Aus den Fugen, diese Welt. Durchgeschüttelt, wir Bewohner. Einzelne davon so ruiniert, dass sie zu unfassbarer Gewalt greifen. Viele so eingeschüchtert, dass ihnen die Worte fehlen. Das Attentat in der Wiener Innenstadt steckt uns noch in den Knochen. Es gibt so viele Fragen und so wenig Antworten und jedenfalls zu wenig Liebe. Ein großes Wort. Und manchmal zu schwierig. Was uns sonst noch gut tun würde, darum geht’s heute hier.
Was vernichtet einen Menschen derartig, dass er hinaus geht und wahllos um sich zu schießen beginnt? Was treibt einen Menschen dazu, einen Lehrer zu köpfen, der sich und seine Schüler kritisch mit gesellschaftlichen Themen beschäftigt? Was geht in den Gehirnen von Attentätern vor, die sich selbst in die Luft sprengen, um einer freien Gesellschaft zu schaden?
Wir wissen es nicht, wir können es vielleicht nur erahnen.
LIEBE IST EIN GROSSES WORT.
Fix ist: kein Mensch wird so geboren. Er entwickelt sich dazu, vermutlich weil ihm viel zu oft viel zu viel Abwertung, Erniedrigung, Respektlosigkeit und Hass entgegengebracht wurden. Wahrscheinlich von Anfang an im Leben, wenn man so jung schon so derartig radikalisiert ist, wie der Attentäter von Wien. „Hat denn diesem Jungen niemand Liebe gelernt?“ frag ich mich und gebe mir selbst die Antwort: nein. Oder jedenfalls: nicht ausreichend. Doch Liebe ist ein großes Wort und ganz ehrlich: wir können viele Menschen, Dinge oder Tatsachen nicht lieben, es geht sich gefühlt einfach nicht immer aus.
WAS SONST NOCH GUT WÄRE
Am Anfang der Coronakrise hab ich geschrieben „Bleibt in der Liebe“, nicht nur, weil es eine Überzeugung ist, sondern auch ein Wunsch. Doch ich seh bei mir selbst, dass ich das nicht immer schaffe. Und ich finde: das ist auch gar nicht notwenig. 5 Dinge, die uns sonst noch gut tun würden, besonders, wenn das mit „LIEBE“ nicht geht, versuch ich hier zu beschreiben. Denn auch in der Familie ist Liebe nich immer so leicht gelebt, auch unsere Kinder bringen uns regelmäßig auf die Palme und manchmal würden wir unsere Partner gern auf den Mond schießen. Also, ich jedenfalls. Wer nicht schuldig ist, werfe hier bitte einen Stein nach mir.
RESPEKT
Wir sind verschiedener Meinung, haben verschiedene Vorlieben, lieben verschiedene Tätigkeiten, Menschen, Tiere und Dinge. Das Eigene gut zu finden ist einfach doch das Fremde zu lieben erscheint oft unmöglich. Respekt würde genügen. Jedenfalls für den Anfang. So im Sinn von: ich respektiere deine Meinung, auch wenn ich sie nicht teile.
Ich respektiere deine Angst vor Krankheit und das Bedürfnis, dich schützen zu wollen, auch wenn ich mich nicht fürchte. Ich respektiere deinen Wunsch, dich so bunt anzuziehen, obwohl es mir nicht gefällt. Ich respektiere deine Einstellung, Fleisch zu essen, auch wenn ich vegane Ernährung sinnvoller finde.
TOLERANZ
Wenn ich etwas nicht verstehe oder gut finden kann, bleibt immer noch Toleranz, was sogar noch „weniger“ ist als, das „Annehmen, was ist“. Gut finden muss ich jemand anderem zuliebe gar nichts, es reicht völlig (und ist auch ehrlicher), es zu erdulden und ertragen, wenn unsere Kinder, unsere Partner oder Mitmenschen, Dinge anders sehen oder tun. Toleranz bedeutet nicht, dass man nicht engagiert mit dem Partner debattieren darf. Toleranz bedeutet nicht, dass ich nicht von manchen Jugendtrends verwirrt sein darf. Toleranz bedeutet nicht, dass ich auch fühlen und verstehen muss, wie es dem Kind gerade geht. Aber: es aushalten. Sagen:
„Aha, du findest also diesen Politiker gar nicht so übel.“
„Aha, von überall ein Foto zu schicken, wo man ist, macht ihr jetzt so?!“
„Aha, du bist frustriert, weil du nach zwei Stunden die Spielkonsole weglegen sollst.“
Verstehen und für gut finden geht oft viel zu weit. Oft ist Toleranz das einzige, was wir aufbringen können, weil uns zu mehr irgendwas fehlt (Empathie, Verständnis, Erfahrung, Liebe,…).
GRENZEN
Unser Alltag ist manchmal voll von Grenzüberschreitungen. Noch länger arbeiten, obwohl man schon erschöpft ist. Noch einmal Nachrichten schauen, obwohl der Kopf bereits explodiert. Noch härter mit sich umgehen, damit man die gesetzten Ziele erreicht.
Wir werden oft verletzt, enttäuscht oder gekränkt und tun dasselbe mit anderen Menschen: Jedes „stell dich nicht so an“, jedes „nie kannst du mal“ , jedes „du machst mich wahnsinnig“ ist eine Übertretung von Grenzen und kann – je nach Intensität, Häufigkeit und Sensibilität – Spuren hinterlassen. Was andere tun, können wir nicht beeinflussen. Aber wir können uns um unseren „Gartenzaun“ kümmern und das auch Kindern vorleben:
„Das hat mich verletzt, dass du ‚blöde Mama‘ gesagt hast.“
„Das kränkt mich, dass mein Chef jeden Tag sagt, ich sei zu langsam.“
„Es tut mir weh, wenn du mich zwickst, beißt, kratzt! Hör auf damit!“
Unsere eigenen Grenzen zu wahren, lehrt unsere Kinder dasselbe mal mit ihren eigenen Grenzen zu tun. Es zeigt ihnen, es ist wichtig, das zu sagen, wenn jemand anderer zu weit ging, denn oft ist das dem Gegenüber schlicht und einfach nicht bewusst.
SELBSTFÜRSORGE
Wir haben so viel in der Hand und Beschränkungen beginnen oft im Kopf. Leider haben viele Menschen als Kinder gelernt, dass man sich nicht „zu wichtig“ nehmen darf, weil man dann Egoistin ist. Doch du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben. Wenn du dich selbst nicht wichtig nimmst, wie soll das jemand anderes tun? Als Erwachsene merken wir: wir können uns nicht darauf verlassen, dass sich Jemand um uns kümmert – wir dürfen es selbst tun.
Sich ein entspannendes Bad gönnen.
Bei einem heißen Tee der Freundin die Seele ausschütten.
Auf einer Bergtour die nötige Freiheit spüren.
Den eigenen Körper bewegen als Zeichen der Dankbarkeit, dass man ihn hat.
Selbstfürsorge ist für jeden Menschen was anderes. Wenn du weißt, was dir gut tut, dann schau noch besser auf dich. Und wenn du keinen Plan hast, was dir gut tut: höchste Zeit, es herauszufinden!
FEHLERKULTUR
Wir sind nicht nur Liebe und Frieden. Wir sind auch alles andere und vor allem sind wir mangelhaft, fehleranfällig und umperfekt. Gott sei Dank. Die ätzendsten Menschen sind doch bitte die, die keine Macken haben, immer wie „putzt und g’strieglt“ daher kommen und alles immer fest im Griff haben. Also, für mich jedenfalls.
Wir dürfen als gesamte Gesellschaft eine andere Fehlerkultur entwickeln und uns nicht dauernd an oft extrem überhöhten Ansprüchen an uns und andere aufhängen. Es ist wichtig, Fehler zu machen, denn mit dein bisschen Reflexion wird daraus eine Erfahrung. Und Erfahrungen lassen uns reifen, wachsen und klüger werden. Vor allem dürfen wir auch in Familien fehlerhaft sein, denn keiner Mutter und keinem Vater gelingt es, 100%ig zu funktionieren. Alle schimpfen wir mal, alle verlieren wir mal die Nerven, alle haben wir mal keine Lust.
5:1
Es braucht also besonders Ausgewogenheit, was diese negativen und die positiven Begegnungen betrifft. Ein Verhältnis von 5:1 wird oft beschrieben, wenn es darum geht, was Menschen als gute Beziehung beschreiben. Das heißt: auf fünf positive Begegnungen ist eine negative Begegnung erträglich. So bleibt die menschliche Verbindung gefühlsmäßig gut. Wenn sich also Streit, Konflikte und Streit häufig wiederfinden im Alltag: sorge bewusst für angenehme, positive Kontakte zwischendurch – denn mit ein bisschen Engagement ist das in kleinen Dingen (ein vorgelesenes Buch, eine kurze Massage, ein wenig Kopfkraulen) auch erreichbar und vor allem: in unserer Hand!
LIEBE gelingt uns nicht immer.
Es ist die höchste Form menschlicher Zuneigung und natürlich wünschenswert, so oft wie möglich, so gut wie möglich, so intensiv wie möglich. Und immer wenn wir keine Liebe aufbringen können – egal ob Familie, Freunde, Bekannte, Kollegen oder sonst jemand: versuch es mit Respekt, Toleranz, entsprechender Fehlerkultur und achte auf deine und andere Grenzen und sorge gut für dich selbst.
Was möchtest du in der nächsten Woche wieder bewusst angehen?
Selbstfürsorge
kann auch sein: sich bewusst Zeit nehmen, Themen anzugehen und sich dabei Unterstützung zu holen. Als psychologische Beraterin unterstütze ich dich gern dabei!
Begrenzungen im Außen fühlen sich für die meisten von uns unangenehm an, wir vermissen gewohnte Freiheiten und im schlimmeren Fall haben wir Angst, uns völlig hilflos der Zukunft auszuliefern. Damit wir nicht in der Starre stecken bleiben und nur mehr Frust vor uns herschieben und jeden gestalterischen Willen verlieren, gibt’s heut ein paar Tipps: was hilft bei Hilflosigkeit.
NICHT SCHON WIEDER
Diese letzten Monate haben uns allerhand abverlangt und statt nach einem etwas erleichternden Sommer dem Aufwind zu folgen und wieder Leichtigkeit zu fühlen, geht’s jetzt Vielen von uns genau umgekehrt. Regelungen, Maßnahmen, Vorschriften ziehen uns nach unten, lassen geplante Feste platzen, machen gewohnte Freizeitbeschäftigungen unmöglich, berauben uns selbst kleiner wiedergewonnener Freiheiten und hinterlassen uns fragend, wie das wohl die nächsten Monate über den Winter weitergehen mag.
Also versuche ich mich mal selbst zu erinnern, wie man aus dieser frustrierenden Haltung am besten raus kommt.
1. TIPP: ANNEHMEN, WAS IST
Kaum ein Gespräch im zwischenmenschlichen Bereich kommt derzeit an dem verhassten C-Thema vorbei. Weil es uns betrifft, und zwar jeden von uns, der nicht in völliger Abgeschiedenheit fern der Zivilisation lebt. In solchen Gesprächen merkt man dann: mit manchen Menschen ist man sich sehr einig, mit anderen überhaupt nicht und es gibt nicht nur die schwarze und weiße Meinung, sondern auch alles dazwischen.
Es gibt Menschen, die sehr viel Angst haben und die sich gar nicht genug beschützt fühlen können und es gibt Menschen, die sehr entspannt bleiben und sich lieber weniger von Außen beschützen lassen würden. Wir sind eben verschieden. Und so verschieden wie wir Menschen sind, ist auch die Einschätzung von bestehenden Gefahren.
„Wenn doch nur alle so denken würden, wie ich, hätten wir kein Problem mehr und alles wär gut“, meinen Menschen in jeder Position. Doch die Realität ist anders. Es gibt viele Haltungen und Zugänge und das lässt sich beim besten Willen nicht ändern. Dann hilft das Annehmen dessen, wie es ist und die innere Einstellung, dem Anderen seine Meinung zu lassen – selbst wenn man selbst völlig anderer Überzeugung ist. „Aha, so siehst du das also.“ Es braucht kein „… das verstehe ich“ oder andere Zustimmung, wenn du nicht so denkst. Aber andere Meinungen stehen lassen können, das wär schon ein respektabler Anfang.
2. TIPP: VOM OPFER ZUM GESTALTER WERDEN
Es gibt in der Beratung so einen Begriff, der heißt: Leidensgewinn. Damit meint man Menschen, die bewusst oder unbewusst eine leidvolle Angewohnheit, Krankheit oder Beziehung nicht loslassen können, weil sie auch einen Nutzen davon haben. Oft ist das so etwas wie Zuwendung, Aufmerksamkeit, Mitleid und Empathie zu bekommen, ein anderes (noch schwereres) Thema nicht anschauen müssen oder Ähnliches. So komisch das klingen mag, sie halten an schweren Dingen fest, weil sich sonst eine Leere auftun würde, die erst wieder mühsam gefüllt werden müsste.
Und obwohl der Fokus auf das Schlechte („die Gefahr“) eine evolutionsbiologische Notwendigkeit war, können uns diese Zustände regelrecht lähmen, wenn sie im Übermaß zur falschen Zeit auftreten.
„Du Opfer!“ sagen Jugendliche als Schimpfwort zu jemandem, der zu viel jammert und meinen wohl damit: „Hör auf mit dem Leiden und mach was! Es liegt in deiner Hand!“ Und selbst wenn wir zur Zeit nicht alle Freiheiten der Welt haben, liegt es an uns, was wir aus der Situation machen. Eine ungute Situation wird nicht leichter, wenn wir sie uns selbst auch noch schiech reden. Fragen wir uns lieber: „Wofür ist diese Situation eine Gelegenheit?“ … und schon kommen wir aus der Rolle des Opfers in die Rolle des Gestalters, wenn auch mit anderen Möglichkeiten als den bisher vielleicht gewohnten.
3. TIPP: GEMEINSAM STATT EINSAM
Du kennst das sicher. Skeptische Blicke, wenn man im Supermarkt zu nahe steht. Unsicherheit, wie man sich nun „richtig“ begrüßen kann und soll. Sterbende Kommunikation unter Mitmenschen, weil die Maske uns definitiv hemmt, freudig wie früher zu plaudern und wir auch so viel von der Mimik verpassen, wenn wir in halbverdeckte Gesichter schauen.
Wir trennen uns voneinander, driften auseinander und die körperliche Distanz, die wir dauernd wahren sollen wird nun echt zu sozialer Distanz, wie sie seit Beginn lustiger Weise ja schon bezeichnet wird.
Wir brauchen uns gegenseitig und den Kontakt zum Umfeld in der realen Welt, weil wir soziale Wesen sind. Gerade in Krisen und gerade, wenn es schwer wird. Das geht auch ohne gleich unvernünftig zu sein und andere zu gefährden. Und die echte Horrorvorstellung ist doch nicht, irgendwann zu sterben, sondern (dabei) allein zu sein – das kann dir jede Krankenschwester auf einer entsprechenden Station bestätigen oder Menschen auf Palliativstationen. Die fürchten nicht den Tod, sondern die Einsamkeit. Wenn wir als Gesellschaft gemeinsam (und es wird uns alle irgendwie dazu brauchen) aus dieser Krise rauskommen wollen, dann sollten wir auch spüren, dass wir miteinander verbunden sind und soziale Kontakte sehr wohl pflegen, Kinder in den Arm nehmen dürfen, sie trösten, uns umarmen und Zuneigung ausdrücken, damit wir merken: wir sind nicht allein, wir sind Viele und wir brauchen uns gegenseitig, damit wir das alles schaffen.
4. TIPP: DIE BRILLEN WECHSELN
Nie mehr Jammern, down sein oder sich genervt fühlen? Was vielleicht als paradiesische Vorstellung erscheinen mag, ist einfach nicht das, was ich mir unter „LEBEN“ und lebendig sein vorstelle. Unser Dasein hat eben viele Facetten und ohne die trüberen, dunklen würden wir die leuchtend hellen weder erkennen, noch zu schätzen wissen.
Es hilft aber, sich öfter mal bewusst zu werden, durch welche Brille wir gerade unser Leben so anschauen.
Ist es die Pessimisten-Brille im Sinn von: „alles ist furchtbar, das wird uns so viel kosten, wie sollen wir das überleben, ich hasse diese Einschränkungen“?
Oder eher eine neutrale Brille durch die man sieht „ein neueres Virus beschäftigt den Globus, es gibt viele Zahlen zu positiv Getesteten, Erkrankten oder Verstorbenen, wir leben mit Einschränkungen, Menschen leiden auf vielfältige Weise in vielfältigen Bereichen“?
Oder ist es eine Optimisten-Brille, die erkennen lässt: „wir haben die Chance uns als Gesellschaft zu verändern, wir waren ohnehin auf einem zerstörerischen Pfad, lass uns etwas Positives draus machen“!?
Ich hab ja alle drei „Brillen“ und sehe die Welt abwechselnd durch die eine und die andere. Und ich erinnere mich bewusst daran, die Pessimistenbrille abzulegen und meine Welt positiv zu sehen. Ich finde jeden Tag nicht nur einen Grund, sondern mehrere, warum es ein „guter Tag“ war. Und wenn es „nur das ist“, ein Dach über dem Kopf zu haben, warme Kleidung und fließendes Wasser – für mich verändert das immer das Erlebte zum Positiven, weil ich in eine dankbare Haltung komme und nichts für Selbstverständlich halte. Und mein Leben – und jeden Tag – als Geschenk annehmen kann. (Notiz: leg dir einen Zettel neben dein Bett mit den Worten „Ein guter Tag“ … der erinnert dich an diesen Gedanken …. vor dem Einschlafen und/oder nach dem Aufstehen!)
5. TIPP: MEHR LEBEN, WENIGER FÜRCHTEN
So Vieles zur Zeit dreht sich um die Bekämpfung von (einer) Krankheit und die Angst davor, dass wir fast auf das Wichtigste vergessen. Nämlich darauf, zu leben. Und was es heißt, gesund zu sein. Gesundheit bedeutet für mich nicht, nicht krank zu sein oder auf was auch immer positiv getestet zu werden. Gesundheit beginnt viel früher.
Und ich kann nicht anders, als mich hier an Dr. Samuel Hahnemann zu halten: es wohnt uns eine Lebenskraft inne, die beeinflusst, ob wir krank werden oder nicht. Wie lässt es sich sonst erklären, dass hochinfektiöse Krankheiten bei manchen so leicht übertragen werden und dann die eigene Ehepartnerin nicht „erwischen“? Es gibt unzählige kuriose Geschichten, welche „Wege“ Viren und Bakterien manchmal nehmen und es gibt keine wissenschaftliche Antwort darauf, warum das so ist.
Die Sache ist nur, diese „Lebenskraft“ ist halt unterschiedlich fragil und kann auch schon nach einer Auseinandersetzung mit dem Partner, Konflikten mit den Kindern oder mentaler Überlastung aus der Balance kommen. Da reden wir noch gar nicht von gesunder Ernährung, ausreichend Schlaf und Bewegung.
„Ich weiß, dass ich nichts weiß“ ist ein philosophischer Spruch, der zwar Jahrtausende alt ist, aber wenig von seiner Gültigkeit verloren hat. Wir glauben zwar, Viren, Bakterien und letztlich sogar das Leben „kontrollieren“ zu können, weil wir schon so viel darüber wissen, doch ich bin überzeugt: wir wissen noch viel mehr überhaupt nicht. Diese Haltung würde diversen Wissenschaftern manchmal gut stehen.
Hilfe, worauf sollen wir uns dann verlassen? Auf das Leben und wie es geht, gesund zu bleiben. Dass Gesundheit eben nicht nur den Körper und messbare Werte umfasst, sondern auch den Geist und vor allem die Seele. Also frag dich auch: was nährt deinen Geist, was nährt deine Seele? Und dann geh und versorg dich damit, so gut es eben momentan geht. Und lass dich nicht von der Angst leiten, sondern vom Leben. Das sich niemals kontrollieren wird lassen und immer einen Weg findet, auch wenn wir diesen nicht verstehen. Drum: lebe dein Leben, so bunt wie möglich und so geregelt wie unbedingt nötig und freu dich daran.
Denn auch wo Freude ist, hat Krankheit weniger Chance.
Und nun meine Abschlussfrage: warum war/ist HEUTE ein guter Tag für dich? Schreib in die Kommentare …
#1Elke Gruber-Franthall (Freitag, 23 Oktober 2020 12:48)Danke dir liebe Kerstin, für deinen wirklich treffenden, wertvollen Text!!! Es ist wie es ist. Es geht darum mehr denn je darum, in der eigenen Balance zu bleiben, das bunte Leben zu leben, jeder für sich und gemeinsam (mein bunt ist, ja nicht das bunt des anderen ;-)) Da gibts so viele Gründe für „meinen“ guten Tag. – Das Strahlen meiner Kinder in der früh, selbst wenn ich mal schwer aus dem Bett komm ;-)) was heute nicht der Fall war!!! – So herzberührende Gespräche beim Kindergartenbus, – einen Vormittagszoomcall mit einer Freundin in der Schweiz, der mich sehr berührt hat und einfach, echt und ehrlich war. – Die Vorbereitung meines eigenen Workshopreihe „Auszeit“, auf die ich mich riesig freu und die TeilnehmerInnen ebenso. – Ein strahlendes Lächeln der Nachbarin,… und – freie Mittagszeit für mich alleine (bei 3 Kindern sehr sehr besonders wertvoll!!). – und es ist erst 12:48 Uhr, was da noch alles kommen mag, ich lasse mich überraschen. Alles Liebe dir und weiterhin sooo viel erkennen der guten Momente in unsere aller LEBEN!!! Elke
#2Birgit Buchinger (Freitag, 23 Oktober 2020 17:30)ich habe gerade täglich in der Arbeit mit Maskengegnern zu tun im Handel. Das strapaziert die Nerven und Geduld meinerseits sehr. Dein Beitrag ist wunderbar und hat mir gerade jetzt sehr geholfen. Vielen Dank Wenn man im Arbeitsstress drin ist, ist es von selber oft schwer einen anderen Blickwindel zu bekommen, dank Dir ist mir das jetzt gelungen
Liebe Grüße
#3Elisabeth (Sonntag, 01 November 2020 19:58)Liebe Kerstin, danke für deinen wertfreien Zugang zur aktuellen Situation, die uns alle im gleichen Ausmaß be-triff im wahrsten Sinne des Wortes. Heute war mein Tag gut und schön, weil ich Zeit mit meiner Familie in der frischen Luft und in der schönen herbstgefärbten Natur verbringen durfte. Weil Du mir mit Deinen positiven Worten den Abend versüßt. ���
Weißt du was „ghosting“ ist, oder ein e-girl /e-boy? Welche Angst ein FOBO hat und was man unter „benching“ versteht? Nein? Gut, dann geht’s dir ähnlich wie mir vor nicht allzu langer Zeit. Das sind Begriffe der digitalen Welt und wer sie nicht versteht, gehört zwar noch nicht zwingend zum alten Eisen, weiß aber vielleicht morgen schon nicht mehr so genau, wovon die eigenen Kids gerade – oder irgendwann – reden.
DIGITALE MEDIEN in Familien
Smartphones, Smartwatches, Tablets, Laptop und CO sind längst Teil unserer Alltagsrealität. Wir lieben den Nutzen dieser Geräte und in vielerlei Hinsicht sind sie auch super praktisch und unterstützen uns im Alltag als Eltern und als Paar.
Still und heimlich können sich aber auch ungeliebte Verhaltensweisen einschleichen und das kann JEDE Person treffen. Wie oft nehmen wir das Smartphone in die Hand und verzetteln uns dann woanders und lassen unsere kostbare Zeit auf diversen Plattformen liegen.
Als Erwachsene und Eltern ist es nicht nur sinnvoll, sondern notwendig, den eigenen Konsum digitaler Medien immer wieder oder öfter bewusst zu reflektieren und auch aktiv zu besprechen. Erfahrungsgemäß ist der Partner ein recht guter Kritiker des eigenen Verhaltens. Dies lohnt sich insbesondere, weil scheinbar harmlose Gewohnheiten von uns Eltern massive Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder haben können – die, JA zugegeben – noch nicht langfristig erforscht werden konnten. Je jünger die Kinder, desto dramatischer kann man aber schon mal verraten! Es sind eher Alltagsbeobachtungen und persönliche Erfahrungen, die den folgenden Tipps zugrunde liegen.
Elternschaft in digitalen Zeiten: 5 ESSENTIAL TIPPS
was für eine gute Bindungs- und Beziehungsentwicklung notwendig ist:
1. CHECK YOUR CHECKING BEHAVIOR
Beobachte dich selbst und vor allem deinen digitalen Medienkonsum. Nicht nur über diverse Apps zur Kontrolle der Bildschirmzeit – du kannst diese gern nützen, als zusätzliche Unterstützung. Wenn du richtig gut reflektieren willst, wie oft du Mails, Messages oder Social Media Plattformen checkst, dann führe mal eine Woche ein Mediennutzungs-Tagebuch und trage genau ein, wann du wo wieviel Zeit investierst. Danach kannst du überlegen, wie viel davon produktiv ist und wieviel Genuss du dir auch gönnen magst. Beides ist okay, solang du halbwegs die Kontrolle darüber hast!
2. STÖRUNGSFREI GEBUNDEN
Bindungsaufbau – speziell bei Säuglingen und Kleinkindern ist sehr störungsanfällig. Babys brauchen so oft wie möglich unsere ungeteilte Aufmerksamkeit, besonders bei pflegerischen Handlungen oder beim Füttern oder Stillen! Daher darf es ein absolutes Gesetz sein: kein Handy, Tablet oder TV beim Stillen, Baden, Waschen, Wickeln, anziehen – ALLE deine Sinne sollen beim Kind sein. So kommst du schnell und gut in deine Beobachter Position und lernst Signale deines Kindes nicht nur rascher sondern richtig zu deuten!
3. SMARTPHONEFREIE ZEITEN & ZONEN
Es lohnt sich, darüber nachzudenken, bewusst zu reduzieren. Entweder oder und: ZEITEN und ZONEN. Zeiten können zum Beispiel der Nachmittag oder der Abend sein, je nachdem wann DU bewusst Zeit und Aufmerksamkeit für dich und dein Kind, deinen Partner haben willst, bzw. sie es von dir brauchen. Und ZONEN können zum Beispiel der Esstisch sein, damit dies immer der Platz für synchrone Kommunikation bleibt, und jeder in ein anderes Gesicht sieht anstatt auf die Rückseite eines Bildschirms. Je älter die Kinder, desto wichtiger wird auch das gemeinsame Aushandeln von solchen Vereinbarungen.
4. LET’S TALK ABOUT IT
Sprecht regelmäßig über euer Verhalten und eure Gewohnheiten in Bezug auf Medien. Fangt damit an, das eigene Verhalten zu reflektieren und das dem Partner, der Partnerin zu schildern. Meist hat man selbst einen halbwegs konkreten Blick auf die Dinge. Danach bitte deinen Partner, eine Einschätzung deiner Schilderungen zu machen. So bleibt ihr hoffentlich von gegenseitigen Vorwürfen und Anklagen verschont, sondern geht konstruktiv und bewusst mit euren eigenen Fähigkeiten um. Nützt hier auch die vielen Tools, die Familien zur Verfügung stehen, die den Alltag auch erleichtern können und besprecht, was für euch passen könnte (z. B. Einkaufs-Apps)! Ein positiver Zugang ist wichtig und gut und darf auch hier erhalten bleiben!
5. GEMEINSAM SIND WIR STARK
Kinder lernen anhand des elterlichen Verhaltens, daher ist das gemeinsame Handeln in der realen Welt wichtig. Alles in diesen so kleinen Computern (Handy, Smartwatch, Tablet, Spielkonsolen und CO) ist nicht einfach platte Technik, die optisch schön aufbereitet ist. Dahinter stecken Armeen von Psychologen und Designern, die alles daran setzten, dass du möglichst oft möglichst viel Zeit dort verbringst, nochmal reinblickst und nochmal mehr Zeit hergibst. Allein gegen „so Viele“ dahinter fühlt man sich oft wehrlos. Sich DAS bewusst machen, dass man nicht selbst so schwach und verführbar ist, sondern bis ins Kleinste ausgeklügelte Systeme dahinter stecken und perfekt auf uns wirken, hilft, wenn wir uns dagegen stemmen, die Kontrolle zurück gewinnen und uns gegenseitig bestärken: DU bist stärker, du hast einen freien Willen, DU entscheidest, was du mit deiner Zeit machst!
DEN TEUFEL AN DIE WAND MALEN – NOT!
Alles in allem geht’s – besonders mit größer werdenden Kindern, die selbst mehr oder weniger viel Zeit im Netz verbringen – darum, die Verwendung der digitalen Geräte nicht ausschließlich zu verteufeln. Das würde lediglich dazu führen, dass alle Beteiligten sich schlecht dabei fühlen, mit Handy, Konsole & Co zu hantieren und … let’s face the truth: ganz OHNE geht es für die meisten von uns kaum noch.
Das sollte auch nicht das Ziel sein, sondern ein konstruktiver Umgang MIT den Dingern, so dass wir die positiven Effekte, die durchaus damit erzielt werden können auch geschätzt werden können.
IMMER WIEDER: KOMMUNIKATION
Mach es also zu einer absoluten Aufgabe, die Erlebnisse der digitalen Welt in die positive zwischenmenschliche Kommunikation einzubinden bzw. diese zu fördern. Frag dein Kind: „Was hast du heute in der digitalen Welt erlebt / gesehen / gelernt?“ und versuche nach zu empfinden, oder zumindest zu spiegeln, was dein Gegenüber dir erzählt.
Ganz ehrlich: oft komme auch ich nicht mehr mit, wenn mir die Kids darüber berichten, doch es reicht schon, wenn ich in dem Gespräch ihren Tonfall, die Mimik, Gestik und Körpersprache beobachte und ihnen dann rückmelde, was ich sehe: dass sie sich gefreut haben, einen Erfolg erlebten, schockiert über Etwas waren oder sich begeistern haben lassen.
Allein das Wahrnehmen und Schildern dieser Eindrücke ist schon ein gutes Beziehungsangebot, das wir nützen sollten. Und du wirst staunen, wie auskunftsbereit die Kinder sind, was diese Dinge betrifft. (Jedenfalls je jünger, desto eher ;-). )
Betrachte auch digitale Erlebnisse als Möglichkeit zur Kommunikation, hol sie dort ab, wo sie sich befinden und versuch immer wieder auch bewusst, gemeinsam mit ihnen den Medienkonsum zu gestalten.
Natürlich brauchen Kinder dabei erwachsene Unterstützung und Begleitung, denn allein sind sie in der großen weiten, digitalen Welt sicherlich schnell verloren.
Dabei kann das IBAN-Prinzip helfen.
Interesse zeigen
Begrenzungen aushandeln oder setzen
Alternativen anregen
Normalisieren und neu orientieren
Ich hab mir die Erkenntnisse des letzten Wochenendes schon sehr zu Herzen genommen und stelle fest, dass die Konflikte rund um das „AUSSCHALTEN“ weniger geworden sind. Es sprudelte oft gerade zu aus ihnen heraus, wenn ich mich interessiert gezeigt hab und danach war auch die Kooperationsbereitschaft deutlich höher als zuvor.
Wo zeigen sich bei euch die meisten Konflikte?
Was würd dich im Umgang mit digitalen Medien noch ausführlicher interessieren?
Lass es mich wissen ….
AUFLÖSUNG:
ghosting: ein im Internet aufgebauter Kontakt verschwindet „spurlos“, wie ein Geist benching: etwas immer wieder aufschieben, vertrösten („auf die lange Bank“ schieben) FOMO: = fear of missing out (dass man was Wichtiges versäumt) FOBO: = fear of better option (sich nicht festlegen wollen, könnt ja was Besseres kommen!) egirl / eboy: „Trend“ aus Asien, der bestimmten Kleidungsstil / Ausdruck beschreibt aggro: aggressiv sein
In Familien geht’s rund. Ein Kind will die Hausübung nicht machen. Eins streitet mit dem Nachbarmädchen. Die Wäsche soll aufgehängt werden und Brot ist auch keins mehr da. Im Job muss noch ein wichtiges Projekt abgeschlossen werden und wer soll nochmal die Mädchen vom Tanztraining holen? Bedürfnisse, … und wie wir mit ihnen umgehen.
DIE ZERREISSPROBE
Jeder will was Anderes und zwar sofort und voll und ganz. Ich will aufbrechen und das Kind jetzt die Legoburg fertig bauen, ich fordere, dass sich der Sohn an der Hausarbeit beteiligt und er will lieber zocken, ich freu mich, meine Freundin endlich wieder mal zu treffen aber die Kinder brauchen Unterstützung beim Vokabel lernen, ich will dass die Hausübung rasch erledigt wird, doch das Kind will lieber Nachbarhühner beobachten, ich will einen ruhigen Abend haben und die Töchter üben zu ohrenbetäubender Musik die neue Tanzchoreo. Und doch wollen wir alle dasselbe. Das Problem ist nur – wir wollen dieselben Dinge zu unterschiedlichen Zeiten.
UNIVERSELLE BEDÜRFNISSE
Wer braucht nicht ab und zu Ruhe, dann aber gern wieder Aktivität? Wer will nicht dazugehörig sein und dann wieder Autonomie leben können? Wer braucht nicht ab und zu Klarheit neben aller Kreativität? Wir brauchen das Recht zu Trauern genau so wie das Recht zu Feiern und wir alle brauchen Leichtigkeit, Liebe und Humor, um gut leben zu können.
Man spricht dabei von universellen Bedürfnissen – von Bedürfnissen, die eben jeder Mensch hat, wo niemand sagen kann: nein, ich brauch keinen Respekt oder Unabhängigkeit? Harmonie, Gleichwertigkeit, Spiel, Kreativität, Sicherheit – nicht notwendig, danke!? Nicht jeder hat jedes Bedürfnis im gleichen Ausmaß, doch was wir brauchen, um gut leben oder überleben zu können, besonders in Familien, wo Bedürfnisse oft Karussell fahren, ist oft schwerer entdeckt als man meint.
ÜBER LEBEN
Von Maslow über Rosenberg bis hin zu Hüther haben sich schon eine Menge schlaue Leute den Kopf über Bedürfnisse zerbrochen und immer wieder versucht, sie sinnvoll einzuteilen. Denn ja, es gibt existenzielle Grundbedürfnisse, welche, die für Verbindung und Sicherheit zuständig sind und darüber hinaus „Entwicklungsbedürfnisse“ wie etwa Wachstum, Identität, Engagement, Einklang, Individualität oder Sinn. Grundlegende Bedürfnisse sind immer – wie das Wort schon sagt – wichtig, um überhaupt aus dem Überlebens-Modus raus zu kommen und sich für eine gute Verbindung zu Mitmenschen zu interessieren und vielleicht darüber hinaus persönliche Entwicklung anstreben oder sich überhaupt wünschen zu können.
IN FAMILIEN
Und manchmal funktionieren Familien eher im Überlebens- Modus als in ästhetischer Harmonie, innerer Freude und Ausgewogenheit.
Da ist es eher ein: „…haben heut eigentlich alle schon gegessen“ und „die müssen jetzt ins Bett, sonst sind sie morgen hundemüde“, als ein: „…lass uns schauen, wie das Stück am Cello noch schöner interpretiert werden kann“ oder „warten wir doch einfach, bis uns die Muse küsst“.
„Sie hat meine Jacke genommen – ich erfriere ja am Weg zur Schule!“
„Wer hat mein Jogurt gegessen, da stand doch extra mein Name drauf!“
„Das Wasser ist kalt, haben wieder alle so lang geduscht, dass ich jetzt keins mehr übrig hab!?“
„Wann bekomm ich endlich mein eigenes Zimmer – ich halt’s hier nicht mehr aus mit der da!“
„Ich hab hier keinen Platz, räum doch bitte mal deine verflixten Spielsachen weg!“
Schon eher, nicht wahr?!
WENN ES RUND GEHT
Ich stelle mir das so vor. Die Bedürfnisse sitzen im Karussell und fangen an sich zu drehen, die Geschwindigkeit nimmt zu und was sich zuerst noch ein wenig nach Spaß und Abwechslung anfühlt wird ganz rasch zum Kotzfaktor (entschuldige den Ausdruck), denn es wird einem übel, man spürt sich selbst schlechter und kann das gegenüber schon gar nicht mehr wahrnehmen, weil sich alles so schnell dreht, geschweige denn dessen Bedürfnisse. Die Zentrifugalkraft drängt uns auseinander und wir werden nur mühsam von einem (hoffentlich guten) Geländer zusammengehalten, damit es uns nicht durch Himmel und Mond wirft.
Es drückt im Rücken und es gilt, Runde um Runde – also Tag um Tag – zu überstehen.
WORTE FINDEN
Die große Herausforderung für Eltern ist immer wieder, nicht nur die eigenen Bedürfnisse zu erkennen, zu benennen und nach geeigneten Strategien zu suchen, um die unerfüllten Bedürfnisse zu decken, sondern die der Kinder noch mit dazu.
Und das fängt speziell dann an, schwierig zu werden, wenn die Erwachsenen in der Familie selbst ihre Tanks nicht gut genug auffüllen konnten und vielleicht unausgeschlafen, überlastet, unsicher oder hungrig und mit dem Bedürfnis nach viel Ruhe und Harmonie auf die Kinder losgelassen werden.
Denn Kinder haben selbst – je jünger sie sind, um so mehr – nicht die Möglichkeiten oder die Kompetenz, ihre Bedürfnisse auszudrücken und nach geeigneten Lösungsansätzen zu suchen. Sie schreien, werden wütend, ziehen sich zurück, blocken ab, werden aggressiv, ungeduldig oder übergriffig und finden sich in einem Strudel von Negativität wieder, den sie nicht recht zuordnen können. Dazu brauchen sie uns als Erwachsene. Mit unserem Wortschatz, unserem Know-how, unserer Lebenserfahrung und alle Empathie, die wir aufbringen können. Weil sie zwar von „negativen“ Gefühlen überrollt werden (sie sind die Warnsignale für einen leer gewordenen Tank!), ihnen aber die Worte dafür fehlen.
DAS TEMPO DROSSELN
Statt „… bitte, jetzt stell dich doch nicht so an!“ könnte man auch sagen…
„Ich sehe, du möchtest jetzt viel lieber weiter Kappla bauen als zum Kindergarten gehen!“
„Ich sehe, du schläfst fast bei der Hausübung ein, brauchst du eine Pause und frische Luft?“
„Du bist ja furchtbar wütend, wo willst du denn das jetzt rauslassen? Hau‘ mal den Boxsack!“
„Deinen Frust spür ich richtig – was könntest du tun, damit es dir besser geht?“
„Du drehst dich weg und sprichst nicht mit mir – willst du jetzt allein sein oder soll ich still da bleiben?“
Wenn du versuchst, die emotionale IST-Situation des Kindes zu erfassen und in Worte zu kleiden, drosselst du sprichwörtlich das Tempo am Karussell, es beginnt langsamer zu werden und das Kind kann eventuell klarer sehen und sich spüren – und du dich ebenfalls. Das ist der wichtigste Schritt beim Umgang mit Bedürfnissen: richtig erkennen und benennen.
ICH! WILL! ABER! JETZT!
Und wenn’s dann nicht möglich ist, das Bedürfnis zu erfüllen? Es soll ja vorkommen, dass wir trotzdem JETZT zur Oma fahren wollen, dass JETZT kein Jogurt mehr da ist und dass JETZT die eine, geliebte Jacke nicht verfügbar ist, dass JETZT trotzdem Kooperationsbereitschaft verlangt ist und ein offenes Bedürfnis warten muss auf die Erfüllung.
So ist das Leben. Es gibt keine Regel, wann ein Bedürfnis unbedingt erfüllt werden muss und wann es Aufschub erträgt.
Fix ist allerdings: je jünger das Kind (denk schnell an Neugeborene!) desto dringender und existenzbedrohender ist JEDES auftretende Bedürfnis und es ist unsere Aufgabe als Eltern, diese zu decken. Je älter Kinder werden, desto eher können sie auch mal mit Bedürfnisaufschub leben und ein Vertrösten ertragen. Und ein Satz stimmt für mich auch vollkommen: unerfüllte Bedürfnisse kehren wieder – erfüllte Bedürfnisse können gehen. (Mal abgesehen von den körperlichen und existenziellen Bedürfnissen.)
Daher zahlt es sich aus, nach alternativen Lösungen zu suchen. Die für die meisten Beteiligten gut gehen, dann nicht immer werden ALLE alle Bedürfnisse erfüllt bekommen. Aber wer mich kennt, der kennt auch diesen Satz: den MEISTEN soll es meistens gut gehen. Das wäre so ein grober Plan.
THANK GOD THERE’S a GLANDA
Ich bin selbst diese Woche schon zwei mal (in echt!!) Karussell gefahren. Und die Bedürfnisse dieser Woche quasi dauernd in Höchstgeschwindigkeit fast bis zum Punkt des Erbrechens (… ein Kind hat sich tatsächlich einmal des nächtens übergeben – was für ein Zeichen). Es kann schnell kippen von – ui, lustig, so viel Lebendigkeit und Spaß – hin zu „das wird jetzt zu viel und zu schnell und überhaupt“.
Da bin ich wieder dankbar für das Geländer: eine sichere Umgebung, Menschen, die dich auffangen und aushalten und die Möglichkeit selbst zu reflektieren. Darüber, was wir sind und was wir sein könnten.
Nämlich Wesen mit gleichen Bedürfnissen, gemeinsam unterwegs und miteinander verbunden und ausgestattet mit der Fähigkeit auf uns selbst und andere zu schauen, aneinander zu wachsen und voneinander zu lernen.
Wie schnell dreht sich dein Karussell gerade? Stufe 0 ist Stillstand, Stufe 10 ist Höchsttempo: sag an, ich bin neugierig auf deine Antwort …
Es gibt ein Land, das existiert nur in unseren Köpfen und wir alle sind wohl schon mal dort gewesen. Weil wir Menschen nach verschiedenen Kriterien, ihrer Gesinnung, dem Aussehen, ihrer Religion, einer Haltung, ihrem Geschlecht, sexueller Neigung, dem Alter, … – bewertet haben und dann in eine Schublade gesteckt haben. Das ist Schubladistan. Ich versuche hier zu erklären, warum es für dieses Land eine Reisewarnung geben sollte.
SEHNSUCHT NACH ORDNUNG
Menschen wollen vielmals Ordnung schaffen, um Sicherheit zu gewinnen, um Orientierung zu bekommen und Einfachheit in ihre – unsere – hochkomplexe Welt zu bringen, die – JA, ehrlich gesagt – immer schwerer zu verstehen oder gar durchschauen ist. Deswegen versucht man daheim aufzuräumen, jedem Ding seinen Ort zu verpassen und in Kästen oder Schubladen zu verstauen, was so im Alltag Teil unseres Lebens ist.
Was mit Gegenständen noch relativ unverfänglich ist und manchmal sinnvoll und schön (aufräumen, bzw. in ein schön aufgeräumtes Zimmer gehen), machen wir aber auch mit anderen Dingen im Leben. Nein, eben nicht mit Dingen, sondern mit Menschen. Wir haben innere Bilder und Zuschreibungen für bestimmte Personen(gruppen) usw. und stecken sie in die jeweilige Schublade, natürlich vergessen wir nicht drauf, auch noch unsere Bewertung dazu zu packen.
Daumen hoch. Oder Daumen runter. So einfach geht das.
Dass es allerdings längst nicht so einfach ist, zeigt eine jüngst entbrannte Debatte in der bedürfnisorientierten (BO) Elternszene, die mit rechts-außen Gedanken in Verbindung gebracht wurde. Was Schlimmeres kann man manchen BO Eltern gar nicht nachsagen. Daher hab ich mir für diesen Blog ein paar Schubladen ausgesucht, die man in Schubladistan wohl aktuell findet und wo wir alle zusammen mal „raus denken“ sollten. #thinkingoutsidethebox
Schublade: HAUSFRAUEN od. HAUSMANN
Hausfrauen sind einfältige und unterdrückte weibliche Wesen, die von dominanten Partnern vom Arbeiten abgehalten werden und zu faul sind, ihre Karriere aufzumöbeln. Hausmänner sowieso.
Schon mal überlegt, dass es Frauen geben mag, die die Kümmerarbeit (Care) in der Familie gern erledigen und davon auch total erfüllt und zufrieden sind, dass diese trotzdem weltoffen und gebildet sein können und eine ebenbürtige, gleichwürdige Partnerschaft leben? Dass die sich sehr wohl für den eigenen Beruf und Selbstverwirklichung interessieren, aber vielleicht nicht in dem Ausmaß und lieber mehr Zeit und Energie für die Familie aufwenden als für den Spagat in der Doppelbelastung.
Schublade: FEMINIST(IN)
Feministinnen sind männerfeindliche Furien, die sich nicht für Kinder und Familie interessieren und aus ihrer Opferrolle als Frau nicht heraus kommen, eigentlich nur mal einen richtigen Mann „brauchen“ und das macht sie frustriert und verbittert und somit frei von Humor und Leichtigkeit.
Schon mal überlegt, dass es bei Feminismus erstens um Gleichberechtigung geht und man auch als Mutter und Hausfrau feministisch sein und denken kann? Feministinnen brauchen nicht zwangsläufig eine steile Karriere, einen Ehemann „unterm Schlapfn“ (wie man gut oberösterreichisch sagt) oder ein humorloses Leben, es gibt auch entspannte, lustige überzeugte Feministinnen (und Feministen: das wär nochmal eine eigene Schublade: Frauenversteher, Einschleimer, Weichei und so. NOT!!)
Schublade: VERSCHWÖRUNGSANHÄNGER
Verschwörungstheoretiker sind extrem und durch ihre mangelhafte Information und den Hang zum Unwissenschaftlichen leicht zu blenden, sie fühlen sich stets als Opfer und von aller Welt belogen und betrogen. Und Nazis sind sie auch allesamt, siehe Berlin.
Schon mal überlegt, dass es Menschen geben mag, die allgemein gültige Mainstream Meinungen hinterfragen und sich für Hintergründe und Unausgesprochenes interessieren. Die vielleicht zurecht kritisch nachhaken und einfach nur der Wahrheit ein Stückchen näher kommen wollen und nicht gleich alles fressen, was Medien ihnen servieren? Nur, weil man mit aktuell öffentlicher Meinung oder Meinungsmache nicht konform geht, heißt das nicht, dass man ein tölpelhafter Ignorant ist und Wissenschaft grundsätzlich ablehnt.
Schublade: BINDUNGSORIENTIERTE ELTERN
Bindungsorientierte Eltern sind überbehütende, verweichlichte Mütter und Väter, die ihre Kinder nicht loslassen wollen und sie verziehen indem sie ihnen jederzeit jeden Wunsch von den Augen ablesen und ihnen nie zeigen, wie hart die Welt da draußen ist.
Schon mal überlegt, dass auch bindungsorientierte Eltern ihre Kinder früh in Fremdbetreuung geben können, sich gerne selbst verwirklichen und Kinder gerade durch die bedürfnisorientierte Begleitung auf die „harte Welt“ vorbereiten? Dass bindungsorientierte Eltern sowohl Impfbefürworter sein können als auch rechtsextrem oder linksextrem politisch gesinnt? Es gibt bindungsorientierte Karrierefrauen und bindungsorientierte Helikoptermütter und alles dazwischen, weil Bindungsorientierung eben nur eine Facette ihres Menschseins ist.
Schublade: IMPFKRITIKER
Impfkritiker sind ignorant und esoterisch angehaucht, sie verleugnen die Wissenschaft und gefährden wissentlich und absichtlich andere Bevölkerungsteile, außerdem sind sie unbelehrbar und können nicht sachlich diskutieren.
Schon mal überlegt, dass Impfkritiker sich sehr wohl wissenschaftlich mit dem Thema befasst haben, nur andere Studien kennen (nach dem Motto: trau keiner Studie, die du nicht selbst gefälscht hast), dass sie andere keineswegs gefährden wollen aber die eigene Gesundheit wichtiger empfinden und jedem seine freie Meinung dazu lassen können, was ein pro oder kontra Impfung betrifft? Es gibt Impfkritiker, die mehr zu dem Thema wissen als durchschnittliche Hausärzte und es gibt Impfbefürworter, die noch nie einen Beipackzettel einer solchen gelesen haben. Und wie so viele Themen ist auch dieses herrlich emotional aufgeladen und darf gerne sachlich UND emotional debattiert werden.
Schublade: CORONALEUGNER
Coronaleugner sind Dummköpfe, die keine Gefahr erkennen und sich wegen der unsicheren Zeit einfach wehren gegen diese neuartige Bedrohung, sie können nicht mal ein bisschen auf ihre persönliche Freiheit zugunsten der Allgemeinheit verzichten und rebellieren wegen Nichtigkeiten wie Maskenverordnungen.
Schon mal überlegt, dass man sehr wohl in Frage stellen kann, wie sinnvoll etwaige verordnete Maßnahmen sind und die Gefährlichkeit des Virus versucht zu erfassen, sich mit Zahlen beschäftigt und nicht mit Esoterik und am Ende weder Leugner noch Regierungsfan sein könnte?
Es gibt tausende solcher Boxen in Schubladistan und wir versuchen dauernd, Menschen darin einzuteilen.
Raus aus der einen Box, rein in die andere. Was in anderen Schubladen – vielleicht sogar gegensätzlichen – passiert, ist grundsätzlich verkehrt und falsch. Ich hab hier nur ganz wenige beschrieben, doch für alle möglichen gilt:
ACHTUNG, REISEWARNUNG!!!
Ich spreche hiermit eine Reisewarnung aus. (Note to self:) Begib dich nicht so oft nach Schubladistan, sondern versuche, dir eine innere Ampel (oh, sorry für den Querverweis: Bei Ampelphobie geht auch ein Glöckchen ;-)) zu installieren, die dich blinkend warnt, wenn du das Land von Festschreibungen, Beurteilungen, Kategorisierungen und Bewertungen in Gedanken betrittst.
WARUM?
Weil es dich und uns alle in unseren Möglichkeiten aufeinander zu zu gehen schmälert. Weil wir Toleranz und Akzeptanz brauchen für ein menschliches Miteinander. Weil wir uns dort klein machen und abkapseln statt gemeinsam stark zu sein. Weil Unterschiedlichkeit und Diversität ein Gewinn ist für alle und kein Ausschlussgrund. Weil das „sich-aus-der-Box-denken“ ein enormes Lern- und Entwicklungspotenzial bietet. Weil es Sicherheit dort nur vermeintlich gibt und du sie wenn dann mit deiner Freiheit bezahlst. Weil wir Brücken bauen sollten, als uns voneinander abzuschotten. Weil wir uns dafür interessieren sollten, wie andere Menschen denken und warum.
Auch wenn uns manchmal – oder immer öfter – das Verständnis für den jeweils anderen Zugang, eine Meinung, ein Lebenskonzept, eine Beziehungsphilosophie oder pädagogische Strategien fehlt, wir brauchen das MITEINANDER und FÜREINANDER. Strenge Schubladen verhindern das. Wir sind nicht alle gleich.
Nicht alle Mütter sind gleich. Nicht alle Feministinnen sind gleich. Nicht alle Vorgesetzten sind gleich. Nicht alle *you name it* sind gleich. Glücklicherweise. Es lebe die Vielfalt!
#1Lisa (Freitag, 25 September 2020 11:05)Genial geschrieben. Bitte mehr davon!
#2Monika Schubert (Sonntag, 27 September 2020 13:43)Schublade ALTERSSTARRSINNIGE Altersstarrsinnige sind festgefahren, untollerant, demenzanfällig…Schon mal überlegt,dass man nach längerer Lebenszeit auch Erfahrungen gesammelt hat, auf die man zurückgreifen kann. Sich nicht mehr von jedem Mainstream überrollen lässt und sich nicht mehr ständig optimieren will. Eigene Grenzen kennt und sie auch verteidigt. Trotzdem gefällt es mir, wenn ihr den Mut habt Grenzen aufzubrechen und neue Wege wagt. In diesem Sinn: „Nur weiter so!“
#3Kerstin Bamminger (Montag, 28 September 2020 09:19)Monika, vielen Dank! Das Alter hat definitiv Vorteile und ich find auch, dass oft jüngere Menschen starrsinniger und konservativer sein können als Ältere. Es ist Vieles keine Frage des Alters, sondern eine Frage der Haltung! 😉
#4Corinna (Montag, 28 September 2020)Genial geschrieben! Und vielleicht regt es den einen oder anderen an, auch mal die Scheuklappen und Masken abzunehmen und den Horizont zu erweitern 😉
Es scheint ein zutiefst menschliches Verhalten zu sein: wir vergleichen gern. Wir vergleichen uns, das, was wir haben und das, was wir tun. Scheinbar ständig und, was das Ganze erst richtig fatal macht: immer gekoppelt mit einer Bewertung.
Warum wir so stark zum Vergleichen neigen, was das Vernichtende an diesem Verhalten ist und wie wir – zum Beispiel besonders in familiären Beziehungen – andere Wege gehen können, darum geht’s heute im Blogbeitrag.
VOM ERSTEN HERZSCHLAG AN
Wir Menschen lieben es, zu vergleichen. Nicht erst seit Geizhals, Durchblicker, Checkfelix und anderen Vergleichsportalen bekommen wir das Gefühl, das fast schon tun zu „müssen“, weil wir ja nicht schlechter aussteigen, mehr bezahlen oder weniger bekommen möchten. Es zahlt sich auch aus, Sachen zu vergleichen, doch wenn es um Menschen geht, wird dieses Verhalten sehr schnell destruktiv. Und im Grunde beginnt das Drama schon, bevor wir das Licht der Welt erblicken. Schon im Mutterleib werden wir vermessen, bewertet, geschätzt und eingeordnet. In Tabellen, Raster, Bewertungen, Kurven.
Und wir setzten dieses Verhalten gewohnter Weise gern in unserem Leben fort, weil wir es schon von frühester Kindheit an in vielen Bereichen so erleben und das als Normalität annehmen.
WIR KÖNNEN ES NICHT LASSEN
Warum hören wir nicht auf damit, wenn uns doch an jeder Ecke erklärt wird, dass das der eigenen psychischen Gesundheit nicht dienlich ist, wir uns selbst damit schnell erniedrigen und uns dadurch sehr oft schlecht fühlen?
Ich glaube, dass wir in unseren Versuchen, Dinge zu vergleichen, die eigentlich nicht vergleichbar sind, dennoch einer Sehnsucht folgen. Menschen versuchen, ihren Platz im Leben zu finden, Sicherheit zu empfinden und Orientierung zu haben. Wir wollen nicht nur Dinge einordnen können, sondern irgendwie auch uns selbst. Bis zu einem gewissen Grad funktioniert das auch und deshalb können wir es nicht lassen – so sehr wir uns auch bemühen.
Also finde ich, es zahlt sich aus, zu überlegen, wie man vergleicht, ohne sich dabei selbst und andere – besonders die eigenen Kinder (= Geschwister) – unglücklich zu machen. Ein einfaches: tu’s nicht scheint nämlich nicht zu funktionieren.
AUFWÄRTS UND ABWÄRTS
Wenn wir Dinge, Leistungen, Eigenschaften, Zahlen prüfend nebeneinander halten, kommt es immer darauf an, womit wir diese Sachen in Beziehung bringen, sprich: welchen Bezugspunkt wir verwenden. Und vor allem, wie wir diese bewerten.
Beim Vergleichen mit von uns schlechter, unangenehmer oder minderwertiger betrachteten Objekten oder Subjekten fühlen wir uns wunderbar. Unser Gehirn schüttet als Belohnung Domamin in rauen Mengen aus, weil wir uns so herrlich fühlen, wenn wir den Berg schneller erklimmen, eine bessere Schulnote erzielen oder das Kind die ersten Schritte früher macht als das Nachbarskind. Das sogenannte Abwärtsvergleichen macht tatsächlich glücklich und gibt uns ein angenehmes Gefühl, weil wir uns selbst in dieser Situation aufwerten.
Umgekehrt geht es beim Aufwärtsvergleichen in die entgegengesetzte Richtung. Wir finden andere Menschen besser, schöner, erfolgreicher, sportlicher, musikalischer, beneiden sie um ihre Autos, Häuser, Urlaube und Kinder und finden generell das Gras woanders grüner als im eigenen Garten. (Beim Stichwort Rasen liebe Grüße an meinen Göttergatten, der ja auch hier mitliest).
Du kennst bestimmt aus eigener Erfahrung, dass die Vergleiche mit diesen Menschen und Dingen mit zuverlässiger Sicherheit in ein Stimmungstief führen, weil wir uns selbst dabei klein machen, schwächen und abwerten. Und das haben wir uns nicht verdient.
VERGLEICHEN OHNE BEWERTEN
Es ist also illusorisch, sich vorzunehmen, nicht mehr zu vergleichen. Wir tun es ganz einfach. Also lass uns darüber nachdenken, WIE wir es tun. Solange es uns nämlich gelingt, über das Vergleichen etwas dankbarer zu werden, achtsam zu sein und wertschätzend gegenüber dem, was wir im Leben haben, hat ja niemand was einzuwenden. Es geht also darum, die Bewertung außen vor zu lassen. Fest zu legen, was gut oder schlecht ist und starr einzuordnen ohne jegliche Individualität zu berücksichtigen.
TIPP #1
Installiere eine inneres Vergleichs-Warnsystem – zum Beispiel so, wie bald mit der Corona-Ampel (erinnere dich gern jedes Mal an diesen Absatz beim Wort „Corona Ampel“). Wenn du dich selbst dabei beobachtest, wertfrei zu leben ist alles auf grün. Wenn du vergleichst ohne zu bewerten, ist die Ampel gelb (noch nichts ist passiert), doch wenn du beginnst, dich selbst oder deine Lieben abzuwerten und zu erniedrigen, leuchtet das Licht orange oder rot (hochakut!). Es ist immer noch nicht sofort tödlich, doch Vorsicht ist geboten. Und der erste und wichtigste Schritt ist getan: Ich habe wahrgenommen, dass ich beim Vergleichen in die BEWERTUNG gehe.
TIPP #2
Positiv nützen: wenn ich merke, dass ich durch das Vergleichen unzufrieden und unglücklich werde, habe ich zwei Möglichkeiten, zu reagieren. (Bsp: „Meine Freundin ist viel sportlicher als ich!“) Entweder ich nützte die Erkenntnis um mich selbst zu entwickeln und zu wachsen, mich selbst anzuspornen („Ich möchte auch sportlicher sein, deshalb werde ich jetzt regelmäßig laufen gehen“) oder ich nehme die Gelegenheit, mich selbst anzunehmen, wie ich bin und einem etwaigen Optimierungsdrang bewusst zu widerstehenUND kann dennoch das andere gut finden („Ich finde mich auch so okay, ich bin gut und richtig, so wie ich bin und es gefällt mir so eine sportliche Freundin zu haben“). So bleibe ich bei mir selbst und nehme mich trotzdem in meinem Umfeld wahr.
TIPP #3
Betrachte jeden Vergleich als eine Einladung…
… eine Einladung, deine eigenen Werte zu überdenken. … eine Einladung, dankbar zu sein für deine Einzigartigkeit. … eine Einladung, kritisch zu hinterfragen, welche Tabellen, Werte und Zahlen als „Einordnungssysteme“ eher hilfreich oder hinderlich sind. … eine Einladung, altbekannte Denkmuster zu verlassen und neue zu etablieren. … eine Einladung, mutig deine Individualität zu leben und … eine Einladung, die Individualität des anderen anzuerkennen. … eine Einladung, emphatisch mit deinen Mitmenschen zu sein, wenn es ihnen anders geht als dir. … eine Einladung, deinen Wert zu erkennen ohne ihn zwingend einordnen zu müssen. … eine Einladung, gelassen zu bleiben – weil es fast immer irgendwo noch mehr oder noch weniger von was auch immer gibt.
VERGLEICHEN IST MENSCHLICH
Warum es so ist, dass wir unsere eigene Lage oft erst wieder schätzen können, wenn jemand im sozialen Umfeld ein Unglück oder einen Schicksalsschlag erlebt, darüber hab ich schon oft ausgiebig mit lieben Menschen philosophiert.
Der Unfall des Nachbarjungen macht uns betroffen und wir sind froh, intakte Beine zu haben. Die Krankheit der Arbeitskollegin macht uns dankbar für die eigene Gesundheit. Das Unglück einer Bekannten macht uns demütig und wir können anhand dieser Geschichten unser eigene Situation wieder vollends schätzen und glücklich sein darüber.
Auch wenn gerade ein Karton Eier am Boden gelandet ist, das Kind mit einem Bomben-5er aus der Schule heimkehrt und der Flugurlaub für heuer storniert werden musste.
Vergleichen ist menschlich. Solange wir soziale Wesen sind, werden wir diesem Verhalten unterliegen. Wenn wir es nicht mehr tun, sind wir tot. Wovon wir uns aber mehr und mehr befreien können, ist das krankhafte Bewerten, das gegenseitige Schlechmachen, das Erniedrigen und Herabwürdigen von anderen Leistungen, Sichtweisen, Errungenschaften, Talenten, Gesinnungen oder Vorlieben. Egal welchen Lebensbereich das betrifft.
Wir dürfen sehen:
Ich bin so. Andere sind anders. Das ist gut und wichtig. Das ist gut und richtig. Verschiedenartigkeit macht unsere Welt bunt. Eine bunte Welt macht mehr Spaß als eine in schwarz und weiß. Ich darf mich vergleichen. Ich mache das wertfrei. So geht’s mir gut. So geht’s meinem Umfeld gut.
(Falls dich das an eine Werbekampagne der Regierung erinnert, bitte ich um Entschuldigung.) Wo ertappst du dich am ehesten beim bewertenden Vergleichen?
Wobei hat dich schon einmal das Vergleichen mit anderen unglücklich gemacht? Und hast du noch einen Tipp, der dir das Vergleichen ohne bewerten erleichtert?
Ich bin gespannt, was du mir in die Kommentare schreibst …
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