Lockerungen, Erleichterungen, Aufatmen. Warum fühl ich mich gerade jetzt, wo das “Schlimmste” vorüber ist, so fürchterlich? Warum kann ich mich nicht einfach freuen, dass wieder “mehr geht”? Dass wir endlich wieder zusammen lachen, auswärts essen, gemeinsam tanzen können und das auch “offiziell” geduldet wird? Gerade nach einer Krise ist bei vielen Menschen die Luft draußen – sie können nicht mehr. Warum das so ist? Dieser Frage gehe ich heute am Blog nach und hab sechs Tipps für dich, wie du so ein finsteres Tal womöglich überwinden kannst.
DAS GANZ NORMALE LEBEN
Ich war kürzlich mit einer lieben Freundin abends lecker essen. Einer der ersten lauen Sommerabende, ein angenehmer Sitzplatz draußen und rund um uns das Treiben der belebten Innenstadt. Es kamen fast schon Urlaubsgefühle auf, so schön war das. Und in dem Moment hab ich erst gemerkt, wie sehr ich das tatsächlich vermisst hab, in den vielen Monaten zuvor. Zwar nicht das Gastgarten-Sitzen im Jänner aber das ganz “normale” Leben.
WARUM JAMMERN WIR HIER?
Die Leichtigkeit und Unbeschwertheit sind aber längst keine Selbstverständlichkeit. Ich beobachte derzeit, dass es vielen Menschen so geht, dass sie jetzt in ein Loch fallen, die Nerven verlieren, ausgelaugter sind als im Lockdown und darüber hinaus die Welt nicht mehr verstehen, weil: jetzt haben wir’s doch geschafft, oder? Wieso jammere ich?! Sollt es mir nicht eigentlich gut gehen?
Besonders, wenn wir vermeintlich “wenig” Schaden davon getragen haben, nicht oder nur leicht erkrankten, keine existenziellen Sorgen haben und “eh immer so viel möglich war”, wie neulich ein junger Pharmaziestudent voller Unverständnis zu mir gemeint hat.
WARUM GERADE JETZT?
Wem’s “gut” geht, der darf sich also nicht schlecht fühlen? In einem spannenden Gespräch mit meiner Gynäkologin war das neulich auch Thema. Sie meinte, ihre Patientinnen, die teilweise schwere Schicksalsschläge ertragen, Krankheiten erleiden oder andere Diagnosen bekommen, DENEN geht’s schlecht. Aber doch nicht uns, die Haus und Garten haben und arbeiten gehen dürfen und sowieso irgendwie privilegiert sind.
Nun ja. So einfach ist das eben nicht. Denn niemand auf der Welt ist vor Krisen, Depressionen oder einfachen Talfahrten im Leben gefeit. Das psychische Empfinden hängt nicht immer unmittelbar mit gesellschaftlichem Status, Besitz oder Bildung zusammen. So weit, so logisch. Doch warum gerade jetzt, wo doch alles lockerer wird?
BEIM LOSLASSEN DEN HALT VERLIEREN
Die Psychologie hat einen Namen (oh, welch Überraschung) für dieses Phänomen, es nennt sich Entlastungsdepression. Während manche Menschen in der Phase der Anspannung und Überlastung psychische Erkrankungen entwickeln, ist das bei anderen genau umgekehrt. Sie trifft es nachher, wenn die Spannung weniger wird und der Druck sinkt. Wenn man so lange funktioniert hat und alles menschenmögliche getan hat, damit die Dinge weiter laufen. Wenn diese enorme Belastung geschafft ist, dann kann man loslassen und dabei verlieren Menschen auch vorübergehend den Halt.
Falls du dich selbst auch gerade so fühlst, hab ich sechs kleine Tipps für dich, die dir durch diese Talsole helfen können. Besonders hervorheben möchte ich Nr.4, denn kein Blog, kein Zeitungsartikel oder Selbsthilfebuch kann eine kompetente, fachliche Unterstützung ersetzen.
1. VERSTÄNDNIS
Es ist, wie es ist. Wenn es dir jetzt nicht gut geht, erkenne das an und versuche, es zu akzeptieren. Wer mit der Realität streitet, ist immer der Verlierer, heißt es. Und auch wenn es für andere oder dich selbst völlig unsinnig erscheint, dass es dir ausgerechnet jetzt schlecht geht:
DU hast Recht. Wenn DU dich so fühlst, ist es für dich wahr. Und mit dir ist immer noch alles richtig. Der Mensch (und vor allem die Psyche) ist ein Phänomen und jeder ist verschieden. Sei freundlich zu dir selbst, damit hilfst du dir tatsächlich weiter.
2. ANDANTE MIT PAUSEN
Du hast vielleicht jetzt monatelang auf verschiedene Dinge verzichtet: geliebte Lauftreffs, live Yogastunden, die Musikproben, Mädelsabende, deinen Stammtisch oder das Bürogeplänkel am Arbeitsplatz.
Das macht sich bemerkbar und fehlt, weil wir weniger auftanken konnten. Vor lauter Funktionieren hat man nicht Zeit gehabt: zum Anhalten, Durchatmen, Pause machen.
Pausen gehören zum Leben, wie zur Musik. Die letzten Monate waren ein einziges “Presto”, eine Note nach der anderen, in schneller Geschwindigkeit. Die meisten von uns können jetzt ein “Andante” gebrauchen: gemächliches, schreitendes Tempo und vor allem: großzügige Pausen.
3. GEDULD
Besonders, wenn wir krank sind, uns schlecht fühlen, traurig sind oder Beschwerden haben, wünschen wir uns, dass es bitte, bitte schnell vorbei geht. Darum boomen auch Pulverchen, Tabletten und Wundermittel, die versprechen, uns auf Knopfdruck einfach wieder herzustellen. Liebe Grüße an Dr. Böhm, der am liebsten jeden Morgen durchs Radio ein paar Tabletten servieren würde.
Ja, manchmal braucht es auch gute Arznei. Und was wir auch brauchen, ist Geduld. (#notetoself) Weil Heilung und Regeneration Zeit brauchen. So wie ein Handyakku eben seine Zeit benötigt, um 100% zu erreichen, du an der Zapfsäule nicht schneller tanken kannst auch wenn du’s eilig hast, und es halt dauert, bis ein guter Kuchen schön aufgeht. Und vielleicht gelingt es dir, neu zu lernen, geduldig zu sein. Und es auch ein bisschen zu genießen.
4. HILFE HOLEN
Egal, wie schlecht es dir gehen mag. Du brauchst es nicht allein auszuhalten. Es gibt Hilfe, die du dir holen kannst und holen darfst und holen sollst. Allein im dunklen Tal zu wandern ist allemal trauriger und deprimierender als mit jemandem an der Seite. Der Weg wird dadurch nicht unbedingt kürzer, aber möglicherweise ein bisschen heller und wärmer.
Lass dich aufrichten – von Familie, Freunden, Menschen, die’s gut mit dir meinen oder jenen, die das professionell machen und können. Sei dir sicher: Da ist jemand. Und er oder sie ist nur einen Anruf entfernt.
5. SELBSTFÜRSORGE
Ich weiß: selbst dazu fehlt dir oft der Antrieb. Und auch auf der Couch liegen und nix tun, kann selbstfürsorglich sein, ein einfaches Telefonat mit einer Freundin, oder Ohrstöpsel rein und Musik an. Und wenn das alles nicht angenehm klingt, frag dich doch: WAS möchte ich denn gern jetzt tun? Und schau, was sich machen lässt.
Wenn du ein erwachsener Mensch bist, übernimm diese Verantwortung, schau und achte auf dich selbst. Sonst macht das womöglich niemand.
6. EIN GUTER TAG
Wenn das Tal, in dem du gerade wanderst, sehr finster ist, dann ist es eventuell schwer, einen Lichttupfer zu erkennen. Doch wenn du am Ende eines Tages fünf Minuten Zeit verwendest, um darüber nachzudenken: “Was war heute gut?” , dann bin ich überzeugt, dass du irgendetwas findest, auch wenn diese Sache noch so einfach ist. Dankbarkeit ist Übungssache und kann gelernt werden. Und ich bin fast sicher, dass du auch ehrlich dankbar bist, falls du …
… ein Dach über dem Kopf hast. … heute zu essen bekommen hast (oder selbst gekocht hast). … den Luxus von fließendem Wasser (in Trinkqualität) kennst. … einen Menschen hast, den du magst. … jemanden kennst, der dich mag. … geatmet hast und überlebt hast.
UND DANN …
Und dann, wenn du durch dein Tal gewandert bist, so lange wie es eben für dich gebraucht hat, dann kommt die Leichtigkeit und Lebensfreude auch wieder zu dir zurück. Dann wirst vielleicht auch du wieder fröhlichen Herzens an lauen Sommerabenden durch eine belebte Innenstadt schlendern und da vielleicht zwei Freundinnen sitzen sehen, denen das Essen vor lauter Quatschen kalt wird. Und all die anderen Menschen, die sich gerade ihres Lebens freuen.
Verantwortung übernehmen. Wie lernt man das eigentlich? Erwachsene Menschen haben oft genug davon, wollen nicht noch mehr übernehmen und finden es belastend oder schwer, Verantwortung zu tragen. Kinder hingegen streben jedoch auf natürliche Weise danach, mitzubestimmen und selbst zu bestimmen. Erinnerst du dich, wie du manche Dinge als Kind kaum erwarten konntest: so lang aufbleiben, wie man will, selbst bestimmen, was eingekauft werden soll, was in der Freizeit unternommen wird? Ich hab heute 4 Tipps für dich, wie Verantwortung gelernt wird, welche Rolle Eltern dabei spielen und wie wir sie in ein positives Licht rücken können.
KINDLICHE TRAUMATA
Selbstgemachter Ribiselsaft. Den gab’s in meiner Kindheit stets in rauen Mengen, weil so viele Ribiselstauden vorhanden waren, die Früchte verarbeitet und die durstige Kinderschar damit gestillt werden sollte. Ich hab direkt eine Aversion gegen diesen Saft entwickelt, weil es “nie” (in meiner kindlichen Erinnerung) was Anderes gab. So oft dachte ich mir: wenn ich groß bin, kaufe ich mir nur Orangensaft oder Apfelsaft im Tetrapack. Heute bin ich leidenschaftliche Wassertrinkerin und das kindliche Trauma vom Ribiselsaft hab ich so gut wie überwunden.
UND KINDLICHE TRÄUME
Granny Smith Äpfel. Es gab diese berühmte Zahnpasta-Werbung, wo man in den Apfel beißt, ohne Zahnfleischbluten zu haben, vielleicht erinnerst du dich. Jedenfalls fand ich diese Äpfel so gusterlich, ansprechend und geschmackvoll. Und wir hatten dauernd österreichische Äpfel, die auch mal einen Fallschaden hatten oder Flecken und Beulen und mir viel weniger gut erschienen als die leuchtend grünen, perfekten Grannys. Es war so eine schöne Vorstellung, erwachsen zu sein und eines Tages ein Kilo Granny Smiths und ein 12-er-Tray Orangensaft zu kaufen, weil es das Gefühl beinhaltete, selbst bestimmen zu dürfen.
ZWISCHEN KINDLICHEM TRAUM UND ERWACHSENER REALITÄT
Tja, rate mal. Ich hab, wenn’s hoch kommt, zwei mal in meinem Leben diese Äpfel gekauft. Weil mir als junge Erwachsene bewusst wurde, dass Regionalität und Geschmack gut zusammenpassen und wir sicher nicht Obst, das auch bei uns wächst, aus Australien importieren müssen oder sollten. Zwischen dieser kindlicher Traumvorstellung und erwachsener Realität stecken einige Jahre Entwicklung und Reifung. Was mir jedoch an diesen Beispielen bewusst wird: Kinder wollen gern Verantwortung lernen und übernehmen. Und es braucht gute elterliche Führung je nach Alter und Entwicklung, damit diese Übernahme gut klappt. Das erkläre ich gern anhand eines Bildes.
Verantwortung …
… ist wie ein Kuchen, den man am Beginn des Lebens für das Kind komplett übernimmt. Im Lauf der Zeit wird er übergeben. Stück für Stück. Behutsam. Begleitet. Mit Vorbereitung. Damit die Übernahme gelingt.
Bildquelle: Canva
DER KUCHEN DER VERANTWORTUNG
Als Eltern übernehmen wir bei der Geburt unseres Kindes die komplette Verantwortung. 100 Prozent. Den ganzen Kuchen der Verantwortung. Weil Neugeborene praktisch gar nicht für sich selbst sorgen können. Im Lauf der Entwicklung ist es wichtig und richtig, dem Kind kleine Stückchen dieser Verantwortung für sich, zu übergeben. Je nach Alter und Reife kann das auch unterschiedlich schnell gehen und die Stücke können verschieden groß sein. Denn eins ist fix: wer ewig als Elternteil alles mögliche “übernimmt”, nicht “abgibt” und dann erwartet, dass das Kind mit 18 Jahren die ganze Torte auf einmal nimmt und gut damit umgehen kann, der könnte ein blaues Wunder erleben.
WAS KANN DAS KIND WANN
Beispiele für Dinge, die Kinder praktisch von Anfang an selbst bestimmen sollen dürfen:
wie viel körperliche Nähe ich von wem möchte
was und wie viel ich esse und trinke
die Länge der Haare
Anfangs braucht es da auch gute elterliche Beobachtung und Interpretationskompetenz – ich hab das ja schon mal ausführlicher beschrieben. Kinder wollen mitbestimmen und zeigen das auch, darauf darf man sich verlassen. Diese Zeichen sind wichtige Indikatoren für das elterliche Handeln und Antwort auf die Frage: “Ja, wann kann das Kind denn nun …………… allein das Gewand wählen / mit der Schere schneiden / allein zur Schule gehen / die Schlafenszeit selbst bestimmen … (- bitte beliebig einsetzen)?”
Ich gebe gern als Empfehlung mit: wenn das Kind etwas selbst übernehmen möchte und das zum Ausdruck bringt, ist zumindest ein Teil der Aufgabe auch für den Nachwuchs zu bewältigen.
Tipp 1: eine Vorauswahl treffen
Gewand alleine aussuchen?
Freizeitprogramm wählen?
Speiseplan bestimmen?
Wenn Kinder vor dem gesamten Spektrum stehen und sich was aussuchen wollen, sind sie je nach Alter damit (heillos) überfordert. Triff als Elternteil eine für dich passende Vorauswahl, unser diesen 2-3 Möglichkeiten können sich die Kinder dann entscheiden. So wahrst du deine Führungskompetenz UND das Bedürfnisnach Mitbestimmung des Kindes.
Tipp 2: sie gut anleiten
Mit scharfem Messer schneiden?
Auf das hohe Klettergerüst steigen?
Freihändig Radfahren?
Wenn man einfach sagt: “Ja, probier’s halt! Wirst schon sehen, dass das schwer ist!” ist das keine Stärkung, den nächsten Schritt zu gehen. Sag deinem Kind genau, wie du vorgehst, worauf du achtest, was du im Blick hast, worauf du dich konzentrierst, wenn du dies oder jenes tust. Gib hilfreiche Infos und leite an, wie die Aufgabe zu schaffen ist! So werden sie stark für die anstehende Challenge.
Tipp 3: lass dich überzeugen
Allein zur Schule gehen?
Mit dem Rad allein im Ort herumfahren?
Medienzeit selbst bestimmen?
Wir Eltern sind oftmals skeptisch, ob unser Kind das schon bewältigen kann. Statt gleich “Nein!” zu sagen, ist es förderlicher, wenn das Kind eine Chance (oder mehrere) erhält, dich davon zu überzeugen. Begleite das Kind dabei oder lasse dir zeigen und beschreiben, wie es wann was macht und wie es vorgehen möchte. Wenn dein Sicherheitsgefühl (halbwegs 😉 erfüllt ist, dann geht’s zu
Tipp 4: vertrauen lernen
Bei der Freundin übernachten?
Eine Zugfahrt alleine machen?
Das erste Mal fortgehen?
Zugegeben, dem Kind zu vertrauen klingt oft idyllischer als es ist, weil wir mit unseren eigenen Ängsten, Bildern und Glaubenssätzen konfrontiert werden. Doch wenn wir wollen, dass sie verlässliche, starke und bewusst handelnde Erwachsene werden, dann dürfen wir auch mal über unseren Schatten springen. Nur wenn wir sie loslassen, können sie in ihre wahre Größe kommen. Nur wenn wir ihnen viel zutrauen und auch zumuten, werden sie stark und widerstandsfähig.
KEINE EINBAHNSTRASSE
Der Kuchen der Verantwortung wird also Stück für Stück übergeben. Ein wichtiges Detail dabei ist allerdings: das ist keine Einbahnstraße. Wenn ich als Elternteil merke, das Kind kann estrotz guter Anleitung, entgegengebrachtem Vertrauen und einem passenden Rahmen dennoch nicht (was auch immer es dann ist), dann ist es Zeit, dieses eine Stück Verantwortung wieder zurück zu nehmen. “Ich sehe, du brauchst hier noch Unterstützung. Ich helfe dir, daran zu arbeiten, dass du es bald selbst schaffst.” Zum Beispiel. Ohne Groll. Möglichst ohne Ärger. Und ganz wichtig: ohne Vorwurf oder Schuldzuweisungen. Das Leben basiert oft auch einfach auf dem Prinzip von Versuch und Irrtum. Fehler sind keine Schwächen, sondern Gelegenheiten, dazu zu lernen.
LEAN BACK & RELAX
Was ich dir neben den entstehenden Erfahrungen auch wünsche, vor allem aber deinem Kind, ist: dass Versuche gelingen, Vertrauen sich bezahlt macht, du überrascht und überzeugt wirst und du mit Freude und ein wenig Genugtuung zusehen kannst, wie sie mehr und mehr von diesem Kuchen annehmen. Dass sie den Kuchen genießen, sinnvoll verwenden und für sich nützen. Weil Verantwortung immer auch bedeutet, dass man Spielraum zum Gestalten bekommt und hat.
Und, um das auf die Eingangsgeschichte zu übertragen: ich habe heute selbst Ribiselsträucher und mache köstliche Marmelade daraus. Keinen Saft. Ich kaufe ausschließlich österreichische Äpfel (am liebsten direkt beim Bauern). Und ich freu mich, dass ich so viele Dinge in meinem Leben tatsächlich selbst in der Hand hab.
Bei welchem Stück des Kuchens tust du dir (gerade) schwer beim Abgeben? Schreib gern einen Kommentar oder frag mich am MAMAtelefon, wenn du persönlichen Support möchtest!
Ich bin bekannt dafür, Frauen zu stärken. Den Menschen Mut zu zu sprechen und ihnen Rückenwind zu geben. Ich bin bekannt für positive Sprache, eine klare Ausdrucksweise und dafür, meine Klienten aufzubauen, ihnen Zuversicht zu geben und selbst in dunklen Stunden mit ihnen ein Fünkchen Hoffnung zu sehen. Wenn es das braucht, kann ich das Schwere mit ihnen aushalten. Und ich kann auch ganz anders. Besonders, wenn es um meine Kinder geht. Ein persönlicher Status Quo.
In meiner täglichen Arbeit stärke ich Menschen in ihren Beziehungen. Ich mache das von Herzen, mit sehr viel Elan und Begeisterung und in größt möglicher Freiheit. Zumindest war das bisher so. Ich bin meine eigene Chefin, ich kann meine Werte unabhängig definieren, richte mein Tun und Handeln nach inneren Überzeugungen und viel Gelerntem aus und gebe voller Freude mein absolut Bestes für die Menschen, die sich mir anvertrauen. Wie eine Löwin kann ich mich für Menschen und ihre Beziehungen einsetzen. Und am allermeisten für meine Kinder.
PUMPERL G’SUND
Als Eltern haben wir von Anfang an sehr genau überlegt, wie wir mit der Gesundheit unserer Kinder umgehen möchten, wie wir sie bestmöglich stärken und erhalten. Anhand unserer Kinder wurde uns klar, dass der menschliche Körper ein Wunderwerk ist und – wenn er so unverpfuscht wie möglich bleibt – eine grandiose Meisterleistung der Natur darstellt. Wenig eingreifen. Viel auf die Natur vertrauen. Stärken. Ganzheitliche Konzepte und die verschiedensten Heilansätze, die Menschen schon zu Tage befördert haben, nutzen. Wir sind damit bisher so gut gefahren, dass wir bis auf ein paar Cuts, einer angeknacksten Wachstumsfuge und einem kleinen chirurgischen Eingriff weitgehend völlig auf die Dienste der Schulmedizin verzichten konnten. Noch nie Antibiotika. Die sind, wie man so schön sagt: pumperl g’sund.
DANKBAR UND ZIEMLICH STOLZ
Wie so viele Mütter, bin ich bereit, Unglaubliches für meine Kinder zu geben. Ich habe knappe neun Jahre auf Erwerbstätigkeit verzichtet, weil ich meine Kinder überwiegend selbst und zuhause betreuen wollte. Hab gezweifelt, gehadert und gerungen, ob das, was ich mache auch “immer das Richtige” war (und ist) und habe so oft es ging, mein Bestes gegeben. Damit sie gesund sind und bleiben: an Körper, Geist und Seele. Wenn ich die Kids heute anschaue, bin ich nicht nur von einer unglaublichen Dankbarkeit erfüllt, sondern auch ziemlich stolz, denn ich weiß: dass die hier so im Leben stehen, hat viel damit zu tun, wie sehr wir uns angestrengt haben.
WAS WIR JETZT LERNEN DÜRFEN
Die schwierigste elterliche Übung steht uns, glaub ich, aber erst bevor. Wir lernen jetzt, darauf zu vertrauen, dass “das” ausreicht, was wir ihnen bisher mitgegeben haben. Wir schauen zu, wie sie unsere gelebten Werte für sich selbst überprüfen, kritisch beäugen, manche loslassen und andere freudig mitnehmen in ihr weiteres Leben. Wir haben es ungemütlich mit ihnen, weil wir sie zu selbständig denkenden Menschen erzogen haben, die dann eben auch mal elterliche Haltungen hinterfragen. Wir bestaunen sie, wenn sie mutig ihre Pfade in Richtung Unabhängigkeit beschreiten. Wir sind stolz, wenn sie erste eigene Wege gehen, stolpern, wieder aufstehen und den Kopf hoch heben. Wir lernen, loszulassen.
DIE LÖWIN IN MIR
Bis zu dem Zeitpunkt, wo sie für sich selbst alle Entscheidungen treffen dürfen, stehen sie (noch) unter unserem Schutz. Es ist unsere Pflicht als Elternteile, die Kinder zu versorgen und sie zu schützen. Nicht vor dem Leben, Erfahrungen und eventuellen Tiefschlägen. Aber vor Übergriffen, Missbrauch, Benachteiligung und Menschen, die ihnen schaden. Das Beschützen ist längst nicht so idyllisch, wie ich mir das vorgestellt hab. Es ist nicht das gemütliche Kuscheln im Nest. Es ist die Verteidigung und das Aufstehen gegen Ungerechtigkeit, Gefahr oder Wahnsinn, gegen Gleichgültigkeit oder Zwang. Und wenn es sein muss, dann werde ich für meine Kinder zur Löwin. Bereit, sogar das eigene Leben zu riskieren.
WO DER KALTE WIND WEHT
Ich bin mit Pädagoginnen meiner Kinder hart ins Gericht gegangen, weil die Umsetzung der Schulvorbereitung gegen alles sprach, was ich gelernt hatte. Ich habe mich gegen manche ihrer Lehrkräfte aufgelehnt und maßregelnde Gespräche mit Schulinspektoren ertragen. Ich habe heiß mit Ärztinnen diskutiert, die gemeint haben, mich (oder das Kind) von oben herab behandeln zu müssen und die Göttin in weiß spielen wollten. Ich kann sehr giftige Leserinnenbriefe schreiben und politische Parteien mit meinem Senf nerven. Ich weiß ….
… ich kann eine Dampfwalze sein.
… ich hab ein lautes und manchmal loses Mundwerk – say: eine starke Meinung.
… andere hassen mich beizeiten dafür (besonders manche Lehrerinnen der Kinder)!
… dass ich mich dann auch im Ton vergreife und hoch emotional reagiere.
… dass manche Reaktion auch ein wenig länger überlegt werden hätte sollen.
Doch im Grund bereue ich nicht, was ich gemacht hab. Ich hab’s getan, weil ich Unrecht gesehen hab. Weil mir Inkompetenz entgegen kam. Weil meine Kinder Schutz brauchten. Weil ich einstehen wollte für Werte und Haltungen oder auch für andere Menschen. Ich hab auch viel gelernt dabei. Zum Beispiel, dass der Wind an der Front kalt weht.
MEINE KINDER GEB ICH NICHT
Ich habe hohe Ansprüche an mich als Mutter und an alle Menschen, die mit unseren Kindern umgehen. Sie sind mitunter das Wertvollste, was ich hier auf Erden zusammenfabriziert hab. Und auf gar keinen Fall lasse ich sie von jemand oder etwas Anderem “kaputt” machen. Weder psychisch, noch emotional, noch körperlich. Zumindest nicht, solang ich das verhindern kann. Wenn also nun jemand meint, Notfall-zugelassene-Impfstoffe direkt oder indirekt zu verordnen oder unsere Kinder zu Versuchszwecken heran zu ziehen, dem möchte ich gerne mit einem Lied von Reinhard Mey ausrichten: “Nein, meine Kinder geb ich nicht!”
Ich denk', ich schreib' euch besser schon beizeiten
Und sag' euch heute schon endgültig ab –
Ihr braucht nicht lange Listen auszubreiten
Um zu sehen, dass ich auch zwei Söhne hab'!
Ich lieb' die beiden, das will ich euch sagen
Mehr als mein Leben, als mein Augenlicht
Und die, die werden keine Waffen tragen!
Nein, meine Söhne geb' ich nicht –
Nein, meine Söhne geb' ich nicht!
Ich habe sie die Achtung vor dem Leben
Vor jeder Kreatur als höchsten Wert –
Ich habe sie Erbarmen und Vergeben
Und wo immer es ging, lieben gelehrt!
Nun werdet ihr sie nicht mit Hass verderben
Keine Ziele und keine Ehre, keine Pflicht
Sind's wert, dafür zu töten und zu sterben –
Nein, meine Söhne geb' ich nicht –
Nein, meine Söhne geb' ich nicht!
Ganz sicher nicht für euch hat ihre Mutter
Sie unter Schmerzen auf die Welt gebracht –
Nicht für euch und nicht als Kanonenfutter
Nicht für euch hab' ich manche Fiebernacht
Verzweifelt an dem kleinen Bett gestanden
Und kühlt' ein kleines glühendes Gesicht
Bis wir in der Erschöpfung Ruhe fanden
Nein, meine Söhne geb' ich nicht –
Nein, meine Söhne geb' ich nicht!
Sie werden nicht in Reih' und Glied marschieren
Nicht durchhalten, nicht kämpfen bis zuletzt
Auf einem gottverlass'nen Feld erfrieren
Während ihr euch in weiche Kissen setzt!
Die Kinder schützen vor allen Gefahren
Ist doch meine verdammte Vaterpflicht
Und das heißt auch, sie vor euch zu bewahren!
Nein, meine Söhne geb' ich nicht –
Nein, meine Söhne geb' ich nicht!
Ich werde sie den Ungehorsam lehren
Den Widerstand und die Unbeugsamkeit –
Gegen jeden Befehl aufzubegehren
Und nicht zu buckeln vor der Obrigkeit!
Ich werd' sie lehr'n, den eig'nen Weg zu gehen
Vor keinem Popanz, keinem Weltgericht
Vor keinem als sich selber g'radzustehen!
Nein, meine Kinder geb' ich nicht –
Nein, meine Kinder geb' ich nicht!
Und eher werde ich mit ihnen fliehen
Als dass ihr sie zu euren Knechten macht –
Eher mit ihnen in die Fremde ziehen
In Armut und wie Diebe in der Nacht!
Wir haben nur dies eine kurze Leben –
Ich schwör's und sag's euch g'rade ins Gesicht:
Sie werden es für euren Wahn nicht geben!
Nein, meine Kinder geb' ich nicht –
Nein, meine Kinder geb' ich nicht!
NICHTS IST UNMÖGLICH
Ich weiß, Reinhard Mey singt dabei vom Wehrdienst und den dazugehörigen Opfern. Man mag diesen Vergleich mögen oder nicht. Für mich passt er. Impfungen für mündige Erwachsene anzubieten, zu empfehlen, ja sogar bewerben, halte ich für legitim. Wir sind im Stand, uns zu informieren und dann zu entscheiden. Wer sich aber mit einer Notfallzulassung an meine Kinder heranwagt, der darf mit meinem Widerstand rechnen. Nicht nur wegen dem, was ihnen da injiziert werden soll. Sondern weil ich diese gesamte Entwicklung brandgefährlich sehe.
Was opfern wir als nächstes? Und zu welchem Preis, bitteschön?
Gott sei Dank bin ich längst nicht die Einzige, die so oder so ähnlich denkt. Und dennoch hab ich ein ungutes Gefühl. Weil mich das letze Jahr auch gelehrt hat: du sollst nichts für unmöglich halten.
FRIEDLICHE GROSSKATZE
Inständig hoffe ich, dass die Löwin in mir friedlich im Gras liegen bleiben kann. Dass ich meine Krallen erst gar nicht ausfahren oder ein Risiko eingehen muss. Dass es auch in Zukunft mehrere Wege geben wird, seine eigene Gesundheit zu erhalten. Und man nicht nur “EINE” Lösung für die einzig Wahre hält.
Ich weiß, dass viele Menschen hier und überall womöglich anderer Meinung sind. Das ist gut so. Vielfalt ist wichtig und richtig. Und so wie ich jedem anderen Menschen seine Haltung zugestehe, werde ich meine – so lang ich das richtig finde – beibehalten. Ich werd meine Schultern zurückziehen und mein Herz öffnen. Den Kopf heben und mit klarem Blick weitergehen. Weil ich am Ende des Tages vor allem eines will: unverbogen sein und mich im Spiegel anschauen können. Und ein friedliches Leben als Großkatze führen …
In jeder Mutter steckt auch eine Löwin, denke ich? Wann oder wodurch wird die Löwin in dir geweckt?
Spürst du es auch? Dieses Aufatmen? Die Freude darüber, dass nun wieder aufgesperrt wird und wir ein Stück des “alten Lebens” zurück bekommen? Warum ich trotz der Erleichterung so meine Bedenken hab und welche Werte und Eigenschaften ich statt der drei ominösen “Gs” wirklich möchte, darum geht’s in diesem Beitrag.
GESUND, GLÜCKLICH & GENERALVERDÄCHTIG
Es ist momentan fast unmöglich, nicht auf die neue “3G” Regel aufmerksam gemacht zu werden. Da brauch ich nicht mal einen Radio oder Fernseher aufdrehen oder eine Zeitung lesen. Ganz gleich ob Vereine, Gaststätten oder sonstiges Freizeitprogramm: teilnehmen darf nur, wer eins der drei berühmten “G”s erfüllt – alle anderen sind zwar vielleicht gesund und glücklich aber generalverdächtig.
ALLES FÜR EIN BISSCHEN FREIHEIT
Es stimmt mich bedenklich, dass wir gesellschaftlich in einer Situation angekommen sind, in der ich als Mensch grundsätzlich als gefährlich eingestuft werde, als potentiell krankmachend und als Gesundheitsrisiko. Wenn und so lang ich nicht das Gegenteil beweisen kann. Für den zwischenmenschlichen Umgang ist das – meiner Meinung nach – eine Katastrophe. Nur freuen wir uns gerade so sehr über die “wiedergegebene” Freiheit, dass viele von uns fast alles tun würden, um diese auch genießen zu können. Und gar nicht so wenige tun das auch tatsächlich, obwohl sie die eine oder andere Bestimmung fragwürdig und oder bescheuert finden. So mürbe sind wir von den vergangenen Monaten und den Umständen geworden.
GLIMPFLICH, GEWALTSAM, GEFÄHRLICH?
Ich bin ja keine Juristin, aber gestehen wir nicht gewisse Rechte sogar Straftätern, Verbrechern und Mördern zu? Lautet ein juristischer Grundsatz nicht: “in dubio pro reo” – im Zweifel für den Angeklagten? In Gesundheitsfragen heißt es neuerdings scheinbar: im Zweifelsfall bist du krank, außer du beweist das Gegenteil. Ich muss sagen, dass das schon sehr seltsam klingt, wenn man sich das auf der Zunge zergehen lässt. Wie wird sich das auf unser Zusammenleben auswirken, wie wird das unsere menschlichen Beziehungen beeinflussen, wenn wir unreflektiert auf diesem Weg weiter gehen? Glimpflich? Gewaltsam? Gefährlich?
RECHTE UND PFLICHTEN MIT SINN
Bisher war mein Verständnis von erwachsener Verantwortung recht eindeutig. Ich habe als Mensch in diesem Land gewisse Pflichten. Für ein gelingendes Miteinander halte ich mich an Regeln und Gesetze und auch wenn ich nicht immer im Detail weiß, was geltendes Recht ist, kommt mir das meiste sinnvoll vor. Zu schnell fahren ist gefährlich. Einen Einkauf nicht zu bezahlen wäre Diebstahl. Menschen aufgrund von Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung oder Ähnlichem auszugrenzen, wäre unfair und diskriminierend.
GLEICHER, GLÄSERN, GESETZLICH
Mit der Sinnhaftigkeit der Pandemiebestimmungen hab ich in letzter Zeit so meine Probleme, wenn ich ehrlich bin. Vielleicht reicht mein Horizont nicht aus. Möglicherweise sind die Macher der neuen Gesetze einfach klüger und haben Wissen und Daten, die mir fehlen. Doch so ganz kapier ich wohl nie, warum negativ getestete Schauspieler oder Fußballprofis ohne Maske arbeiten dürfen und meine Kinder den ganzen Schultag vermummt sind und zu wenig Luft bekommen dürfen (um nur ein Beispiel zu nennen). Dass Einige anscheinend gleicher sind als gleich, ist zwar nicht neu – doch zur Zeit gibt es eine besonders eindrucksvolle Demonstration zu erleben. Ich mache mir Sorgen, wie sich solch ungerechte Behandlungen und die Zusammenführung sensibelster Daten auf uns Menschen und unser Leben auswirken.
Können wir uns einander weiter oder wieder unbeschwert begegnen?
Können wir uns gegenseitig die Freiheit geben, individuelle Entscheidungen über unseren Körper zu treffen?
Können wir respektieren, wenn jemand andere Wege geht, die für uns unsinnig erscheinen?
Können wir zurückfinden zur Leichtigkeit und dem Vertrauen ins Leben?
Können wir dabei gleichzeitig achtsam mit den Ängsten anderer bleiben?
Können wir sicher sein, dass Gesetze absolut verantwortungsvoll und zu unserem Wohl gemacht werden?
CHEMIE, WATTESTÄBCHEN & SONDERMÜLL
Eins ist sicher: wir werden miteinander auskommen müssen. Weil wir einerseits soziale Wesen sind und dazugehören wollen und andererseits nur gemeinsam wachsen und die Herausforderungen der Zukunft stemmen können. Wenn wir langfristig gesund bleiben wollen (und nicht nur Corona-negativ) dann braucht es mehr als ein bisserl Chemie, Wattestäbchen und eine Zettelwirtschaft, in sehr viel Sondermüll verpackt. Denn Gesundheit ist immer noch und war immer schon mehr, als das Fehlen von (einer bestimmten) Krankheit.
3Gs, DIE ICH MIR WÜNSCHE
So wünsche ich mir und dir und jedem Menschen dieser Welt die Freiheit, den eigenen Körper als geschützten Raum zur Verfügung zu haben. Ganz ohne Einschränkungen und Auswirkungen für das gemeinschaftliche Leben. Ich wünsche mir die Achtung der körperlichen Integrität und Unversehrtheit zu jeder Zeit auf diesem Planeten. Und ich wünsche mir, dass wir uns folgende drei G’s dick auf unsere gesellschaftlichen Fahnen heften: gleichwürdig, gemeinschaftlich und großherzig.
Welche 3 positiven “Gs” wünscht du dir für unsere Gesellschaft und zwischenmenschliche Beziehungen? Tipp: man kann “Adjektive mit g” googeln 😉 … such dir was schönes aus!
Die Emotionen gehen hoch, es wird laut unter den Diskutierenden und schneller als sonst gehen die Gespräche in eine eskalierende Richtung, wo sich Fronten verhärten und jedes Verständnis für den anderen und dessen Meinung verloren geht. Es gibt eine einfache und deeskalierende Strategie, wie man sich verhalten kann, wenn man aus solchen destruktiven Kommunikationsmustern ausbrechen möchte. Sie hat mit einem Parkplatz zu tun und heute und hier stelle ich sie dir vor.
DIE NERVEN LIEGEN BLANK
Wer kennt es nicht? Besonders in den letzten Monaten gibt es kaum Menschenrunden, in denen das C-Thema nicht aufklappt und zu herzhaften Debatten führt. Das Thema berührt uns, jede und jeden von uns auf eigene Weise und praktisch niemand kann sich ganz davon entziehen. Nun sind ja Gespräche grundsätzlich etwas Gutes, etwas, woraus wir lernen und und weiter entwickeln können, doch in diesem Fall hab ich beobachtet, dass es sehr oft viel zu zerstörerisch wird unter uns. Die Nerven liegen blank und unsere Diskussionskultur leidet darunter.
ES IST KALT GEWORDEN, DA DRAUSSEN
Mal ehrlich. Gespräche zwischen Menschen, die sich nicht regelmäßig begegnet sind, verlaufen zur Zeit anfangs mit einem guten Maß an Vorsicht. Wir tasten uns langsam vor, weil wir vielleicht anfangs noch nicht genau wissen, wie das Gegenüber zum Spaltpilz der Gesellschaft, eventuellen Maßnahmen und Lösungsansätzen steht. Dieses Virus befällt nicht nur Körper, Zellen und überlebenswichtige Organe, sondern schwächt vielmals auch unsere sozialen Fähigkeiten und unser aufeinander-zugehen. Längst klatschen wir nicht mehr füreinander oder erfüllen in großherziger Nächstenliebe irgendwelche Gefälligkeitsdienste. Es ist kalt geworden, da draußen.
IM AUGE DES BETRACHTERS
Unterschiedliche Läger betrachten diese durchaus komplexe Situation aus verschiedensten Richtungen und je nach Blickwinkel gibt es viele richtige Ideen und Ansätze. Was ich schmerzlich vermisse ist die achtsame und respektvolle Kultur miteinander umzugehen, denn für hochkomplexe Probleme in einer hochkomplexen Gesellschaft kann es nun mal keine einfachen Lösungen geben, auch wenn wir uns das noch so sehr wünschen. Um differenzierte und menschenfreundliche Zukunftswege zu entwerfen, brauchen wir die Überzeugung, dass andere Menschen andere Dinge für gut und richtig befinden und es die Freiheit braucht, diese auch zu leben. Weil es im Auge des Betrachters liegt, wie man Probleme empfindet.
DAS LEBEN IST KEINE EINBAHNSTRASSE
Was in allen möglichen Debatten derzeit passiert, ist, dass Druck aufgebaut wird, dass mit schlechtem Gewissen gearbeitet wird und gesamtgesellschaftlich alle möglichen Kniffe aus der psychologischen Trickkiste angewendet werden, um eine bestimmte Marschrichtung erreichen zu können. Doch Druck erzeugt Gegendruck und noch mehr Zweifel und gegenseitiges Unverständnis und wenn wir diese Zeiten als Gemeinschaft halbwegs gut überstehen möchten, täten wir gut daran, wieder aufeinander zu zu gehen. Wir sollen und dürfen einen klaren Standpunkt haben UND eben auch andere Standpunkte respektieren, weil das Leben halt keine Einbahnstraße ist.
PARKPLATZ FÜR VERSCHIEDENE WELTEN
Apropos Straße. Wenn man also voll in Fahrt ist bei Diskussionen aller Art, hilft es, bildlich gesprochen, sich nicht ein Straßenrennen zu liefern, sondern: den Parkplatz zu nützen. Diese Idee ist eine Deeskalation-Strategie und kann wie folgt funktionieren.
SCHRITT 1: WELT PARKEN
Wenn dich jemand kritisiert, beschuldigt, anfeindet, anschreit oder sonst irgendwie “anschießt” (so nenn ich das gern), dann hilft es, in dem Moment aus der Schusslinie zu gehen statt zurück zu schießen. Im ersten Schritt bedeutet das mal: wahrnehmen, dass ich gerade angeschossen werde und verletzt bin, und kurz einmal durchatmen und das wahrnehmen, denn das darf sein. NIEMALS wird es uns (oder jedenfalls mir) gelingen, uns völlig davon abzukapseln, wenn wir verbal “angeschossen” werden, und das braucht es auch nicht unbedingt. Gefühle sind wichtig und zeigen auf, was uns fehlt oder eben nicht. Und in diesem ersten Schritt diese eigene Welt samt Gefühlen, Empfindungen, Überzeugungen, Standpunkten vorübergehend zu “parken”. Das heißt, zur Seite stellen, sicher verwahren und sich dennoch bewusst sein, dass sie wertvoll und gut sind.
SCHRITT 2: WELT DES ANDEREN ERKUNDEN
Im nächsten Schritt, wenn ich meine mir gut bekannte Welt gesichert hab (am Parkplatz) kann ich mich in die Welt des Anderen zu begeben, ihn oder sie dort besuchen und mich umsehen, Fragen stellen und versuchen zu hören und zu sehen. Man kann dabei sagen:
Aha, so siehst du das also.
Hör ich das richtig, es ist dir besonders wichtig, dass …
Du siehst das also so, dass …
Da merkt man richtig, wie wichtig dieses Thema für dich ist, wenn du so emotional bist.
Erklär mir doch mal, was dabei so bedeutend für dich ist….
Das Thema ist grundsätzlich tauschbar, es geht für kritische Stimmen, Impfbefürworter, Testverweigerer, angstvolle Menschen im Zusammenhang mit Corona genau so wie mit jedem anderen zwischenmenschlichen Thema oder elterlichen Haltung: Süßigkeiten, Bildschirmzeiten, Haushaltstätigkeiten, Arbeitsaufteilung, familiäre Organisation.
Ziel dieses Schrittes ist, zu sehen, wie die Welt des anderen aussieht, sich Eindrücke zu verschaffen und es bedeutet NICHT, dass ich auch verstehen “muss”. Ich kann inhaltlich völlig anderer Meinung sein, darum geht es in diesem Moment nicht. Es geht darum, den oder die andere in ihrer Welt “abzuholen” und das in Worten einfach auszudrücken. Wenn es gelungen ist, dass die andere Person sagt: “Ja, genau! Endlich verstehst du was ich meine!” ist der Weg frei für Schritt Nummer drei.
SCHRITT 3: EINLADUNG AUF DEN PARKPLATZ
Wenn es gelungen ist, wirklich zuzuhören, kann der nächste Schritt erfolgen. Im besten Fall ist es so, dass sich das Gegenüber nun für DEINE Welt interessiert und nachfragt: “Und, wie siehst du das?” Was nur dann geht, wenn auch eine gewisse Relevanz und Bindung und noch mehr Interesse aneinander vorhanden ist. Wenn diese Frage ausbleibt, kann man den anderen in die eigene Welt einladen: “Möchtest du wissen, wie ich darüber denke?” Natürlich besteht hier die Möglichkeit, dass die andere Person verneint. Das ist auch eine klare Aussage für die Beziehung zueinander, da lohnt es sich dann jedenfalls auch nicht, mehr Zeit und Engie zu investieren. Wenn doch, dann ist es in diesem Schritt gut, auf den “Parkplatz” zu gehen und in die eigene Welt einzutauchen und den anderen Menschen darin “herumzuführen”. So könnte man lernen, dass diese wunderbare Welt für jeden Menschen ein klein wenig anders aussieht und in der Vielfalt die Schönheit entdecken und diese Freiheit zu erleben.
DER HAKEN DARAN
Es gibt ein paar Kleinigkeiten, die an der Strategie schwer sind. Erstens: man kann nur die eigene “Welt parken”, wenn man einigermaßen gut versorgt ist (Stichwort: Selicare), weil es ein hohes Maß an Rücksichtnahme und auch das Hintenanstellen von eigenen Bedürfnissen und Gefühlen erfordert. Wenn ich gerade selbst sehr bedürftig und unausgeglichen bin oder müde und mürbe, ist das fast nicht möglich (was übrigens so einiges in der derzeitigen Lage erklärt). Und: es ist ein klein wenig ungerecht. Weil der Teil, der deeskaliert und die eigene Welt vorübergehend parkt, nachgibt und zurücksteht – und dem oft unreflektierten oder wütenden Gegenüber viel Raum überlässt. Das mag man auch nicht jederzeit aushalten. Wenn es also nicht gelingt: bleib geduldig und nachsichtig mit dir selbst.
Und wenn es gelingt, hast du folgenden Benefit.
du lernst die Welt des anderen kennen
du erweiterst deinen Blick auf die Dinge
du kannst Neues über dein Gegenüber erfahren
du sparst Energie, weil du Streit vermeidest
du kannst bewusster steuern, wie hitzige Diskussionen verlaufen
WAS WIRKLICH BEDROHLICH IST
Ich diskutiere leidenschaftlich gern. Auch hitzig und emotional – alles andere find ich beizeiten fad. Es ist also längst nicht so, dass ich meine Welt dauerhaft abstelle und mich nicht positionieren mag, ganz im Gegenteil. Wenn ich aber merke, dass Gespräche zu oft und zu schnell einen zerstörerischen Verlauf haben, wende ich “Ich parke meine Welt” aber sehr gern an und freue mich dann, dass wir einigermaßen zivilisiert miteinander umgehen können. Dass wir unterschiedlicher Meinung sein dürfen und keinen Konsens finden. Dass die Freiheit besteht, die Welt unterschiedlich zu betrachten. Und das Bedrohliche nicht ist, dass jemand anders DENKT, sondern, dass wir das in manchen Bereichen nicht ZULASSEN wollen. Monokulturen – egal ob in der Natur oder in Form menschlicher Meinung – sind keine gute Idee und sicherlich nicht zukunftstauglich.
In diesem Sinne: es lebe die Vielfalt! Habt eine gute Zeit und bunte Diskussionen voller Leben in euren Beziehungen. Besonders in denen, die euch am Herzen liegen.
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