsten Dinge einfach gesehen werden, wie sie sind.
- EHRLICH SEIN
“Boah, der Mann ist aber dick!” “Mama, warum hat die Frau so viele Falten?” “Der Aufstrich schmeckt nach nix!” … solche und ähnliche Sätze (lautstark vor sich hingesagt) kennen Eltern von ihren Kindern mit hoher Wahrscheinlichkeit. Man selbst ist oft peinlich berührt und weist das Kind vielleicht reflexartig zurecht, dass “man das nicht sagt”. Aber im Grunde merken wir oft: das Kind hat den Mut, das zu sagen, was es sich denkt und was für sie oder ihn richtig ist.
Natürlich kann man nicht immer nur die Wahrheit sagen, wenn man auch irgendwie sozial akzeptiert sein möchte. (Es gibt dazu ein wunderbares Lied von Reinhard Mey.) Manchmal täte es uns aber gut, ein Scheibchen bei den Kindern abzuschneiden, was Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit angeht. Und bis wir den Mut haben, dürfen wir uns am Kindermund erfreuen, wenn er die Wahrheit spricht, wo wir zu angepasst dafür sind.
- FLEXIBEL SEIN
Kinder haben genau die gleichen Bedürfnisse wie wir Erwachsenen. So wie alle Menschen eben. Vielleicht halt nicht alle im selben Ausmaß und zur selben Zeit. Wenn wir uns aber dann ansehen, wie sehr wir oft über Kinder hinweg denken, handeln und entscheiden und wie gut sie dennoch in dieser erwachsenen Welt funktionieren, kann ich nur sagen: Hut ab. Hut ab, dass die so flexibel, anpassungsfähig und situationselastisch sind.
Klar, es bleibt ihnen oft keine andere Wahl. Sie sind abhängig und auf uns angewiesen, weil sie (noch) nicht eigenständig überleben könnten. Darum kooperieren sie auch, bis sie nicht mehr können. Wenn sie also protestieren, sich querlegen und abblocken, dann nicht, weil sie uns als Eltern ärgern wollen. Sondern weil Kooperationsbereitschaft und Flexibilität erschöpft sind. Aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht denkst du beim nächsten Wutanfall dran.
- SPIELERISCH SEIN
“Nur gespielt!” bekam ich als Elternteil oft als Antwort auf die Frage, was das Kind im Kindergarten gemacht hat. In der Formulierung steckt schon drin, dass wir das Spielen oft abwerten, geringschätzen oder begrenzen wollen. “Das ist kein Spiel, das ist ernst!” kommt uns auch über die Lippen. Dabei ist das Spiel ein elementares Bedürfnis und ein Grundphänomen bei Menschen. Nicht nur bei Kindern! Was Elementarpädagoginnen längst wissen und nutzen: die Freude und Leichtigkeit, die oft mit dem Spielen einher geht, fördert und befeuert das Lernen gerade zu!
In der erwachsenen Welt geht es viel zu oft und viel zu sehr um’s Kämpfen und Gewinnen, es muss alles ernst und durchdacht sein und wenn es leicht geht, hat es manchmal gleich einen geringeren Wert. So schade. Wir sollten uns die spielerische Leichtigkeit von unseren Kindern abschauen, die sie bis zur Schule oft in hohem Ausmaß haben. “Spielen bewahrt uns den Optimismus” sagt auch Brian Sutton-Smith. “Wir wären verloren und die Pessimisten würden Seite an Seite mit den Zynikern die Welt untergehen lassen.” Recht hat er, wie ich finde.
Man kann das Spiel gar nicht ernst genug nehmen! 😉
- DIGITALE SKILLS BEHERRSCHEN
So. Ich meine hier nicht, dass Vierjährige sich den Tablet-Code merken können und Zweijährige schon wissen, wie sie über Bildschirme wischen sollen. Das ist keine Meisterleistung, Leute! Die Dinger wurden extra so gemacht, dass die das intuitiv können. Dass die digital Natives uns dennoch abhängen, was ihre Fähigkeiten und vor allem das Tempo angeht, wie sie sich mit Anwendungen und neuer Technologie durchs Leben handeln, ist wohl klar.
Sie navigieren pfeilschnell an ihnen unbekannten Orten, checken sich spielerisch durch komplexe Apps und beherrschen seit Minecraft nicht nur einfache Programmiersprache sondern auch ein bemerkenswertes Englisch Vokabular. Machen wir uns nix vor: wir können da von ihnen lernen und sie genießen auch, wenn so eine Autoritätsumkehr ab und zu stattfindet. Sie werden zu Lehrer:innen und wir zu den Lernenden. Dann stehen wir in mehrerlei Hinsicht erstaunt daneben und bekommen den Mund kaum noch zu.
- VIEL MEHR LACHEN KÖNNEN
“Wie oft lachst du an einem Tag?” … diese Frage stelle ich in einem meiner Workshops. Kinder lachen Gerüchten zufolge über 100 mal am Tag. Erwachsene schaffen oft keine 15 mal. (In meinen Vorträgen waren schon Menschen, die hatten noch düsterere Zahlen am Start!). Fest steht jedenfalls: Kinder lachen öfter und mehr als wir Erwachsene. Das hat viel mit Nummer 5 zu tun: dem Spiel. Klar haben Kinder auch weniger Verantwortung und Sorgen. Ein Blick (oder besser ein Ohr) in einen Kindergarten gehalten und zum Vergleich in ein Großraumbüro würd das vermutlich bestätigen.
Lustig sein sollten wir uns wieder mehr von den Kindern abschauen und auch bewusst humorvollen Dingen, Filmen, Menschen, Beschäftigungen in unserem Leben Raum geben. Das Hormonfeuerwerk, der beim Lachen im Gehirn abgefeuert wird, ist sonst nur teuer in Apotheken oder illegal zu erhalten. Also: lass dich von deinem Kind anstecken und lach mal mit. Es ist gesund und hebt die Stimmung – hochgezogene Mundwinkel reichen schon dafür.
VORBILDER & LEITSTERNE
Kinder brauchen uns als Vorbild und als Leitsterne. Sie schauen uns zu und auch gerne ab, sie orientieren sich an uns und machen nach. Insofern sind wir und unser Handeln wichtig für sie. Für eine Beziehung auf Augenhöhe und um ein spielerisches Element rein zu bringen, tut jedoch ein Positionswechsel auch mal gut.
Wir dürfen und können auch von ihnen viel von ihnen lernen. Es ist eine Symbiose im besten Sinn. Sie profitieren und lernen von uns. Und wir profitieren und lernen von ihnen. So darf es sein und so soll es sein.
Lass mal wissen: was hast du schon von deinem Kind gelernt?
Und was möchtest du gern von deinem Kind (wieder) lernen?
Schreib gern in die Kommentare!
von Kerstin Bamminger | Sep. 17, 2021 | Allgemein, Elternbeziehung, Hilfreich, Leben
Das neue Schul- Kindergarten- und Krabbelstubenjahr ist noch taufrisch und wie immer um diese Zeit fragen sich Eltern, wie sie den eigenen Nachwuchs für DAS stärken können, was da so auf sie zukommt.
Also hab ich mir mal Gedanken gemacht und ein paar Dinge zusammengetragen, die immer hilfreich sind – egal in welchem Alter dein Kind gerade ist. Auf geht’s !
KALTES WASSER & GLUCKEN
Loslassen, das ist es, was wir in diesen Tagen als Eltern wieder üben. Wenn die Kinder vermehrt ihre eigenen Wege gehen, wenn sie ihre Kindergruppen und Schulklassen besuchen und ihre eigene Welt ein Stückerl neu entdecken. Neues, Veränderung, Wandel – nicht alle Menschen können diese Dinge gleich leicht schultern. Es kommt, wie so oft, auch darauf an, was wir früh in unserem Leben erfahren haben. Ein Schubser ins kalte Wasser ohne Vorwarnung kann genau so schwierig sein wie Eltern, die wie Glucken auf ihren Küken sitzen.
NEVER TOO STRONG
Jetzt fragst du dich bestimmt: Wie soll ich denn wissen, was der Bereich dazwischen ist? Nun – darauf gibt es tausend Antworten. Was richtig für dich ist, kann nur dein Kind gemeinsam mit dir bestimmen. Doch folgende Ideen können dir helfen, dein Kind jedenfalls zu stärken, denn in einem bin ich mir sicher. Sie können niemals „zu stark“ sein für diese Welt, also profitieren auch widerstandsfähige und selbstbewusste Kinder von Eltern, die folgende Dinge tun.
1. SIGNALE WAHRNEHMEN & RICHTIG INTERPRETIEREN
Es hört sich so einfach an und ist doch so schwer.
- Was will ein Kind ausdrücken, wenn es weint?
- Was bedeutet das Schreien nun wirklich?
- Warum ist das Kind so verschlossen?
Es ist für mich immer ein Genuss, Eltern zu beobachten, die feinfühlig und sensibel ihre Kinder begleiten. Und mein Herz blutet jedes Mal, wenn Eltern eindeutige Signale des Kindes fehlinterpretieren oder gar nicht reagieren. Dass sich das auf Dauer fix ungünstig auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirkt, brauch ich glaub ich nicht extra zu betonen.
Wenn man Signale und Verhaltensweisen des Kindes gut wahrnehmen möchte, braucht man mehrere Gaben, vor allem aber braucht es Fokus. Eltern, die nicht abgelenkt sind – von Bildschirmen, Arbeit und Ähnlichem – schaffen dies sicherer als andere. Weil es Präsenz braucht und die Fähigkeit, im Moment zu sein. Und alle verfügbaren Sinne.
2. GEFÜHLE & VERHALTENSWEISEN ERNST NEHMEN
Manchmal erwarten Erwachsene im Umfeld bestimmte Verhaltensweisen vom Kind.
- „Du freust dich bestimmt schon auf den Kindergarten!“
- „Das wird sicher lustig in der (neuen) Schule!“
- „Da brauchst du keine Angst zu haben, das wird schon werden!“
Wenn Kinder sich freuen, darf man sie freilich darin bestärken. Falls allerdings eine unsichere Miene, hängende Mundwinkel oder zweifelnde Gedanken den neuen Weg säumen, dann zahlt es sich aus, diese auch ernst zu nehmen. Zumindest so lang, bis das Kind den Eindruck hat:
- Ich werde gesehen, wie ich bin.
- Jemand nimmt mich ohne Erwartung an.
- Ich bin richtig, so wie ich mich verhalte.
Solche Botschaften stärken Kinder und Menschen jeden Alters ungemein. In jeder Lebenslage.
3. BEWÄHREN STATT BEWAHREN
Ich ertappe mich selbst öfters dabei, wie ich mir wünsche, dass meine Kinder nicht Fehler begehen, die für mich auch irgendwann schmerzhaft waren. Obwohl ich genau weiß, dass es nix bringt. Sie dürfen und sollen ihre eigenen Erfahrungen machen. Wenn wir sie jederzeit davor bewahren wollen, die Lektionen des Lebens zu lernen, dann werden sie irgendwann womöglich „dumm“ dastehen. Kinder brauchen Eltern, die ihnen viel zutrauen, die mutig sind und sie probieren lassen. Kinder sollen sich bewähren können auf der Bühne des Lebens. Nur zwei kleine Pünktchen unterscheiden die beiden Wörter – doch es sind völlig unterschiedliche Haltungen, wenn es um das Begleiten der Kinder geht.
- Krabbelstubenkinder, die lernen, ihr Geschirr weg zu räumen.
- Kindergartenkinder, die mit Zurückweisungen anderer Kinder klarkommen sollen.
- Schulkinder, die auf einmal den Schulweg alleine bewältigen können.
- Jugendliche, die ihren Alltag neu und selbständig organisieren üben.
Natürlich dürfen wir ihnen unterstützend zur Seite stehen, wenn sie sich das wünschen. Und ansonsten üben wir uns darin, weniger zu bewahren und mehr bewähren zu lassen (frei nach Gerald Koller). Weil das die schönen Momente des Staunens über die Entwicklung des eigenen Kindes beinhaltet. Genieße sie!
4. FEHLERFREUNDLICHE KULTUR
Gehen lernen ohne Hinfallen?
Sprechen lernen ohne lustige Wortkreationen?
Beziehungen eingehen ohne Kränkungen?
Ist wohl noch keinem Menschen gelungen. Was am Beginn des Lebens noch recht gut akzeptiert ist, wird mit zunehmendem Alter immer weniger ertragen. Wir wünschen uns viel mehr perfekte Ergebnisse, makellose Biografien und saubere Abläufe.
Doch wir lernen nur – oder jedenfalls am meisten – wenn Dinge schief gehen. Wenn Fehler passieren und wir daraus Erkenntnisse gewinnen. Erlauben wir also auch Kindern in jedem Alter, solche Erfahrungen zu machen.
- Dass es okay ist, einen Umweg von der Schule heim zu gehen.
- Dass die Welt sich weiter dreht, wenn man mal den Bus versäumt.
- Dass und wie sie Hilfe bekommen, wenn sie mal irgendwie anstehen.
- Dass sie wachsen, wenn sie Konflikte ohne Erwachsene austragen dürfen.
- Dass sie geliebt sind, gerade wenn ihnen etwas misslungen ist.
Wenn Kinder erleben, dass Fehler und Missgeschicke nicht automatisch mit Zurechtweisung und Moralpredigten verbunden sind, werden sie mutiger und trauen sich selbst mehr zu. Weil sie wissen: es darf auch mal schief gehen – ich bin dennoch geliebt. Das ist Rückenstärkung pur.
5. LEADERSHIP ZEIGEN
Wenn Kinder ins kalte Wasser geschubst werden und sich quasi uferlos fühlen, fällt es ihnen auch schwerer einen guten eigenen Weg zu finden. Sie brauchen Orientierung und Halt und das am besten von den vertrauten Bindungspersonen – je nach Alter in unterschiedlichem Ausmaß.
Das gelingt, wenn du als Elternteil eine gewisse Ruhe und Klarheit in DIR hast, wenn du weißt, welche Werte für euch wichtig sind, einen groben Plan hast und dafür die Verantwortung übernimmst.
Kinder brauchen (länger als man meint) Menschen, die ihnen einen verlässlichen Rahmen anbieten. Auch wenn sie immer wieder dagegen anrennen und sich mitunter auch gegen Grenzen wehren. In Wirklichkeit sind sie auf der Suche nach Kontakt zu dir. Also sei da.
- Sei die Sicherheit, die sie brauchen ohne sie einzuschränken.
- Sei der Halt, den sie suchen ohne Festzuhalten.
- Sei die Orientierung, die nötig ist und dennoch flexibel bleibt.
On top kann ich auch noch empfehlen, dass es sich immer auszahlt, eine große Portion Humor zu haben und viel Freundlichkeit über den Alltag zu streuen. Diese Woche habe ich gelesen, dass sogenannte „Weak Ties“ uns (die losen, oberflächlichen Kontakte zu Menschen) uns ein gutes Gefühl geben. Sie stärken unser Zugehörigkeitsgefühl in der Gesellschaft und heben die Verbundenheit in unserem sozialen Geflecht, auch wenn sie wenig tiefgründig sind. Ein freundlicher Gruß beim Bäcker, der Smalltalk beim Kinder abholen, ein kurzer Plausch mit der Nachbarin. Markus Hengstschläger erwähnt auch gern das „Survival of the friendliest“ – also weniger Ellenbogen, mehr Empathie.
Das können wir nun wirklich alle gebrauchen.
Nicht nur unsere Kinder. Lasst es uns vorleben!
Wie stärkst du deine Kinder?
Hast du noch andere Ideen, wie das gehen kann? Schreib gern in die Kommentare!
von Kerstin Bamminger | Aug. 19, 2021 | Allgemein, Leben
Es kommt ja höchst selten vor, dass mir die Worte fehlen. Doch wenn ich so aus unserer familiären Idylle hinaus denke und schaue, dann wird mir ganz anders. In den letzten Wochen stolpere ich dabei von einem Scherbenhaufen in den nächsten. Brennende Wälder, untergehende Landstreifen, klimabedingte Katastrophen, Ankündigungen für den nahenden Herbst und nicht zuletzt: die menschliche Zwietracht, die ich in so vielen Gesprächen oder Erzählungen wahrnehme. Wir sind ganz schön zerrissen und kaputt. Was also nun?
ICH KANN HIER NIX TUN. TATSÄCHLICH?
Ich bin ein Mensch, der sich überaus für das Weltgeschehen interessiert. Ich kann kaum an einer Zeitung oder Nachrichtenmeldung vorbeigehen oder -schalten. Des Öfteren wurde mir schon bewusst, dass diese Offenheit und dieses Interesse auch Schattenseiten für mich birgt. Weil der Konsum von so viel NEWS eben häufig BAD ist und es zu wenig GOOD NEWS in die Schlagzeilen schaffen. Und derzeit drängt sich mir das Gefühl auf: „Ich schalt alles ab!“ Weil es nicht mehr auszuhalten ist. Ich kann hier sowieso nix tun.
Doch so ganz stimmt das nicht.
HINSEHEN. HINHÖREN. HINFÜHLEN.
Eine Nachrichten- oder Social Media Pause steht definitiv an und ist für mich immer wieder mal gut und heilsam ist (und ich werd das definitiv im bevorstehenden Urlaub auch machen). Doch das Wegschauen, Wegducken, Weghören ist dann doch keine langfristige Strategie.
- Es braucht das Hinsehen, damit wir erkennen können, was zu tun ist.
- Es braucht das Hinhören, damit wir verstehen können, wie es anderen geht.
- Es braucht das Hinfühlen, damit wir wieder aufeinander zugehen können.
WHAT THE WORLD NEEDS NOW
Macht, Geld und Einfluss prägen meiner Einschätzung nach die Gestaltung unseres Zusammenlebens. Dabei spielen eigene Interessen und Vorteile gefühlt eine größere Rolle als die des “Pöbels” (wir verstehen uns). Und viel zu wenig wird auf Werte wie Gerechtigkeit, Menschenwürde und Empathie geachtet. Doch damit sind wir schon bei den Dingen, die jede und jeder von uns in diese Gesellschaft einbringen kann und darf. Weil man auf “die da oben” vielleicht lang warten muss. Und wir brauchen mehr von der wichtigsten Zutat überhaupt…
LOVE, SWEET LOVE
Ich hab mir kürzlich wieder den meist gelesenen Beitrag auf meinem Blog angesehen. CORONA, oder: Bleib in der Liebe! Mehrere tausend Male wurde er geklickt. Vielleicht hab ich es schon im März 2020 geahnt, dass es das sein würde, was uns am Wenigsten gelingen wird. Vielleicht war es ein naiver und idealistischer Wunsch für uns Menschen. Vielleicht war es auch ein absoluter Treffer ins Schwarze. Und was zu Beginn dieses neuen Zeitalters noch in herzerwärmendem Übermaß vorhanden war an Hilfe, Zusammenhalt, Verständnis, Aufeinander zugehen und Mitgefühl ist in meinen Augen längst verpufft.
GLASKLAR IST HIER GAR NIX
Es wundert mich nicht. Wenn in der größten Gesundheitskrise, die wir alle je erlebt haben, große Konzerne die Gewinner sind, wenn Milliarden in die Wirtschaft gepumpt werden statt in ein halbkrank gespartes Gesundheitswesen, wenn mit Fehlern (die zweifelsohne sein dürfen) so unreflektiert umgegangen wird, und Menschen ganz bewusst entzweit werden, dann kommt halt nix besseres raus. Wir brauchen endlich weitere Strategien und ein vernünftiges Risikomanagement für diese Zeit, wo keine glasklaren Entscheidungen in Sichtweite sind.
So. Genug gejammert. Ich will nach vorne schauen. Ich will überlegen, was ICH und vielleicht JEDE und JEDER auf diesem Erdenball einbringen kann, damit sich was bewegt. Und ein paar Ideen, wo wir diese Liebe am meisten brauchen können.
LIEBE zu unserem PLANETEN
Wir leben über unsere Verhältnisse. Wir nehmen uns zu viel und geben zu wenig zurück. Du kannst diese Liebe bei jedem Lebensmitteleinkauf zeigen, indem du saisonale und regionale Produkte kaufst, bewusst auf Fleisch und Meeresfisch (JA, wer’s nicht glaubt: FILMTIPP) verzichtest. Du kannst bewusst zu Fuß, per Rad oder Öffi unterwegs sein, oder zumindest Fahrgemeinschaften bilden. Ordentlich Müll trennen und am besten schon beim Einkauf vermeiden. Du kannst auf Fast Fashion verzichten oder deinen Konsum stark einschränken – es gibt mittlerweile echt coole Alternativen und doch: das ökologische Kleidungsstück ist das nicht (neu) gekaufte! Niemand muss alles perfekt machen. UND jeder Einzelne kann was bewirken. Punkt.
LIEBE zu deiner GESUNDHEIT
Bleib gesund! Diese Worte haben viele, viele Konversationen in letzter Zeit beendet. Ich werde nicht müde zu betonen, dass es viele Möglichkeiten und Wege gibt, wie man die eigene Gesundheit stärken kann und niemals nur einen einzigen! Gesundheit umfasst mehr als nur deinen Köper, dazu gehören auch Geist und Seele. Also sei dir deiner Kraft bewusst, wenn du entscheidest, welche Nahrungsmittel du aufnimmst, welche Rolle Bewegung in deinem Leben spielt und wie gesundheitsfördernd deine Gedanken sind. Manchmal mögen pharmazeutische Produkte eine Stütze sein, doch du kannst so viel tun, damit es gar nicht so weit kommt! Und dann gehören zur Gesundheit auch noch: gesunde Beziehungen.
LIEBE zu deinen MITMENSCHEN
Klar, wir können nicht alle „lieben“. Müssen wir auch nicht. Doch respektieren, achten und mitfühlen, das können wir sehr wohl. Unabhängig von unserem 3G Status sollten wir aufeinander hören und ins Gespräch kommen, um wieder zu lernen, dass man gegensätzliche Ansichten auch einfach so stehen lassen kann. Und manchmal MUSS. Ich WILL auch andere Meinungen gelten lassen, weil ich manchmal auch auf meiner Meinung bestehen mag und es geht sich nicht immer und überall ein Agreement aus. Es reicht völlig, sich gegenseitig zuzuhören und dann zu sagen: oh, da sind wir unterschiedlicher Meinung. Ohne sich gegenseitig abzustempeln, anzugreifen, augenrollende Blicke zuzuwerfen oder sich zu beschimpfen.
Das haben wir doch bitte nicht nötig!
Anfeindungen, Spaltung und Intoleranz werden uns sonst noch viel mehr Schaden zufügen als dieses mikroskopisch kleine C-Dings.
Wohin so ein extremer Mangel an Offenheit, Toleranz und Gleichwürdigkeit gepaart mit sehr viel Angst und Gewalt führt, können wir ja in Afghanistan derzeit mitverfolgen.
LIEBE in allen BEZIEHUNGEN
Ich wünsche mir mehr Empathie für diese Zivilgesellschaft und zwar global gesehen. Die Überzeugung, dass wir alle gleichwürdig sind und danach handeln. Dass wir auf Basis von Grundrechten zusammenleben wollen und sollten, wenn es friedlich bleiben soll. Ich wünsch mir, dass es uns gelingt zu verstehen, dass wir alle die selben Bedürfnisse haben. Vielleicht nicht zur selben Zeit und nicht im gleichen Ausmaß – doch wir brauchen die gleichen Dinge, um gut leben zu können. Und wenn wir mal über die körperlichen Bedürfnisse hinaus sehen, wird eins besonders klar: wir sind soziale Wesen, wir wollen uns zu einer Gruppe zugehörig fühlen und wir brauchen Beziehungen.
- Beziehungen, die locker und beiläufig sind.
- Beziehungen, die tragfähig sind und Belastungen stemmen.
- Beziehungen, die leicht und humorvoll sind.
- Beziehungen, die Alltagsstrapazen ertragen.
- Beziehungen, die Unterschiede aushalten und dadurch vielleicht sogar wachsen.
- Beziehungen, die von ausgewogenem Geben und Nehmen bestimmt sind.
- Beziehungen, die ein sicherer Ort sind für die eigenen Schwächen.
Und vor allem: - Beziehungen, die tief und bedeutungsvoll sind.
Wenn wir uns in einem Netz aus guten und besseren Beziehungen aufgehoben und gehalten fühlen, wenn wir aus dieser Sicherheit unseren Ängsten entgegentreten und in die Welt hinaus schauen, dann erkennen wir vielleicht:
Es heißt nicht:
- Geimpfte gegen Ungeimpfte.
- Mächtige gegen das Volk.
- Männer gegen Frauen.
- Taliban gegen Afghanen.
- Erwachsene gegen Kinder.
- Mächtige gegen das Volk.
- Alte gegen Junge.
- Reiche gegen Arme.
- Heteros gegen Queere.
- Gebildete gegen Ungebildete.
Daswischen braucht es das heilige UND! Geimpfte UND Ungeimpfte, Mächtige UND das Volk …
Wir hocken alle zusammen hier auf dieser Kugel. Es wird höchste Zeit, dass wir lernen, MITEINANDER die aktuellen Herausforderungen anzugehen, verschiedene Lösungen zu fördern und auch zuzulassen und endlich endlich endlich weniger Angst zu verbreiten und mehr Liebe.
Du hast es in der Hand. In jeder zwischenmenschlichen Begegnung.
Jeden Tag. Lass dich leiten von Empathie, Respekt und ein bisschen Zuversicht.
Und im besten Fall: von ganz viel Liebe.
Damit verabschiede ich mich in eine dringend benötigte Sommerpause. Hab’s gut! Bis bald!
Deine Kerstin
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