Erwachsen werden geschieht nicht von heute auf morgen. Die schwierige Phase des Prozesses vom Nicht-mehr-Kind-sein bis zum Jetzt-bin-ich erwachsen-Gefühl spürt sich für die Jugendliche:n oft unsicher, wackelig und verschwommen an. Umso schöner ist es, wenn man ihnen mit kleinen Ritualen und Festen ein wenig mehr Klarheit schenken kann, ein positives Zeichen gibt und ihnen damit auch Halt vermittelt. Zum zweiten Mal haben wir als Eltern einem Kind den sogenannten “Koffer für’s Leben” gepackt und hier teile ich heute mit dir, was wir darin versteckt haben mit vielen kleinen symbolischen Geschenken.
Gestern war es hier so weit und wir haben das Erwachsen-werden in unterschiedlicher Form mit unserer Mittleren gefeiert. Es ist auch als Mutter für mich ein schöner, emotionaler und intensiver Prozess, mich auf dieses Ritual vorzubereiten und mich so bewusst auf das Kind, seine Talente und Besonderheiten einzulassen. Und so haben wir voller Freude gestern folgende Dinge an unsere Tochter übergeben und dürfen jetzt noch mehr und mehr vertrauen, dass das, was wir ihr bisher schon mitgegeben haben, reicht für ein gutes Leben als Erwachsene. Diese Dinge haben wir eingepackt:
OPTIMISMUS & EINSATZBEREITSCHAFT (Bleistift und Papier) “Deine Gene sind höchstens Bleistift & Papier. Welche Geschichte du damit schreibst, liegt in deinen Händen” sagt Genforscher Markus Hengstschläger. Du bist mit so vielen wunderbaren Talenten gesegnet und definitiv eine originelle Persönlichkeit.
Wir wünschen dir stets ausreichend Optimismus, dass du an dich selbst glaubst und deine Fähigkeit, einen Unterschied zu machen wenn du nur bereit dazu bist, dich aus vollem Herz und mit ganzer Kraft dafür einzusetzen.
SINNLICHKEIT & GENUSSFÄHIGKEIT (Crinkle Cups) Das Leben ist dazu da, um geliebt zu werden und dabei ist “Genuss” ein wichtiges Element. Wenn du schöne Musik hörst, ein cooles Outfit findest, dir den Rücken kraulen lässt, eine schöne Aussicht vor dir hast oder schmackhaftes Essen genießen möchtest, braucht es Hingabe und wache Sinne.
Wir wünschen dir, dass du das Leben immer wieder genießen und dich den sinnlichen Freuden bewusst hingeben kannst. Dadurch kannst du zufrieden und glücklich sein und dir selbst immer wieder was Gutes tun (… oder uns, wenn du wieder mal was Leckeres bäckst!).
MEINUNG & FREIHEITSLIEBE (Spitzer) Die freie Meinung ist ein hohes Gut in unserer Gesellschaft. Da das Leben oft aus Gegensätzlichkeiten besteht, ist es wichtig und verantwortungsvoll, sich eine Meinung zu bilden, mitzudenken und manchmal auch: Position zu beziehen. Zum Beispiel, wenn Menschen ungerecht behandelt werden, wenn sie diskriminiert oder herabgewürdigt werden, darf das aufgezeigt werden.
Wir wünschen dir, dass du immer wieder Meinungen (auch deine eigene) kritisch hinterfragst und nicht abstumpfst gegenüber anderen Menschen und ihren Schicksalen und stets deinen Blick schärfst, wo diese Freiheit in Gefahr gerät.
FEHLERKULTUR & ERFAHRUNGEN (Radiergummi) Als Menschen sind wir lebendige Wesen. Und wo gelebt wird, da passieren auch Fehler. Sie sind wichtig für unsere Weiterentwicklung und unser Wachstum und ermöglichen uns, aus diesen Erfahrungen zu lernen.
Wir wünschen dir, dass du liebevoll auf die Unvollkommenheit und Pannen im Leben schauen kannst, sie als Erfahrungen in dein Herz schließt und für alles, wo du noch mal von vorn anfangen möchtest: einen Radiergummi und einen guten Neustart.
AUSZEITEN & PAUSEN (Faultiersocken) Wir leben immer noch in einer relativ heftigen Leistungsgesellschaft – das hast du ja auch in der Schule schon feststellen dürfen. Neben dem aktiven Tun und deinem wichtigen Beitrag für diese Welt brauchst du vor allem eins: Zeit für’s Nichtstun und regelmäßige Pausen.
Wir wünschen dir, dass du dich immer als wertvollen Menschen erlebst, egal wie produktiv du eventuell gerade bist, dass du dir Pausen nimmst und zugestehst. Mögest du diese Pausen mit Dingen, Menschen oder in der Natur verbringen und wenig mit Bildschirmen und den darin entstandenen Scheinwelten.
MUT & ZUVERSICHT (Mutmach-Karten) Die besten Dinge im Leben beginnen mit Mut. Du brauchst Mut, um dich aus deiner Komfortzone heraus zu bewegen, damit du wachsen kannst, neue Erfahrungen machst und andere Facetten an dir kennenlernst. Manchmal brauchst du vielleicht Überwindung, doch es zahlt sich aus, wenn du zu dir selbst stehst und zuversichtlich bleibst.
Wir wünschen dir, dass du jeden Tag neu entdeckst, wie grandios und großartig du bist – dass du diese Welt für uns und viele andere Menschen zu einem besseren Ort machst und unendlich wertvoll bist. Und wenn du mal einen Moment lang zweifeln solltest, haben wir hier was für dich.
GRENZMANAGEMENT (Reispasshülle) Deine Freiheit hört auf, wo die Freiheit anderer beginnt. In diesem Sinn ist es immer wieder notwendig, sich über eigene und persönliche Grenzen Gedanken zu machen. Bisher haben wir als Eltern viele deiner Grenzen für dich geschützt und diese Aufgabe übernimmst du mehr und mehr für dich selbst.
Wir wünschen dir, dass du jederzeit selbstbewusst deine Grenzen aufzeigen kannst und Menschen diese auch achten und dass du selbst auch feinfühlig und sorgsam mit den Grenzen deiner Mitmenschen umgehen lernst. Denn Grenzüberschreitungen sind nur in einem Fall gut, erlaubt und absolut empfehlenswert: wenn du dieses Ding dafür brauchst!
ENERGIE & DURCHHALTEVERMÖGEN (Traubenzucker) Es gibt sie: die wirklich anstrengenden Phasen im Leben. Wo einfach nichts glatt läuft und alles so mühsam erscheint. Nach kleinen Auszeiten und Pausen braucht man wieder einen Energie-Kick, eine Portion Motivation und oft auch bei lang andauernden Aufgaben und Projekten: ein passables Durchhaltevermögen.
Wir wünschen dir, dass du immer wieder eine Quelle der Energie für dich findest, die dir die Motivation und den Elan schenkt, damit du deine gewünschte Ziellinie erreichst. Egal, wie diese Quelle dann genau beschaffen ist: Hauptsache, du weißt, wie und wo du sie findest.
BEGEISTERUNG & FEUER (Anzünder) Mit Begeisterung geht einfach alles im Leben einfacher, leichter und schneller. Für dein Gehirn ist Begeisterung wie die Gießkanne für einen Blumenstock – wichtig und notwendig, wenn es sich gut entwickeln soll.
Wir wünschen dir einerseits, dass es immer etwas in deinem Leben gibt, dass deine Begeisterung weckt und ankurbelt, dein inneres Feuer so richtig entfacht. Und dass du andererseits auch mit deinem Feuer, deiner Leidenschaft für Dinge andere Menschen begeisterst, sodass sie Feuer und Flamme werden können. Beides ist eine unglaublich schöne Erfahrung, die wir dir ganz oft gönnen.
ACHTSAMKEIT & FREUDE (Glasuntersetzer und Freudenglas) Wir planen voraus und schwelgen in oft in Erinnerungen. Beides kann schön sein, doch das Leben passiert im Jetzt. Das Leben gestern ist Geschichte, der Tag morgen ist ungewiss und das meiste davon können wir nicht (mehr) beeinflussen.
Wir wünschen dir, dass du ganz oft im Jetzt leben kannst, dass du Augenblicke genießt und in deinem Herzen abspeichern kannst, dass du viele glückselige Momente der Freude sammelst und so dein inneres “Freudenglas” immer eher halb voll als halb leer betrachten mögest.
MEINUNGSFREIHEIT & TOLERANZ (Regenbogen-Fächer) Menschen sind verschieden und noch viel individueller und bunter wie die Farben des Regenbogens. Oft denken wir zu sehr in schwarz und weiß, weiblich oder männlich, ja oder nein, ganz oder gar nicht und dabei vergeben wir die Chance auf mehr Vielfalt im Leben – auch wenn wir andersdenkende, anderslebende, andersliebende Menschen nicht immer verstehen können.
Wir wünschen dir, dass du dir dein offenes Herz und einen offenen Geist bewahrst und Unterscheidlichkeit und Meinungsverschiedenheiten stets als Gelegenheit für Wachstum und Reifung betrachten kannst. Und dass es dir gelingt, andere ihr so-sein zu lassen.
FINISHER QUALITÄTEN (Notizbuch “Last Minute”) Es gibt Leute, die haben unfassbar gute Ideen und bringen diese oft nicht zu Ende. Du bist eine, die die “Finish-Line” in Sichtweite braucht, um ihre Sachen fertig stellen zu können und beweist außerordentlichen Ehrgeiz und enormes Engagement, was deine Aufgaben betrifft.
Wir wünschen dir, dass du das Meiste im Leben fertig stellst, wenn du es begonnen hast und dir den Feuereifer bewahrst mit dem du Aufgaben am letzten Drücker erledigst. Und falls du dir mal mehr Organisation oder eine Möglichkeit zum Gedanken / Aufgaben-niederschreiben wünscht, haben wir DAS für dich.
FEMININE POWER (Zyklusbuch) Du bist jetzt eine erwachsene Frau und nun auch spürbar deutlicher ein zyklisches Wesen, über deinen Körper mit der Natur verbunden. Jeden Monat erlebst du unterschiedliche Phasen, die dich mit unterschiedlichen Stärken deiner Weiblichkeit in Berührung bringen. Mit deinem Zyklus kannst du dein volles Potenzial ausschöpfen und immer wieder neu lernen, dass diese verschiedenen Facetten ein Teil von dir – und der Natur – sind.
Wir wünschen dir, dass du dein Frausein genießt, die Kraft des weiblichen Zyklus immer wieder als Geschenk erlebst und so oft wie möglich im Einklang mit deinem Körper sein kannst, ihn achtest und ehrst wie einen heiligen Tempel. Beschütze und schütze ihn, denn er gehört dir und nur dir allein. DU bist einzigartig und wunderbar, kraftvoll und vollkommen, wie ein weiblicher Monatszyklus.
HALTUNG (Nackenkissen) In der Welt sind wir ständig gefordert uns mit komplexen und vielschichtigen Themen auseinander zu setzten, kritisch zu hinterfragen, sich eine Meinung zu bilden und dann dahinter zu stehen. So setzen wir uns mit unseren inneren Werten und Haltungen auseinander und stärken dabei auch unseren Charakter.
Wir wünschen dir, dass du stets Herz und Hirn dabei hast, wenn du dir Meinungen bildest und manchmal auch “gegen den Strom” schwimmen lernst, wenn dein Gefühl dir sagt, dass das das Richtige für dich ist. Und wenn es ungemütlich und stürmisch da draußen wird, hol dir Unterstützung und Stärkung und gehe stolz und erhobenen Hauptes weiter.
HUMOR (Kichererben) Der Ernst des Lebens holt uns Menschen im Alltag viel zu schnell und viel zu oft ein. Es ist gefühlt viel öfter ein “müssen” als ein “wollen” und wenn’s eng wird, dann hilft vor allem eins: eine gute Prise Humor.
Wir wünschen dir von Herzen, dass du dir dein wunderbares Lachen behältst, du selbst das Leben immer wieder mal locker nehmen und über dich selber schmunzeln kannst. Und dass du stets von Menschen umgeben bist, die dich zum Kichern bringen und mit dir Spaß haben können, vor allem dann, wenn dir das Lachen grad etwas vergangen ist. Humor ist die beste Medizin – in den allermeisten Lebenslagen.
Das wichtigste zum Schluss. Du wirst in deinem Leben viel aus eigener Kraft schaffen, planen, organisieren und zustande bringen. Du hast viel in der Hand und darfst dich selbst als die Gestalterin deines Lebens begreifen.
Wir wünschen dir von Herzen etwas, dass du dabei auch immer brauchst: nämlich den Segen von oben, eine schützende Hand und die Zusage von Vater und Mutter Gott, dass du getragen bist, gesegnet und gehalten. Du bist heute gesalbt worden und darfst auf Gott in all seiner Vielfalt zählen … und wir hoffen, dass er ganz oft im Leben für dich spürbar ist: in Dingen, in der Natur und in Menschen, die deinen Lebensweg begleiten.
Falls du nun Lust bekommen hast, dieses kleine Ritual mit deinem Kind nachzumachen: wir haben alle Dinge einzeln und schön verpackt und in den Koffer gegeben mit der jeweiligen Beschriftung. Sie durfte sich suchen, was wir ihr in der Reihenfolge gesagt haben und bevor sie das Symbol ausgepackt hat, haben wir den Text abwechselnd als Mutter und Vater vorgelesen.
Die Idee ist ausdrücklich zum Nachmachen gedacht. Ich freu mich, wenn viele Jugendliche solche oder ähnliche stärkende Feste mit den vertrauten Erwachsenen feiern dürfen. Gerne stelle ich auch auf Anfrage individuelle Ideen samt Texte zusammen, damit sie zu DEINEM Teenager passen, den oder die du beschenken möchtest.
Was haben deine Eltern DIR eigentlich wertvolles eingepackt und mitgegben – wenn auch nicht so klar und offen ausgesprochen wie hier? Lass gern einen Kommentar hier, ich freu mich drüber!
Die Emotionen gehen hoch, es wird laut unter den Diskutierenden und schneller als sonst gehen die Gespräche in eine eskalierende Richtung, wo sich Fronten verhärten und jedes Verständnis für den anderen und dessen Meinung verloren geht. Es gibt eine einfache und deeskalierende Strategie, wie man sich verhalten kann, wenn man aus solchen destruktiven Kommunikationsmustern ausbrechen möchte. Sie hat mit einem Parkplatz zu tun und heute und hier stelle ich sie dir vor.
DIE NERVEN LIEGEN BLANK
Wer kennt es nicht? Besonders in den letzten Monaten gibt es kaum Menschenrunden, in denen das C-Thema nicht aufklappt und zu herzhaften Debatten führt. Das Thema berührt uns, jede und jeden von uns auf eigene Weise und praktisch niemand kann sich ganz davon entziehen. Nun sind ja Gespräche grundsätzlich etwas Gutes, etwas, woraus wir lernen und und weiter entwickeln können, doch in diesem Fall hab ich beobachtet, dass es sehr oft viel zu zerstörerisch wird unter uns. Die Nerven liegen blank und unsere Diskussionskultur leidet darunter.
ES IST KALT GEWORDEN, DA DRAUSSEN
Mal ehrlich. Gespräche zwischen Menschen, die sich nicht regelmäßig begegnet sind, verlaufen zur Zeit anfangs mit einem guten Maß an Vorsicht. Wir tasten uns langsam vor, weil wir vielleicht anfangs noch nicht genau wissen, wie das Gegenüber zum Spaltpilz der Gesellschaft, eventuellen Maßnahmen und Lösungsansätzen steht. Dieses Virus befällt nicht nur Körper, Zellen und überlebenswichtige Organe, sondern schwächt vielmals auch unsere sozialen Fähigkeiten und unser aufeinander-zugehen. Längst klatschen wir nicht mehr füreinander oder erfüllen in großherziger Nächstenliebe irgendwelche Gefälligkeitsdienste. Es ist kalt geworden, da draußen.
IM AUGE DES BETRACHTERS
Unterschiedliche Läger betrachten diese durchaus komplexe Situation aus verschiedensten Richtungen und je nach Blickwinkel gibt es viele richtige Ideen und Ansätze. Was ich schmerzlich vermisse ist die achtsame und respektvolle Kultur miteinander umzugehen, denn für hochkomplexe Probleme in einer hochkomplexen Gesellschaft kann es nun mal keine einfachen Lösungen geben, auch wenn wir uns das noch so sehr wünschen. Um differenzierte und menschenfreundliche Zukunftswege zu entwerfen, brauchen wir die Überzeugung, dass andere Menschen andere Dinge für gut und richtig befinden und es die Freiheit braucht, diese auch zu leben. Weil es im Auge des Betrachters liegt, wie man Probleme empfindet.
DAS LEBEN IST KEINE EINBAHNSTRASSE
Was in allen möglichen Debatten derzeit passiert, ist, dass Druck aufgebaut wird, dass mit schlechtem Gewissen gearbeitet wird und gesamtgesellschaftlich alle möglichen Kniffe aus der psychologischen Trickkiste angewendet werden, um eine bestimmte Marschrichtung erreichen zu können. Doch Druck erzeugt Gegendruck und noch mehr Zweifel und gegenseitiges Unverständnis und wenn wir diese Zeiten als Gemeinschaft halbwegs gut überstehen möchten, täten wir gut daran, wieder aufeinander zu zu gehen. Wir sollen und dürfen einen klaren Standpunkt haben UND eben auch andere Standpunkte respektieren, weil das Leben halt keine Einbahnstraße ist.
PARKPLATZ FÜR VERSCHIEDENE WELTEN
Apropos Straße. Wenn man also voll in Fahrt ist bei Diskussionen aller Art, hilft es, bildlich gesprochen, sich nicht ein Straßenrennen zu liefern, sondern: den Parkplatz zu nützen. Diese Idee ist eine Deeskalation-Strategie und kann wie folgt funktionieren.
SCHRITT 1: WELT PARKEN
Wenn dich jemand kritisiert, beschuldigt, anfeindet, anschreit oder sonst irgendwie “anschießt” (so nenn ich das gern), dann hilft es, in dem Moment aus der Schusslinie zu gehen statt zurück zu schießen. Im ersten Schritt bedeutet das mal: wahrnehmen, dass ich gerade angeschossen werde und verletzt bin, und kurz einmal durchatmen und das wahrnehmen, denn das darf sein. NIEMALS wird es uns (oder jedenfalls mir) gelingen, uns völlig davon abzukapseln, wenn wir verbal “angeschossen” werden, und das braucht es auch nicht unbedingt. Gefühle sind wichtig und zeigen auf, was uns fehlt oder eben nicht. Und in diesem ersten Schritt diese eigene Welt samt Gefühlen, Empfindungen, Überzeugungen, Standpunkten vorübergehend zu “parken”. Das heißt, zur Seite stellen, sicher verwahren und sich dennoch bewusst sein, dass sie wertvoll und gut sind.
SCHRITT 2: WELT DES ANDEREN ERKUNDEN
Im nächsten Schritt, wenn ich meine mir gut bekannte Welt gesichert hab (am Parkplatz) kann ich mich in die Welt des Anderen zu begeben, ihn oder sie dort besuchen und mich umsehen, Fragen stellen und versuchen zu hören und zu sehen. Man kann dabei sagen:
Aha, so siehst du das also.
Hör ich das richtig, es ist dir besonders wichtig, dass …
Du siehst das also so, dass …
Da merkt man richtig, wie wichtig dieses Thema für dich ist, wenn du so emotional bist.
Erklär mir doch mal, was dabei so bedeutend für dich ist….
Das Thema ist grundsätzlich tauschbar, es geht für kritische Stimmen, Impfbefürworter, Testverweigerer, angstvolle Menschen im Zusammenhang mit Corona genau so wie mit jedem anderen zwischenmenschlichen Thema oder elterlichen Haltung: Süßigkeiten, Bildschirmzeiten, Haushaltstätigkeiten, Arbeitsaufteilung, familiäre Organisation.
Ziel dieses Schrittes ist, zu sehen, wie die Welt des anderen aussieht, sich Eindrücke zu verschaffen und es bedeutet NICHT, dass ich auch verstehen “muss”. Ich kann inhaltlich völlig anderer Meinung sein, darum geht es in diesem Moment nicht. Es geht darum, den oder die andere in ihrer Welt “abzuholen” und das in Worten einfach auszudrücken. Wenn es gelungen ist, dass die andere Person sagt: “Ja, genau! Endlich verstehst du was ich meine!” ist der Weg frei für Schritt Nummer drei.
SCHRITT 3: EINLADUNG AUF DEN PARKPLATZ
Wenn es gelungen ist, wirklich zuzuhören, kann der nächste Schritt erfolgen. Im besten Fall ist es so, dass sich das Gegenüber nun für DEINE Welt interessiert und nachfragt: “Und, wie siehst du das?” Was nur dann geht, wenn auch eine gewisse Relevanz und Bindung und noch mehr Interesse aneinander vorhanden ist. Wenn diese Frage ausbleibt, kann man den anderen in die eigene Welt einladen: “Möchtest du wissen, wie ich darüber denke?” Natürlich besteht hier die Möglichkeit, dass die andere Person verneint. Das ist auch eine klare Aussage für die Beziehung zueinander, da lohnt es sich dann jedenfalls auch nicht, mehr Zeit und Engie zu investieren. Wenn doch, dann ist es in diesem Schritt gut, auf den “Parkplatz” zu gehen und in die eigene Welt einzutauchen und den anderen Menschen darin “herumzuführen”. So könnte man lernen, dass diese wunderbare Welt für jeden Menschen ein klein wenig anders aussieht und in der Vielfalt die Schönheit entdecken und diese Freiheit zu erleben.
DER HAKEN DARAN
Es gibt ein paar Kleinigkeiten, die an der Strategie schwer sind. Erstens: man kann nur die eigene “Welt parken”, wenn man einigermaßen gut versorgt ist (Stichwort: Selicare), weil es ein hohes Maß an Rücksichtnahme und auch das Hintenanstellen von eigenen Bedürfnissen und Gefühlen erfordert. Wenn ich gerade selbst sehr bedürftig und unausgeglichen bin oder müde und mürbe, ist das fast nicht möglich (was übrigens so einiges in der derzeitigen Lage erklärt). Und: es ist ein klein wenig ungerecht. Weil der Teil, der deeskaliert und die eigene Welt vorübergehend parkt, nachgibt und zurücksteht – und dem oft unreflektierten oder wütenden Gegenüber viel Raum überlässt. Das mag man auch nicht jederzeit aushalten. Wenn es also nicht gelingt: bleib geduldig und nachsichtig mit dir selbst.
Und wenn es gelingt, hast du folgenden Benefit.
du lernst die Welt des anderen kennen
du erweiterst deinen Blick auf die Dinge
du kannst Neues über dein Gegenüber erfahren
du sparst Energie, weil du Streit vermeidest
du kannst bewusster steuern, wie hitzige Diskussionen verlaufen
WAS WIRKLICH BEDROHLICH IST
Ich diskutiere leidenschaftlich gern. Auch hitzig und emotional – alles andere find ich beizeiten fad. Es ist also längst nicht so, dass ich meine Welt dauerhaft abstelle und mich nicht positionieren mag, ganz im Gegenteil. Wenn ich aber merke, dass Gespräche zu oft und zu schnell einen zerstörerischen Verlauf haben, wende ich “Ich parke meine Welt” aber sehr gern an und freue mich dann, dass wir einigermaßen zivilisiert miteinander umgehen können. Dass wir unterschiedlicher Meinung sein dürfen und keinen Konsens finden. Dass die Freiheit besteht, die Welt unterschiedlich zu betrachten. Und das Bedrohliche nicht ist, dass jemand anders DENKT, sondern, dass wir das in manchen Bereichen nicht ZULASSEN wollen. Monokulturen – egal ob in der Natur oder in Form menschlicher Meinung – sind keine gute Idee und sicherlich nicht zukunftstauglich.
In diesem Sinne: es lebe die Vielfalt! Habt eine gute Zeit und bunte Diskussionen voller Leben in euren Beziehungen. Besonders in denen, die euch am Herzen liegen.
Ist es egoistisch das Baby einen Abend bei Oma zu deponieren, um als frisch gebackene Eltern zu zweit essen zu gehen? Ist es zu aufopfernd, die Bedürfnisse des Kindes jederzeit zu erfüllen? Ist der Raum zwischen Aufopferung und Egoismus das, was wir unter Selbstfürsorge verstehen? Wenn ja: Wo genau liegt bitte die Grenze? Und wie zum Teufel soll ich das als Elternteil erkennen, was jetzt gut für wen wäre und das auch noch gleichzeitig hinbekommen?
DAS SOLLTEN WIR BEDENKEN
Zunächst mal: wir befinden uns in einer Ausnahmesituation. Wir erleben seit vielen Monaten, dass wir nicht nur auf lieb gewonnene Privilegien verzichten sollen, sondern auch auf Dinge, die für unser alltägliches und menschliches Leben grundlegend und und wichtig wären, wie zum Beispiel spontane Umarmungen, körperliche Nähe mit ruhigem Gewissen oder Feinheiten in der Interaktion (gesamte Mimik) eines Menschen zu sehen beim Sprechen und sowieso die verminderten Sozialkontakte. Das sollten wir bedenken, bevor wir anfangen, diese Gegensätze zu besprechen. Weil Selbstfürsorge nicht zusätzlichen Druck machen soll, sondern herausnehmen und viele Strategien, die wir vielleicht schon hatten, momentan nicht gehen.
ICH WEISS, DASS ICH NICHTS WEISS
Wir sind soziale Wesen und nun seit Monaten in unserer diesbezüglichen Lebensgestaltung mehr als begrenzt und wenn wir’s nicht ab und zu weniger genau nehmen mit den verordneten Maßnahmen sowieso ganz arm dran.
Auch und besonders, dass wir uns kaum noch in Gruppen erleben, im echten Raum, macht was mit uns und unserer Anknüpfungsfähigkeit, wie ich denke. Wir isolieren uns. Das mag virologisch Vorteile bringen, gesellschaftlich ist es allerdings durchaus kritisch zu sehen. Das Schwierige ist einfach, dass es sich nicht mit Sicherheit voraussagen lässt, was das für die nähere oder weitere Zukunft bedeutet, was wir gerade auf sozialer Ebene erleben.
Wir wissen ingesamt recht wenig und darüber noch weniger. So oft kommt mir das geflügelte Wort “Ich weiß, dass ich nichts weiß” in den Sinn, dass Sokrates zugeschrieben wird und das stimmt auch und erst recht für die momentane Zeit.
Was das Virus betrifft. Was unsere Zukunft betrifft. Wie wir aus der Nummer wieder raus kommen. Mehr denn je müssen wir im Jetzt leben und für uns sorgen können, denn auf Belohnung und Erleichterung irgendwann in der Zukunft ist schon länger kein Verlass mehr. (Ups, kurz abgeschweift.) Aber zurück zum Thema: Wie sorgt man also für sich in herausfordernden Zeiten?
ANOTHER TO-DO?
In einer Zeit, wo also viele Menschen gefühlt am Rande ihrer Belastbarkeit angekommen sind, wo die Nerven blank liegen, wo ein freundlich gemeintes Zunicken im Supermarkt fast aggressive Konfrontation auslöst vor lauter Missverständnissen, wo wir überfordert sind mit den Emotionen unserer Kinder, denen der Gesellschaft und manchmal auch unseren eigenen – ist es da überhaupt zulässig, zu sagen:
“Kümmere dich halt besser um dich selbst! Du musst schon auf dich schauen! Das ist ja deine Schuld, wenn du dich so aufopferst!” Ist Selbstfürsorge wirklich ein weiteres notwendiges To-Do auf einer sowieso schon viel zu langen Liste?
WARUM WIR SELFCARE NICHT AUTOMATISCH KÖNNEN
Diese Antwort ist womöglich schmerzlich, doch es ist tatsächlich unsere eigene Verantwortung, als Erwachsene auf uns selbst zu schauen. Sonst wird’s niemand tun und ganz ehrlich: ich will ich als mündige Erwachsene auch nicht. Für minderjährige Kinder übernehmen wir diese Verantwortung als Eltern in unterschiedlichem Ausmaß (je nach Alter, Reife und Entwicklungsstand) zusätzlich mit, also hocken wir als Elternteile quasi gleich doppelt im Dilemma, denn da fängt es an, besonders kniffelig zu werden. Allzu oft stehen sich die Bedürfnisse der Kinder mit denen der Erwachsenen diametral gegenüber und es geht sich schlichtweg nicht aus, beiden gleichzeitig und gleichermaßen gerecht zu werden.
WO DER HUND BEGRABEN IST
In der Tatsache, dass wir Menschen zu Beginn des Lebens schlicht nicht überlebensfähig wären und auf die absolute Fürsorge einer Bindungsperson angewiesen sind, liegt auch irgendwie der Hund begraben. Einerseits lernen wir in unserer frühesten Kindheit: “Ich werde versorgt, jemand kümmert sich um mich.” Und dann sollen wir als Erwachsene plötzlich können: “Schau auf dich selbst. Und schau auf dein Kind.” Also kippen wir möglicherweise in die Rolle der fürsorglichen Mutter oder des fürsorglichen Vaters bevor wir manchmal überhaupt gelernt haben, wie wir mal nur gut auf uns schauen. Damit wir nicht mit frühkindlichen Verhaltensmustern in eine Erwachsenenrolle stolpern, zahlt es sich aus, für einen sanfteren Übergang zu sorgen.
IRGENDWO IN DER MITTE
Wie kann man diese herausfordernde Rolle also anlegen, wenn Babys so viel Zuneigung, Liebe und Hingabe brauchen und Eltern oft sogar eingeschränkten “Zugang” zu lebensnotwendigen Dingen wie Schlaf und Nahrung haben (ich rede erst gar nicht von Mädelsabenden oder Wellnesswochenenden zu zweit), weil es ein Baby eben erfordert, die erwachsenen Bedürfnisse hinten an zu stellen, um leben zu können? Die Antwort ist: es braucht beides. Aufopferung und Egoismus. Ohne elterliche Aufopferung würden Neugeborene nicht überleben und ohne Egoismus könnten wir uns nie wieder aus dieser Dynamik lösen und andere Lösungen finden. Langfristig wäre es gut, irgendwo in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen mehr oder weniger hin und her zu pendeln, denn wenn ich eins bisher in punkto Elternschaft gelernt hab: es ist sicher keine Gerade sondern eher ein seismographisches Protokoll.
BEWUSST SEIN.
Es braucht immer wieder mal – und besonders am Beginn der Elternschaft – eine aufopfernde Haltung und Einstellung, um ein gutes Aufwachsen des Kindes zu gewährleisten. Viele Mütter und Väter tun das auch von Herzen gern, weil das Kind das Wertvollste in ihrem Leben ist. Dennoch ist es mitunter schwer und Viele beschreiben diese Belastungen als echte Grenzerfahrung: so große Verantwortung, so viel Geben, so wenig Entlastung.
Von Anfang an sei allerdings gesagt:
Alles, was nicht Stillen ist, können Väter und Mütter gleichermaßen.
Es ist gut und wichtig, die eigenen Belastungsgrenzen (auch zum Wohl des Kindes) zu beobachten.
Du darfst Hilfe und Unterstützung annehmen und auch danach fragen.
Und langsam aber sicher dürfen wir dem Menschenjungen auch selbst Dinge zutrauen und zumuten.
Denn dadurch wächst Vertrauen und Mut, und das wünschen sich wohl alle Eltern für das Kind und ein geschmeidigerer Übergang vom “versorgt werden” hin zum “sich versorgen” wird vorbereitet.
DAS EIGENE DING MACHEN
Ganz oft stellt sich die Frage nach der Zumutbarkeit.
Schafft es das Baby schon, bei Oma zu bleiben?
Ist es okay für das Kleinkind bei der Tante zu übernachten?
Bleibt das Kind schon ohne mich bei befreundeten Familien zum Spielen?
Kann ich dem Kind schon zutrauen, allein den Schulweg zu gehen?
Lasse ich das Kind im weltweiten Netz schon allein?
Was hier zumutbar ist, können und dürfen Eltern selbst entscheiden. Und es ist eine ständige Gratwanderung zwischen dem, was Kinder möchten und anderem, was Erwachsene möchten. Auch wenn es dazwischen hoffentlich so einiges gibt, das allen in der Familie gut tut. Nach diesen Gemeinsamkeiten sollte und darf man suchen, dabei viel ausprobieren und dann das “eigene Ding” machen, egal ob das dann zusammen kochen, wandern, faulenzen, spazieren, lesen, essen oder sonst was ist.
Die Bedürfnisse aller zählen – auch wenn nicht immer alle gleichzeitig erfüllt werden können. Ich sag immer gern: “Den Meisten soll es meistens gut gehen.” Das nimmt den Druck, alles für alle immer perfekt machen zu müssen, was sowieso eine Illusion ist.
VORLEBEN, WAS WIR DEN KINDERN WÜNSCHEN
Eltern tun sich oft schwer, dem eigenen Nachwuchs etwas auszuschlagen. Mit einem dauernden Nein macht man sich früher oder später sehr unbeliebt und auch wenn ich immer sage: “Elternsein ist kein Beliebtheitswettbewerb” – so ist schlechte Stimmung für alle Beteiligten blöd.
Ein klares Nein zum Kind ist aber oft ein liebevolles Ja zu mir selbst, wie Jesper Juul das auch in seinem Buch “Nein aus Liebe” beschreibt und mit dieser Idee im Hinterkopf kann es auch viel besser gelingen, die eigenen und persönlichen Grenzen zu wahren und schon dem jungen Kind vorzuleben:
Es ist okay, wenn ich arbeiten gehe, weil ich das gern mache und ich dann ausgeglichener bin. Es ist okay, wenn Mama laufen geht, weil ihr das gut tut und sie dabei Frust los wird. Es ist okay, wenn Papa an seinem Modellflieger baut, weil ihn das entspannt. Es ist okay, wenn wir Eltern dich bei Oma abgeben um Paarzeit zu erleben, du bist dort gut versorgt. Es ist okay, dass wir Eltern auch mal unsere Ruhe brauchen von euch Kindern, um dann wieder gut für euch da sein zu können.
GLEICHZEITIG & GLEICHERMASSEN
Es gibt kein eindeutiges Richtig oder Falsch zwischen den Polen Aufopferung und Egoismus. Wichtig ist, dass wir uns spüren und unsere Kinder und einlenken, wenn wir zu lange zu nahe bei einem der beiden Pole haften bleiben. Zu viel Aufopferung ist ungesund. Zu viel Egoismus auch. Und dazwischen ist nicht nur ein schmaler Grat sondern eher eine mittelbreite Zone, die gestaltet und gelebt werden darf. Das kann und wird beizeiten herausfordernd sein, weil es eben keine Patentrezepte gibt.
Manchmal werden sich Grenzen verschieben, weil man nie gedacht hätte, dass man auch “so” sein kann als Mama oder als Papa. Und die Frage, ob wir’s richtig gemacht haben, wird noch länger unbeantwortet bleiben.
Also richten wir uns nach dem, was uns JETZT zur Verfügung steht: die Antwort auf die Fragen:
Fühlt es sich für mich gut oder richtig an? Fühlt es sich wohl für das Kind gut oder richtig an? Fühlt es sich für uns alle gut oder richtig an? Und danach könnten wir handeln.
In Liebe zu uns. Oder in Liebe zu unseren Kindern. Und hoffentlich ab und zu in Liebe zu ALLEN – gleichzeitig und gleichermaßen.
Wenn du dich auf zwischen Aufopferung und Egoismus wieder besser orientieren und ausrichten magst:
MEINE, DEINE, UNSERE Bedürfnisse Online LIVE Workshop 7. April 2021 – 19.00 Uhr via ZOOM 25 €
Das Kind ist zu aufmüpfig. Das Kind ist zu zurückgezogen. Es ist zu impulsiv. Es ist zu passiv. Das Kind kann sich nicht benehmen. Es manipuliert dich doch! Welcher Elternteil hat nicht schon irgendwann mal so einen (oder ähnlichen) Satz gehört oder gedacht und wurde vom heimlichen Gefühl beschlichen: „…mit dem Kind stimmt was nicht!“ Was so ein Denkansatz mit Eltern und Kindern macht und was Eltern wissen dürfen, wenn ihnen so ein “Befund” aufs Auge gedrückt wird, darum geht‘s in diesem Beitrag.
AM RANDE DES WAHNSINNS
So oft erlebe ich Coachings, in denen Elternteile fast verzweifelt anrufen oder kommen und mit den verschiedensten Verhaltensweisen des eigenen Nachwuchs nicht (mehr) umgehen können. Weil das Kind Trotzanfälle allererster Sahne am laufenden Band serviert, weil es in der Schule mit der Lehrkraft auf unschöne Weise aneckt, weil es die Geschwister bis zur Weißglut ärgert, im Spiel die eigenen Freundinnen terrorisiert oder die Eltern mit geschwindelten Aussagen an den Rand des Wahnsinns treibt.
DAS ENDE DER WELT
Die ersten Beanstandungen am Verhalten (junger) Kinder kommen meist vom Außen. Die Schwägerin, der Nachbar, die Lehrerin, der Trainer, die Freundin, der Schwiegervater … wer auch immer es ist, sieht die Dinge meistens „klar“ und knallt so eine Einschätzung den oft bemühten Eltern ganz einfach vor den Latz: „Du solltest mit dem mal wo hin gehen, mit dem stimmt was nicht!“ Eine sehr viel schlimmere Botschaft kann man Eltern kaum überbringen, solche Worte empfinden Mütter und Väter fast als das Ende der Welt.
HANDELN FÜR SICH – NICHT GEGEN DICH
Vor lauter Schock beginnt man sich dann zu rechtfertigen, Dinge zu verharmlosen oder das Kind zu beschimpfen, bestrafen oder bedrohen. Oder noch besser: alles zusammen. Anstatt einfach mal stehen zu bleiben, tief zu atmen und sich einen Moment Zeit nehmen zum Wahrnehmen. Denn es gibt fast immer einen guten Grund, warum Kinder so handeln, wie sie handeln. Auch wenn ihnen das selbst natürlich nicht dauernd bewusst ist. Sie handeln immer für sich. Und nicht gegen dich oder jemand anderen.
GEGEN DIE EVOLUTION
Die Schwierigkeit ist, dass wir das allzu oft vergessen und dem Kind Vorsetzlichkeit unterstellen. Oft hört man schon bei Säuglingen von manch „klugen“ Menschen: „…. ah, die hat dich schon in der Hand. Die weiß schon, dass du springst, wenn sie ein bisschen weint!“ Dabei wäre es absolut gegen die Überlebensfähigkeit der Menschheit, wenn Säuglinge schon bewusst ihr Verhalten steuern oder gegen die Eltern richten könnten. Es würde sie davon abhalten, teils überlebensnotwendige Bedürfnisse einzufordern, vor lauter Bemühen, den Eltern „gefallen zu wollen“, sie nachts nicht oft aufzuwecken oder Ähnliches. Solche Dinge bewusst steuern zu können, wäre schlicht hinderlich für die Evolution.
BEDÜRFTIGER MENSCH TRIFFT AUF BEDÜRFTIGEN MENSCHEN
Das zweite Problem ist, dass Bedürfnisse – so ungeeignet sie auch geäußert werden mögen – immer auch auf Menschen treffen (wie uns als Eltern), die ebenfalls bedürftig sind. Meist bräuchten sie genau das Gegenteil von dem, was das Kind braucht.
Ein Säugling braucht in der Nacht oft Sicherheit und Nahrung. Eltern Ruhe und Erholung.
Kindergartenkinder brauchen Kreativität und Chaos und Matsch. Eltern Ordnung, Regeln und Sauberkeit.
Schulkinder brauchen vielleicht nachmittags Bewegung, Lernbegleitung und wildes Spiel. Eltern brauchen vielleicht Entspannung, Frieden und Stille.
Pubertierende brauchen Freiheit, Unabhängigkeit und Vertrauen. Eltern wollen oft Kontrolle, Vorschriften und Sicherheit.
BEDÜRFNIS OKAY – STRATEGIE UNGÜNSTIG
Wenn dann ein Kind nachts lang nicht durchschläft, ein Kindergartenkind nie aufräumen will, ein Schulkind sich schwer an Regeln hält und Pubertierende den Eltern den Rücken kehren, dann kann man innerlich leise runter zählen, bis jemand sagt: mit dem Kind stimmt was nicht. Du hast du Kontrolle verloren. Das Kind hat irgend was.
JA, das Kind hat was:
vielleicht ein Umfeld, das seine Erwartungen zu hoch geschraubt hat.
Sicher ein Bedürfnis, das es nicht selbst erfüllen kann und
Womöglich eine schlechte Strategie, das zu zeigen.
ALARMGLOCKEN SCHRILLEN
Wenn Kinder also in irgendeiner Form „auffällig werden“ – und wir reden hier meist über das laute, nach außen gewandte Kind, doch dieses auffällig sein kann auch ganz still und nach innen gerichtet sein – dann schrillen die Alarmglocken bei den begleitenden Erwachsenen.
Das können sie auch, doch nicht im Sinn von: „Mit dem Kind ist was verkehrt, das muss repariert werden!“ sondern im Sinn von: „Es gibt hier was, dass das Kind nicht allein schafft – vielleicht übersehen wir hier grad ein Bedürfnis.“ Und alle Anstrengungen von Erwachsenen sollten dann in diese Richtung gehen: „Lass uns schauen, was du und was wir dafür tun können, dass du das besser schaffst.“
IN BEZIEHUNG GEHEN
Wann immer wir wahrnehmen oder vom Außen behutsam oder stümperhaft aufmerksam gemacht werden, dass mit dem Kind „was nicht stimmt“, ist der erste und wichtigste Schritt in Beziehung zu gehen. Auf das Kind schauen, hinhören, wahrnehmen und versuchen, herauszufinden, was ihm gerade fehlt. Ist es unterfordert, überfordert, gelangweilt, frustriert, enttäuscht, unsicher, will es Aufmerksamkeit, Zuwendung, Ruhe, Empathie oder sich einfach zu einer Gruppe zugehörig fühlen? Die Bedürfnispalette ist bunt und breit und die richtige „Farbe“ zu entdecken, ist oft sogar für Eltern eine Herausforderung.
DAS KIND ABHOLEN
Wenn man allerdings weiß, was das Kind in Wutanfälle treibt, warum es im Unterricht laut dauernd Fäkalsprache verwendet, dem Nachbarskind die Schaufel um die Ohren haut, zubeißt oder dauernd im stillen Kämmerlein hockt und traurig ist, dann geht es darum, kurz Empathie zu zeigen. Sag:
„Hey, du musst ja ganz schön verzweifelt sein, wenn du zubeißt, um dich zu verteidigen.“
„Es ist sehr frustrierend für dich, dass du das nicht selbst bestimmen kannst, stimmt‘s?“
„Du hast dir so viel Mühe gegeben und das wird nicht beachtet, das macht dich traurig?!“
„Ist es so, dass du so gern beliebt sein möchtest und deshalb so versuchst, einen Platz in der Gruppe zu haben?“
„Kann es sein, dass dein Nein überhört wurde und du dir nicht mehr anders zu helfen wusstest?“
„Ist dir vielleicht einfach gerade langweilig, weil du solche Sachen machst?“
Wichtig dabei ist: WIR müssen nicht zwangsweise VERSTEHEN, was das Kind zu so einem Verhalten bewegt, aber es ist notwendig, es DORT abzuholen, bei seinem Handeln, bei seinem Gefühl. Und das geht niemals, in dem man ihm oder ihr sagt: du bist ja komplett verkehrt, ändere dich bitte ganz schnell!
RESSOURCEN AKTIVIEREN & LÖSUNGEN FINDEN
Viel mehr geht es darum, nach einer Runde Empathie und Einfühlungsvermögen eine passende Lösung zu finden. Hier geht man, wie schön öfter hier beschrieben, so vor: Was kannst du tun, damit diese Situation für dich und andere besser läuft? Kann ich etwas tun, damit diese Situation für uns alle besser läuft?
VERHALTEN IM KONTEXT
Natürlich ist es wichtig, dass ein Kind lernt, wann welches Verhalten okay ist und welches nicht. Zum Beispiel,… … dass es Fäkalsprache gern verwenden kann – am Klo oder in eine Dose schreien. Nicht im Unterricht. … dass es gern nackt herumlaufen kann – zuhause, im Garten, bei Oma. Nicht im Kindergarten. … dass es ruhig seine Wut zeigen und ausleben darf – beim Boxsack oder mit Tränen. Und sie nicht gegen andere Menschen richten.
HÖFLICHKEIT & andere GESELLSCHAFTLICHE NORMEN
Ja, auch das sind gesellschaftlich geformte Erwartungen und es macht Sinn, diese als Orientierung zu nehmen, doch sehr, sehr viele Bilder und Ideen, die uns die Gesellschaft entgegenbringt sind mehr als überprüfenswert. Nicht nur für unsere Kinder, sondern für uns alle. Im Übrigen halte ich Höflichkeit für absolut erfreulich und wünschenswert und gleichzeitig weiß ich: wir können nicht viel mehr tun, als es konsequent vorzuleben. Jeder, der schon mal versucht hat, ein Kind zum „brav grüßen“ zu bewegen, wenn es nicht will, weiß, dass man auch Höflichkeit nicht erzwingen kann.
ENTWICKLUNG & ERWARTUNGEN
Was ich oft erlebe ist, dass Kinder oft überschätzt werden, weil Eltern zu wenig über ihre Entwicklungsphasen wissen.
Was das zeitliches Vorstellungsvermögen eines Sechsjährigen betrifft.
Die Orientierungsfähigkeit eines Kleinkindes.
Die Aufnahmekapazität eines Volksschulkindes.
Die Anpassungsfähigkeit eines Unterstufenschülers.
Immer wieder kommt es vor, dass Kindern Böswilligkeit unterstellt wird, dabei können sie die Erwartung, die an sie gestellt wird gar nicht erfüllen, weil sie kognitiv, sozial, emotional, geistig oder körperlich dazu schlicht und einfach noch nicht in der Lage sind.
GEWERKSCHAFT, INTERESSENSVERTRETUNG & LOBBY
Wir brauchen also eine feine Klinge im Umgang mit Kindern und mein Ansatz, wenn ich mit „in Not geratenen“ Familien arbeite ist immer, darauf zu schauen, welche Bedürfnisse zu welchem Verhalten führen und dann zu schauen, das Vertrauen der Eltern in das eigene Kind (wieder) zu stärken. Überlegt mal: Kinder haben praktisch NIEMANDEN, der sich für sie einsetzt, wenn wir Eltern das nicht tun. Wir sind ihre Gewerkschaft, ihre Interessensvertretung und ihre Lobby. Nehmen wir bitte diese Aufgabe ernst. Auch wenn es besonders schwer ist, weil diese Tätigkeit sich manchmal auch gegen unsere eigenen Bedürfnisse, Wünsche, Erwartungen und Gefühle richtet.
Hattest du schon mal das Gefühl, mit dem Kind stimmt was nicht?
Weißt du mittlerweile, warum das Kind sich so verhalten hat und was es eigentlich gebraucht hätte? Kommentiere gern und lass uns voneinander lernen …. Wenn du Unterstützung brauchst: DAS herauszufinden ist meine Spezialität. Und Profi im Eltern-den-Rücken-stärken bin ich ebenfalls.
Ganz schön viel, das alles. Immer wieder im Leben gelangen wir an unsere Grenzen, stehen an, sind verzweifelt, wissen nicht weiter und sind mit heftigen Emotionen konfrontiert. Besonders anspruchsvoll ist es, dann als erwachsene Person, Kinder dabei zu begleiten. Warum wir von Selbstkontrolle weg zu Selbstregulation hin dürfen und wie das machbar wird, darum geht es heute und hier.
ÜBERLEBENSNOTWENDIG
Wenn wir über Gefühle nachdenken oder darüber sprechen, verwende ich gern zwei Bilder zum besseren Vorstellungsvermögen. Erstens sind Gefühle wie Luft: sie sind unsichtbar, man kann sie nicht angreifen oder vermessen und dennoch sind sie da, existieren und sind pure Lebensenergie. Wir brauchen sie, wie die Luft zum Atmen. Wer keine Gefühle hat, ist tot – zumindest emotional gestorben. Also sind Gefühle nicht nur unbestreitbar ein Teil des Lebens sondern sogar ÜBERlebensnotwendig.
VON OBERFLÄCHLICHKEITEN UND WESENTLICHEM
Das zweite Bild hat mit der Kommunikation ÜBER Gefühle zu tun und beschreibt sie wie einen Schlüssel. Gefühle – beziehungsweise das Sprechen über Gefühle – sind wie Schlüssel zum Tor der Welt des anderen. Wenn wir darüber reden, wie es uns geht, was wir fühlen, was uns berührt und bewegt, kommen wir ganz schnell weg von Oberflächlichkeiten hin zum Wesentlichen, zu den Themen, die uns selbst oder unser Gegenüber gerade ausmachen. Dazu braucht es natürlich eine gute Portion Vertrauen und einen sicheren Rahmen, besonders, wenn wir über Gefühle bei unerfüllten Bedürfnissen sprechen.
LAUTSTARKER AUSDRUCK
Wenn Kinder oder wir selbst Freude, Begeisterung, Leichtigkeit, Dankbarkeit, Zufriedenheit, Enthusiasmus, Inspiration, Erfüllung, Sicherheit, Liebe oder ähnliches empfinden, ist es meist leicht, das zu begleiten oder auszuhalten – weil wir diesen Zustand nicht verändern wollen und alles gut ist. Doch wenn wir andere Farben der Gefühlspalette spüren oder begleiten, sind wir oft recht schnell am Ende unserer elterlichen Weisheit angelangt. Umso mehr, wenn das Kind Emotionen wie Trauer, Wut, Frust, Enttäuschung, Demütigung, Unsicherheit, Angst, Zorn, Langeweile, Sehnsucht oder Hass auch noch deutlich lautstark auszudrücken vermag.
Schrei doch nicht so rum!
Jetzt beruhig dich doch!
Stell dich Bitteschön nicht so an!
Was hast du denn nun schon wieder?
Du bist echt ein Wahnsinn, so eine Katastrophe!
Solche oder ähnliche Sätze (ergänze gern aus deinem persönlichen Repertoire) kommen uns allen (inklusive mir) gelegentlich über die Lippen, dabei bringen sie uns selbst UND dem Kind genau gar nichts. Sie sind auch keine Hilfe für das geplagte Menschlein, sondern lediglich Ausdruck unseres eigenen Zustands, in dem wir uns befinden: zu müde, zu genervt, zu frustriert, zu enttäuscht, zu gestresst, zu schlecht gelaunt, zu sonst was – um angemessener reagieren zu können. Wir wollen einfach, dass es aufhört, dass wir (oder das Kind) endlich wieder kontrollieren, was abgeht.
Kontrolle heißt in dem Fall oft: Unterdrücken, Wegdrücken, Abschalten. Doch es braucht einen anderen Umgang.
Solltest du einfach NICHT WISSEN, wie man besser auf heftige Gefühle reagiert, hab ich hier drei Schritte für dich auf dem Weg von der Unterdrückung hin zur Regulation. Ich beschreibe sie im Folgenden aus der Sicht eines Elternteils zum Kind, doch merke dir: auch mit Erwachsenen verhält es sich so und du kannst diese Schritte jederzeit auf Erwachsenenbeziehungen ummünzen.
SCHRITT 1: GEFÜHLE ERKENNEN & BENENNEN
Wenn dein Kind sich in einem emotionalen Sturm befindet (oder auch nur einer Verstimmung) ist es wichtig, es dort abzuholen, wo es gerade steht. Je jünger das Kind ist und je geringer die sprachliche Ausdrucksfähigkeit und Entwicklung fortgeschritten ist, desto mehr braucht es eine erwachsene Bezugsperson, die dieses Versprachlichen für das junge Kind übernimmt. Natürlich können wir auch manchmal falsch liegen, aber der Versuch, das Kind in seinem Gefühl zu erfassen, ist enorm wichtig. Sag also:
Ich merke, du bist wütend – stimmt das?
Du ärgerst dich aber grad richtig – erzähl doch!
Das ist richtig frustrierend für dich, hab ich recht?
Du weinst ja, bist du grad richtig traurig, was?
Du bist verletzt, weil du ausgeschlossen wirst, stimmt’s?
So oder so ähnlich geben wir dem Kind zu verstehen: ich sehe dich in deinem Gefühl. Ich lasse dir dein Gefühl und sag dir durch meine Worte: du bist richtig und gut und darfst dich so fühlen. Auch wenn wir es auf unserer erwachsenen Verstandesebene vielleicht überhaupt nicht kapieren. Das ist in dem Moment egal. Es geht um das Kind und darum, dass es gesehen werden will.
Und darum, dass wir unseren Lösungsimpuls: “Geh, ist doch nicht so schlimm!” erstmal unterdrücken, weil es vorher noch etwas anderes braucht.
SCHRITT 2: BEDÜRFNIS SEHEN
Vor jedem Gefühl steht ein Gedanke, und hinter jeder Emotion steht ein Bedürfnis, das gerade erfüllt ist (wenn es uns “gut” geht) oder eben nicht erfüllt ist (wenn es uns “schlecht” geht). Ich plädiere gern dafür, auch positive Gefühlslagen sprachlich auszudrücken, weil es auch dafür Worte braucht, um eine gute emotionale Bildung zu fördern. Doch das Beschreiben von Bedürfnissen hinter belastenden Gefühlen ist NOT-wendig. Es ist der erste Schritt in Richtung Lösung, wenn wir solche kleinen oder großen Krisen bewältigen und absolut wichtig, weil wir uns in diesem Schritt damit befassen: welches meiner Bedürfnisse ist grad nicht ausreichend erfüllt?
Dieser Schritt wirft uns zurück auf uns selbst, weil jeder Mensch unterschiedlich auf Situationen reagiert und jede Person individuelle Belastungsgrenzen hat. Bedürfnisse selbst sind allerdings immer universell, das heißt: JEDER Mensch hat sie, wenn auch in verschiedenem Ausmaß.
Du möchtest wieder mit deiner Mannschaft Fußball spielen können, nicht? (Bedürfnisse dahinter z.B.: körperliche Bewegung, Spaß, Spiel, Gemeinschaft, Selbstausdruck…)
Du möchtest auch mitspielen mit deinem Bruder, hab ich recht? Bedürfnisse dahinter z.B.: Dazugehörigkeit, Akzeptanz, Frieden, Harmonie, Integration, Liebe, Verbindung, Anerkennung…)
Du vermisst deine Freundinnen schon heftig, und würdest die gern wieder umarmen?! (Bedürfnis dahinter z.B.: Berührung, Leichtigkeit, Wohlgefühl, Wahlfreiheit, Wärme,…)
Je jünger Kinder sind, desto eher braucht es eine “Übersetzung” in eine kind- und altersgerechte Sprache. Ein Zweijähriger hat nämlich sehr wohl ein Bedürfnis nach Integrität, kann aber mit dem Wort nix anfangen. Das erfordert schon allerhand sprachliches und emphatisches elterliches Geschick.
SCHRITT 3: AUSDRUCK VERLEIHEN
Wenn jemand erfreut ist, würden wir nie sagen: hör doch auf zu Lächeln. Bei Emotionen, die wir als “negativ” bewerten, verlangen wir das aber öfter von uns oder den Kindern. Dabei dürfen und sollen Gefühle “raus” – es kommt nur auf ein gutes “WIE” an. Wut an anderen Kindern auslassen: ungünstig. In den Boxsack kicken, weinen, stampfen: gut möglich. Rausgehen, sich körperlich betätigen, Musik hören, ablenken: vielleicht auch. Es kommt immer auf individuelle Lösungen an, weil für jeden Menschen etwas anderes gut ist.
Wichtig ist einfach: Emotionen unterdrücken führt dazu, dass sie sich einerseits aufstauen im Innen und andererseits zu einer Unterdrückung, die langfristig nicht nur zur Folge hat, dass negative Regungen dann irgendwann ausbleiben sondern leider auch positive. Dann gibt’s nur mehr minimale Höhen und Tiefen und ganz viel “plattes Land”, wie Nora Umlau das in ihrem Buch (“So viel Freude, so viel Wut”) beschreibt. Und das will ich ja bitte überhaupt nicht, dass wir bei unseren Emotionen, unserer Lebensenergie am Bremspedal stehen!
Also braucht es ein Ventil, noch besser mehrere verschiedene, eine passende Ausdrucksmöglichkeit und die Botschaft an das Kind:
DU bist okay, wie du bist.
Du hast starke Gefühle und die kannst du auch ausdrücken.
Ich begleite dich dabei, dass das in Akzeptanz deines Umfeldes passieren kann.
In diesem Feld gehen wir also mit (intensiven) Gefühlen um. Das ist emotionale und menschliche Schwerstarbeit und daher sei gesagt: kein Elternteil dieser Welt schafft das in 100% der Situationen, weil es dazu braucht, dass wir selbst eine halbwegs gut versorgte Bedürfnislage brauchen, um diese sensible Arbeit mit den Kindern (oder anderen Menschen) erfüllen zu können. Fehler (=Erfahrungen) sind erlaubt und auch okay, sie zeigen dir einfach: DU SELBST hast auch gerade ein Bedürfnis nicht erfüllt ;-). Eine Einladung zur Selbstfürsorge, sozusagen.
BEGEGNUNGEN IM VERHÄLTNIS 5:1
Es gibt Untersuchungen, die zeigen: wenn auf fünf positive Begegnungen eine negative folgt, ist das immer noch eine gute / glückliche / zufriedene Beziehung. Also im Zweifelsfall und in intensiven Zeiten dann jedenfalls darauf achten, genügend positive Beziehungsangebote zu setzen, die dieses Verhältnis herstellen können.
Eine Umarmung.
Ein liebevoller Blick.
Ein wertschätzendes Wort.
Eine kleine Gefälligkeit.
Das Lieblingsessen kochen.
Ein gemeinsamer Spaziergang. Es kann was ganz, ganz Kleines sein.
Die Einschränkungen und Veränderungen im Leben der Kinder in den letzten Monaten machen was mit ihnen. Und mit uns. Seien wir die Lobby unserer Kinder. Setzen wir uns für ihre Bedürfnisse ein. Geben wir ihren Gefühlen Raum und Gewicht und begleiten sie da durch.
Wenn “Freunde einladen” der neue zivile Ungehorsam ist, dann – JA – ist das ein Aufruf, sich weniger an Regeln zu halten als an menschliche Bedürfnisse. Das sehe ich als meine elterliche Verantwortung.
Was in diesem Beitrag war neu für dich und was willst du dir mitnehmen in deinen Alltag? Lass es mich wissen! Mehr zu diesem Thema? Einfach kommentieren …. bitte & danke!
FREE for YOU:
Du kannst dir hier auf der Website “zwei Gefühlspaletten” herunterladen, die dir als Elternteil helfen, den Gefühlen deines Kindes besseren Ausdruck zu verleihen bzw. sie genauer zu beschreiben.
#1Viola Liebisch (Sonntag, 07 Februar 2021 11:20)Ich lese schon länger deinen Blog und wollte dir auf diesem Weg von ganzem Herzen danken. Du gibst mir so viel Inspiration, so viel Verständnis für mich selbst und meine Kinder. Es ist oft wie ein Rettungsring wenn man denkt, dass das Leben und die Gefühle einen überrollen, wie eine Welle im Meer. Du hast so eine tolle Art zu schreiben und es ist immer wieder sehr beruhigend, wenn man sieht, dass es anderen mit Kindern oder dem Partnern auch so ergeht. Und das große Highlight: dass du verschiedene Lösungswege gleich dazu schenkst, die in der Realität auch wirklich umsetzbar sind 😀 Danke auch für die Buchtipps und Zitate, dadurch kann man sich gut zusätzliche Infos holen. Alles Liebe Viola
Das kindliche Leben ist erfüllt von verschiedenen magischen Figuren, manche rein in der Fantasie, andere greifbar nahe. Sie sind aufgeladen mit verschiedenen Mythen und Ideen und viele davon sind mehr als verzichtbar. Wie man dennoch Traditionen aufrecht erhalten kann, ohne den Kindern damit zu drohen und wo man Magie durchaus nützen darf, darum geht’s heute am Blog.
WO DER SPASS AUFHÖRT
Zugegeben. Ich bin in mancher Hinsicht befangen. Als ich Teenagerin war, hatten unsere Turnlehrer die ach so witzige Idee, eine Schar Krampusse (ich vermute, es waren unterbelichtete Jugendliche) in der Turnhalle auf uns loszulassen. Sie haben tatsächlich feste ihre Ruten auf uns peitschen lassen, bei einem Fluchtversuch stürzte ich und scherte mir meine Schienbeine kräftig auf, konnte mich dann auf das Klo retten und wurde selbst dorthin von einem geistreichen Maskenträger verfolgt, der unter der Klotür noch die Rute durchschob. Es war alles andere als lustig, dabei war mir zu dem Zeitpunkt natürlich längst bekannt, dass sich darunter einfache (im wahrsten Sinn des Wortes) Burschen verstecken, die einfach nur verkleidet Mist bauten und Gewalt anwandten.
DER ECHTE NIKOLAUS
So oder so ähnlich wie es mir damals ging, denke ich, geht es auch heute noch vielen Kindern, wenn Eltern nicht nur Krampus (das ist ja echt die Härte uns absolut indiskutabel) sondern auch Nikolaus oder Christkind dafür einsetzen, Kinder unter Druck zu setzen. Zumal das ja nicht bei Teenagern gemacht wird, sondern bei viel jüngeren Kindern, die eben noch nicht unterscheiden können, ob das nun eine “Verkleidung” ist oder “echt”!
Nur so zur Erklärung: in meiner Zeit als Elementarpädagogin hat sich der Nikolaus vor den Kindern sein Gewand angelegt (um zu zeigen, dass wir das nur im Andenken an diesen Heiligen tun) und hinterher waren sich die Kinder einig: der “echte” Nikolaus war bei uns gewesen! 😉
ZWISCHEN FASZINATION & VERANTWORTUNGSLOSIGKEIT
Was für die einen faszinierend und eine schöne Tradition ist, die sie nicht missen möchten, ist für andere Kinder der blanke Wahnsinn. Sie fürchten sich vor den riesigen Gestalten in ihrem außergewöhnlichen Gewand und auch wenn diese noch so friedlich erscheinen, können sie bei manchen Kindern heftige Ängste auslösen. Ein Kind hat sich hier mal, während der Nikolaus da war, tatsächlich groß in die Windeln gemacht. Ich brauche an dieser Stelle nicht erklären, was das zu bedeuten hatte. Gerne würde ich diese Situation ungeschehen machen und im Nachhinein manches korrigieren. Doch vieles haben wir auch gut gemacht in all diesen Jahren, wo die Kinder diese Figuren so faszinierend fanden. Denn die Verantwortung für was auch immer gaben wir nie in die Hand solcher Wesen und Gestalten.
ZWISCHEN SCHWÄCHE & GLAUBWÜRDIGKEIT
“Du musst brav sein, das Christkind fliegt schon und schaut dir zu!”
“Da kommt der Krampus, wenn du nicht machst, was ich sage!”
“Der Nikolaus erfährt alles, wirst schon sehen!”
Mit solchen Sätzen machen es sich Eltern scheinbar leicht und zwingen ihre Kinder, ihren Vorstellungen und Wünschen zu sprechen. Und vor lauter (Ehr-)Furcht, Angst und Zweifel kooperieren Kinder weit über die Zumutbarkeitsgrenze hinaus. Doch der Schein trügt. Eltern schwächen sich mit solchen Aussagen. Sie schwächen ihre Kompetenz, ihre Glaubwürdigkeit und vor allem ihre Beziehung und Bindung zum Kind, denn es heißt ja indirekt: “… und ich lasse zu, dass das geschieht!”
Sicherheit geht verloren, Vertrauen auch und die Freude sowieso.
Was also tun? Wenn man Traditionen liebt und sie den Kindern auch nicht vorenthalten will? Wieviel Ehrlichkeit brauchen Kinder? Wo sind die Grenzen dieser magischen Wesen?
Hier hab ich drei Tipps für Eltern, die das gut angehen möchten.
TIPP 1: NEVER EVER DROHEN
Das Wichtigste von allem ist tatsächlich, Figuren wie Nikolaus, Zahnfee, Krampus, Osterhase, Christkind oder weiß der Kuckuck wen, niemals als Drohgebärde zu verwenden. Es ist schlecht. Punkt. Schlecht für Eltern und schlecht für die Kinder. Hört auf damit.
Wenn Kinder sich nicht ohnehin fürchten, tun sie es bestimmt nachher, auch wenn sie oft scheinbar noch so cool zurück schmettern “… macht mir eh nix!”
Ihr Eltern seid stark genug, ihr wollt starke Kinder, selbstbewusste dazu und das ist wirklich das letzte, was ihr damit erreichen werdet, wenn ihr droht: “Da kommt aber ….. !”
TIPP 2: BEOBACHTEN, WAHRNEHMEN & INTERPRETIEREN
Allezeit drei wichtige Kompetenzen, die Eltern brauchen. Schau auf dein Kind: will es den Nikolaus wirklich sehen? Oder reichen Geschichten und ein still und heimlich gefundenes Sackerl mit Brief völlig aus? Was erzählt es darüber? Wie ist seine Körpersprache? Was kannst du als Elternteil wahrnehmen und beobachten?
Und danach komme ins Interpretieren und versuche, eine Lösung für dein Kind zu finden. Manche Kinder freuen sich unfassbar, wenn sie den Nikolaus sehen oder angreifen dürfen. Manche sind echt coole Socken und plaudern locker-lässig mit diesen magischen Figuren. Wenn aber auch nur der Anflug von Ängstlichkeit vorhanden ist, dann sollte man nachdenken:
Wird mein Kind dadurch gestärkt?
Wird mein Kind dabei ernst genommen?
Wird mein Kind dadurch besser gesehen?
Bekommt es Hilfe, wenn es Abstand, Rückzug oder Schutz braucht?
Und gib dir selbst die Antwort, ob es das wirklich braucht, solche Personen einzusetzen.
Es kann kaum einheitliche Lösungen für große Kindergruppen geben, so nebenbei angemerkt.
TIPP 3: MAGIE RICHTIG NÜTZEN
Es ist immer ein wenig Magie im Spiel, wenn wir von Nikolaus, Christkind, Osterhase, Weihnachtsmann oder so sprechen – und diese Magie kann durchaus genützt werden. Und zwar weit besser, als wir das manchmal tun.
Kinder sind im Kindergartenalter (und oft weit darüber hinaus) sehr empfänglich für magische Ideen und auch ich nütze dieses Alter, um Kinder mit Magie zu stärken, wenn ich Kinder coache. In der Praxis sind das dann Mutsteine, Kraftmurmeln oder Zaubergriffe, die dem Kind die Möglichkeit geben, in die Handlungsfähigkeit zu kommen und den Glauben an sich zu stärken.
Wenn schon Nikolaus, dann bitte in das “goldene Buch” ausschließlich positive Botschaften reinschreiben, worauf das Kind stolz ist, Anerkennung zollen, es aufbauen, bewundern. Wenn schon Zahnfee, dann bitte als Mutmacherin. Wenn schon Christkind oder Weihnachtsmann, dann als positive, bestärkende Instanz nicht als bestrafender, ewig beobachtender Erziehungshelfer.
Nütze Magie und die Vorstellungskraft um dein Kind GROSS zu machen, um ihm Vertrauen zu schenken und es zu unterstützen bei herausfordernden oder zermürbenden Aufgaben. Alles andere kannst du getrost weglassen.
ZWISCHEN EHRLICHKEIT & DESILLUSION
Kinder haben ein Recht auf magische Ideen, wie ich finde. Sie dürfen sich imaginäre Freundinnen zulegen, an die Zahnfee glauben und das Christkind bewundern. Wenn sie dich fragen: “Gibt es das wirklich?” Dann halte es wie der fabelhaft schlechte Therapeut aus “Monsieur Claude und seine Töchter”, der immer dasselbe sagt, was in diesem Fall aber super passt: “Oh. Und du? Was meinst du? Aha. Und weiter?”
Das heißt soviel wie: Höre genau hin, das Kind zeigt dir, wie viel es wissen mag! Und du erfährst aus seiner Welt! Der Vorteil dabei: du wirst es nicht mit deinen Erklärungen überfordern, wenn du dich an ihm orientierst! Nur, wenn es explizit nach deiner Meinung fragt, äußere sie.
Ich fand folgende Sätze immer wertvoll:
“Gibt es den Nikolaus?” – “Ja, das war ein Mann, der vor langer Zeit gelebt hat und Gutes getan hat, sodass wir heute noch an ihn denken und ihn feiern.” “Gibt es das Christkind wirklich?” – “Ja, das Christkind ist das Kind in der Krippe. Das Kind von Maria und Josef!” “Bringt das Christkind die Geschenke?” – “Hm. Was meinst du?”
Und pack all dein Fingerspitzengefühl aus, wenn du ins Gespräch gehst.
WENN DIE ZEIT REIF IST
Wenn Kinder aus dem magischen Alter eindeutig draußen sind und wissen wollen, was hinter dem Zauber von Weihnachten – neben dem Geburtstag von Jesus – noch versteckt ist, hat man verschiedene Möglichkeiten. Unsere Töchter bekamen damals von uns einen Brief zu Weihnachten, mit dem wir Eltern sie ins “Team Christkind” geholt haben. Und der Jüngste spielt heuer wohl ein letztes Mal “Sherlock Holmes” am Heiligen Abend, denn er will es heuer unbedingt selbst herausfinden, hat er letzten Sonntag gesagt. Wir werden ihm diese Freude gönnen und mit einer kleinen Träne in den Augen auch ihm diesen Brief unterm Baum geben … und damit das letzte unserer Kinder hereinholen in unser magisches Weihnachtsteam.
Du siehst also:
Magie kann wundervoll sein und bezaubernd, stärkend und inspirierend. So dürfen und sollen wir sie nützen … empathisch, ehrlich und fasziniert: denn das tut auch uns Eltern gut! Du bist meiner / anderer Meinung? Schreib mir gern in die Kommentare, wie du das Thema siehst!
Du könntest eine Vorlage für so einen “Team CHRISTKIND Brief” brauchen? Ich schenke dir unsere Formulierung weiter. Verwende sie gern, wenn sie für dich stimmig ist!
Für “kniffligere” Fragen steh ich auch gern am MAMAtelefon zur verfügung! Unkomplizierte, rasche und individuelle Hilfe – ohne Termin, von daheim aus! Lass mich dein Telefonjoker sein ;-). (Abrechnung nach tatsächlicher Gesprächszeit, 1€ pro Minute)
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