Angst und Liebe.

Angst und Liebe.

“Vielleicht sollten wir es jetzt mit Liebe versuchen, weil die Angst die letzten zehntausend Jahre wohl keinen Erfolg gebracht hat.” Gerald Hüther
Über dieses Zitat hab ich die letzten Tage viel nachgedacht. Ganz grundsätzlich, aber auch in bezug auf die aktuellen gesellschaftlichen Vorgänge. Wie Angst nützlich sein kann und warum wir sie dennoch auf ein Minimum reduzieren sollten. Darum geht es hier und heute.

Angst und Liebe. Zwei Gefühle, die vermutlich jeder Mensch kennt. Sie können der Motor für verschiedenste Handlungen sein: verbindende und trennende, verletzende und heilende, intuitive und berechnende. 
Wir gehen Beziehungen ein, wählen Freundinnen aus, treffen Entscheidungen in Bezug auf Gesundheit, Beruf, Familie usw. – manchmal motiviert durch Angst und hoffentlich oft motiviert durch die Liebe.
Nicht immer ist auf den ersten Blick erkennbar, was hinter solchen Handlungen, Aussagen oder Empfehlungen steckt, nicht immer ist der handelenden Person bewusst, wodurch er oder sie gesteuert wird.
Drum zahlt es sich aus, einen genaueren Blick darauf zu werfen.

Was ist Angst?

Das Wort “Angst” stammt vom griechischen Verb “agchein” und dem lateinischen “angere” ab. Beides heißt übersetzt “würgen”, “die Kehle zuschnüren”. Das beschreibt ganz gut, wie es uns in den letzten Wochen geht, jedenfalls bildlich gesprochen. 

Angst äußert sich körperlich etwa wenn das Herz zu rasen beginnt, die Pupillen sich weiten, unsere Knie schlottern, der Körper Adrenalin ausschüttet und das Blut bindet mehr Sauerstoff. So bereiten wir uns auf kritische Situationen vor, auf Flucht oder Kampf und diese Vorkehrung der Natur kann lebensrettend sein, weil wir auch übernatürliche Kräfte entwickeln. Jedenfalls war das in der Evolution sehr hilfreich.
Doch wie viel Angst ist heute noch “notwendig”?

Wieviel Angst braucht der Mensch?

Leider überkommt die meisten Menschen das unbestimmte Gefühl der Angst (im Gegensatz zu Furcht, die immer auf etwas Bestimmtes gerichtet ist) unfreiwillig und unkontrolliert. Und überwiegender Weise ist es wohl so, dass die Angst uns lähmt anstatt zu mobilisieren.

In den letzten Wochen wurde hierzulande und auch anderswo bewusst auf diese Emotion gesetzt um ein bestimmtes Verhalten der Menschen zu erreichen. Das hat, finde ich, ganz gut geklappt und war angesichts der Tatsachen, die so am Tisch lagen, möglicherweise auch in Ordnung. 

Wir haben uns bedroht gefühlt in unserer Gesundheit. Wie real und groß die Gefahr wirklich war und ist, lässt sich leider angesichts der fehlenden seriösen Daten kaum sagen – zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt. (Wir wissen, dass wir nichts wissen.)

Abstand halten, Hygiene Vorschriften befolgen, in Armbeugen niesen, wenn krank daheimbleiben – all diese Dinge lassen sich ja in gewissem Rahmen einhalten oder waren für Viele sowieso selbstverständlich. Das könnte auch freundlich, gelassen und ruhig geschehen.

Menschlichkeit wäre angesagt

Was mir aber Sorgen bereitet, ist, zu beobachten wie auch die Menschlichkeit, unser Einfühlungsvermögen, unsere Kommunikation, das Miteinander hierbei leidet. Auch wenn wir nicht gleich tot umfallen, weil wir uns kaum noch anlächeln können, werden wir doch recht schnell bemerken, dass uns eines erst recht krank macht: ANGST.

Erst recht, wenn unter diesem Titel versucht wird, unsere Grundrechte zu beschneiden. 
Wenn wir uns nicht mehr versammeln dürfen. 
Wenn über unseren Privatraum bestimmt wird. 
Wenn körperliche Unversehrtheit nicht mehr geschützt wird. 
Wenn die Demokratie unter die Räder kommt.

Angst ist ein probates Mittel, um uns Dinge schmackhaft zu machen oder unterzujubeln, die uns letztlich sehr viel Leid bringen und gefährlich sind, aber als “sinnvoll” und “notwendig” verkauft werden, weil es jemandes Interessen bedient, die wir nicht so genau kennen.

Zeit für ein neues Konzept: Liebe statt Angst

  • Dann wird es Zeit, sich auf etwas zu besinnen, was uns heilt.
  • Dann wird es Zeit, sich auf etwas zu besinnen, was stärkt.
  • Dann wird es Zeit, sich auf etwas zu besinnen, was verbindet.
  • Dann wird es Zeit, sich auf etwas zu besinnen, was uns lebendig macht.
  • Dann wird es Zeit, sich auf etwas zu besinnen, was uns mutig macht.

In den meisten Fällen ist Angst durch individuelle Prozesse und Erfahrungen erlernt – und die gute Nachricht ist: sie kann auch wieder verlernt, sprich: abgebaut werden.
Das darf auch ein wenig dauern, also brauchen wir vielleicht ein klein wenig Geduld.
Doch es zahlt sich aus, auf Vertrauen zu setzen. Und auf Liebe.

Liebe ist eine Bezeichnung für stärkste Zuneigung und Wertschätzung – das sagt zumindest Wikipedia, wenn man danach fragt. Und es stimmt! Mehr als je zuvor ist es jetzt wichtig, Wertschätzung füreinander aufzubringen. Dass wir sehen, dass wir trotzdem umgeben sind von Liebe, von Menschen, die wertvoll sind und für die wir dankbar sein dürfen.

Zum Beispiel …

… für unsere Kinder, die mit vielleicht fürchterlichem Verhalten nur ausdrücken möchten, dass sie mit der Situation überfordert sind und sich nicht helfen können. 
Sag: “Ich sehe dich. Du bist in Ordnung. Das Rundherum ist grad schwierig.”

… für unsere Familien, die möglicherweise mehr Reibung, Nähe und Widerspenstigkeiten aushalten müssen, als sonst.
Sag: “Ich merke, dass wir grad viel streiten. Trotzdem gut, dass wir uns haben.”

… für unsere Partner*in, die den Druck und Stress, unsere Anspannung abbekommen obwohl sie nicht der Grund dafür sind.
Sag: “Ich halt mich gerade selbst nicht aus. Danke, dass du da bist.”

… für unsere Freundin, die sich das Gejammer ausdauernd anhört und noch so kontroverse Diskussionen mit dir austrägt, weil verschiedene Meinungen sein dürfen.
Sag: “Ich schätze dich, auch wenn du anderer Meinung bist. Danke für die offenen Gespräche.”

Wir brauchen die Liebe und auch Vertrauen, damit wir unsere nähere und fernere Zukunft gut bewältigen können (im Übrigen auch die Vergangenheit und unsere Gegenwart). 

Wir brauchen sie viel dringender und in viel größerem Ausmaß als die Angst. 

Die Liebe, unsere gegenseitige Wertschätzung und Zuneigung wird uns mutig und lebendig machen, sie wird uns als Gesellschaft verbinden und stärken und heilen, was über lange, lange Zeit hinweg von der Angst kaputt gemacht worden ist.
Wir werden sie brauchen, wenn wir die aktuellen Fragen um den Datenschutz, um Impffreiwilligkeit und demokratische Grundrechte verteidigen zu können, weil wir vereint vorgehen werden müssen, wenn wir etwas erreichen möchten.


Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt, weil ich in meinem Umfeld so Viele habe, die ähnlich ticken und ich daher weiß: WIR SIND VIELE. 

Liebe ist stärker als Angst, Hass und Panikmache.
(Und wenn schon Liebe nicht geht, dann zumindest Respekt. Das wär schon mal ein Anfang.)
Lasst uns verbinden, lasst uns zusammen stehen und lasst uns die Liebe nicht verlieren. 
Vor allem nicht die Liebe zum Leben und zu unserer Einzigartigkeit.

Warum das Gras woanders grüner ist.

Warum das Gras woanders grüner ist.

Noch vor einigen Wochen:


“Hach, so viele Termine. Es ist einfach so stressig. Das ganze Arbeiten und Kinder nebenbei haben find ich schon super anstrengend. Uns bleibt kaum Zeit zum Durchatmen. Ein bisschen Zeit einfach mit der Familie wäre fein. Daheim bleibt einfach alles liegen, momentan komm ich zu gar nix! Das Lebenstempo ist einfach zu hoch, das hält man ja nicht aus ….!”


Jetzt, bei Vielen:

“Oh Mann, das viele daheim herumsitzen macht mich ganz wahnsinnig. Ich bräuchte wieder etwas Abwechslung, hier ist es einfach zu langweilig! Du hast es schön, du kannst zur Arbeit gehen! Was soll ich bloß die ganze Zeit tun? Die Kinder nerven schon die ganze Zeit, weil wir einfach zu viel hier gemeinsam rum hängen. Was würde ich geben, für ein paar ruhige Stunden im Büro. Diese Einöde die ganze Zeit, das hält man ja nicht aus ….!”

Hmmm. Kommt dir bekannt vor? Also manche dieser Sätze habe ich tatsächlich so gehört und andere stammen aus meinem eigenen Kopf. Wir sind schon lustige Wesen, nicht?! Warum neigen wir derartig dazu, unzufrieden zu sein mit dem, was wir haben? Sind wir wirklich so undankbar und können einfach nicht schätzen, was uns gegeben wird? 

Warum ist das Gras immer woanders grüner?

Darüber hab ich mir in den letzten Tagen so meine Gedanken gemacht und versucht, Antworten zu finden. Weil die derzeitige Ausnahmesituation uns einige Dinge sehr genau vor Augen führt:
Nämlich: dass es erstens auf unsere Haltung ankommt. Und dass wir zweitens Unzufriedenheit und Stolpersteine brauchen, um uns zu entwickeln und weiter wachsen zu können.

Was meine ich mit Haltung? Mehr denn je wird uns gerade bewusst, dass wir uns oft unser “altes” Leben zurück wünschen. Ich für meinen Teil würd liebend gern wieder meine erweiterte Familie in den Arm nehmen können, könnte wieder meiner geliebten Arbeit in der Ehevorbereitung oder bei Vorträgen, Workshops und Beratungen nachgehen, wir hätten noch Skifahren gehen können und jetzt das herrliche Wetter für Wanderungen nützen, ich könnte wieder die Montagsyoga-Routine genießen oder einen Mädelsabend verbringen.

Doch alle diese Dinge sind jetzt untersagt und machen etwas mit uns.
Wir werden trotzig und traurig, weil wir dies und jenes nicht “dürfen”.

Die erste Antwort, die ich also gefunden hab, lautet: sei dankbar für “dein grünes Gras” und schätze, was dir im Moment gegeben ist. Denn das ist das Einzige, was dich glücklich machen kann.

Wirklich glücklich und auf Dauer. 
Jetzt ist die Gelegenheit, Zeit mit der Familie zu verbringen.
Jetzt ist die Gelegenheit, durchzuatmen.
Jetzt ist die Gelegenheit, lange Aufgeschobenes zu erledigen.
Jetzt ist die Gelegenheit, sich auszuruhen.
Jetzt ist die Gelegenheit, es langsamer anzugehen.

Natürlich kann man nun sagen: ja, es würd schon so passen, wenn diese Einschränkungen nicht wären, wenn wir unsere Familien weiter einladen könnten und nicht so ein schmales Freizeitprogramm zur Auswahl hätten.

Ich sag jetzt mal frech: auch wenn es noch so angenehm wäre und alle zeitweiligen Begrenzungen aufgehoben wären – es würd uns bald wieder etwas nicht “passen” und den inneren Nörgler auf den Plan rufen. Also gibt es vermutlich noch eine zweite Antwort auf die Frage, warum das Gras woanders immer grüner ist.

Wir sind nämlich nicht dazu geboren, um still zu stehen. Wir Menschen sind geboren, um zu wachsen, uns zu entwickeln und dazu zu lernen. Wenn die Dinge im Umfeld immer glatt laufen würden und wir nie eine Form der Unzufriedenheit spüren könnten, welchen Ansporn hätten wir, uns zu verändern und daran zu reifen? 

Frei nach dem Motto: “Never change a running system!”
Also tun uns Veränderungen wohl doch gut, auch wenn sie sich noch so unangenehm anspüren.
Sie wecken die innere Gestalterin in uns, die sagt: 
“Das bekommen wir hin!
Wir finden eine Lösung!
So könnten wir das erledigen!
Ich hab da eine Idee!
Lass uns was Neues ausprobieren!”

Manche dieser guten, neuen Ideen sind bereits jetzt, nach weniger als drei Wochen sichtbar geworden und manche werden sich womöglich erst später zeigen. Was immer wir auch als Einzelpersonen oder als Gesellschaft in dieser Phase lernen: wir werden definitiv nach dieser Krise ANDERS sein, weil wir einscheidende Veränderungen erleben. 

Nicht alle Erlebnisse werden positiv sein, soviel steht fest. Es wird kranke und leidende Menschen geben. Es werden Tote zu beklagen sein. Es könnten Menschen traumatisiert zurückbleiben oder jedenfalls völlig ausgebrannt. Das ist womöglich unausweichlich.

Opfern wir also nicht diese wertvollen Leben ohne daraus etwas Gutes zu machen.

Es liegt an uns. Wir sind hier. Wir sind lebendig. Wir haben es in der Hand, die Dinge, die schon lange oder erst seit Kurzem schief gelaufen sind, zu verändern. Wir sind diejenigen, die die Zukunft in eine gute Richtung drehen können. Jeder und jede Einzelne von uns.

Also: nütze deinen Tag. Entweder um ehrlich dankbar zu sein, für was du hast.
Oder um eine vielleicht notwendige Veränderung auf den Weg zu bringen.
Und dazwischen: bleibt gesund! Haltet Abstand! Aber bitte nicht “soziale Distanz”, sondern “körperliche”!! 😉

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  • #1Hellena Spitzer (Samstag, 04 April 2020 08:50)Super geschrieben! Empfinde ich auch genau so (mich eingeschlossen).
Im Kelomat der Gefühle & Bedürfnisse

Im Kelomat der Gefühle & Bedürfnisse

Familien im Ausnahmezustand.

Egal ob wir daheim praktisch aufeinandersitzen müssen oder ob wir durch einen systemerhaltenden Beruf vor anderen Herausforderungen stehen: die momentane und wohl noch länger dauernde Situation ist alles, außer gewöhnlich.

Seit Bekanntwerden der Empfehlung “Bleib daheim!” gibt es eine Flut von Tipps und Rezepten, wie man Kinder daheim beschäftigt, was mit ihnen zu tun ist und ganz selbstverständlich übernehmen wir Eltern aus dem Stand den Heimunterricht. Warum Mütter dennoch keine Entertainer sind, was jetzt tatsächlich zählt und warum der Streit mit der Realität nichts bringt, darum geht’s heute hier am Blog.

Zack, zack, zack. Und der Staat wird auf Minimalbetrieb runter gefahren. Die Kinder sind daheim oder wir stehen vor echten Betreuungsproblemen. Das tägliche Leben wie wir es kennen: abgesagt.
Die Welt steht kopf. (Alle? Nein, eine Insel im Nordwesten Europas lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.)

Wie schon letzte Woche hier beschrieben, gibt es gute Gründe ruhig zu bleiben, das Neue als Chance zu wachsen zu sehen, die Herausforderung anzunehmen, in der Liebe zu bleiben.
Doch, dass nun der Druck auf Familien noch mal deutlich erhöht wird, fällt erst auf den zweiten Blick auf.
Mein erstes Gefühl war auch: hey, viel mehr Freiheit und Selbstbestimmung.
Das zweite allerdings: alles lastet auf meinen / unseren Schultern als Eltern.

Kein Wunder, dass man weiß, dass Quarantäne Maßnahmen die Zahl der häuslichen Gewalttaten in die Höhe treiben. Der Frust, die Enge, die Spannung entlädt sich – wie immer – nach unten: bei den Schwächeren, sprich Kindern und Frauen.

Wir sitzen im Kelomat (für alle, denen das Wort nix sagt: Druck-Schnellkochtopf. 🙂 ) Unterschiedliche Menschen unterschiedlichen Alters mit unterschiedlichsten Bedürfnissen und teils heftigen Gefühlen. Deckel drauf und dann kräftig aufheizen, der Druck kann steigen. Muss er aber nicht.

Ja, Kinder brauchen gerade in Krisenzeiten Struktur. Sie brauchen Rituale, die (vielleicht neu erfunden) jetzt gewisse Eckpfeiler im Tagesablauf markieren. Sie brauchen auch sinnvolle Beschäftigung und Anleitung. 

Doch wir sind nicht für die Dauerbespaßung und -belehrung zuständig. Wenn wir in diese Rolle fallen, machen wir uns kaputt. Wir sollten erst gar nicht versuchen, jede Minute mit sinnvollem Tun zu füllen, eine Bastelidee nach der anderen umzusetzen, Aktivitäten vorauszuplanen und den Kindern dann vorzugeben. Das sind einfach gewohnte, alte Muster, die sich ihren Weg bahnen wollen. Doch wir brauchen nicht wieder “volles Programm” und “action” am laufenden Band.

Was jetzt not-wendig ist (Achtung, Wortspiel!), ist Beziehung. 

Sie brauchen jemanden, der ihre Gefühle erfasst und benennt.
Sie brauchen jemanden, der ihre Bedürfnisse erkennt und anspricht.
Sie brauchen jemanden, der da ist: aufrichtig, ehrlich und echt.

Bedürfnisorientiertes und beziehungsorientiertes Handeln in einem neuen Licht, also. Weil wir nicht aus der Fülle an Möglichkeiten schöpfen können, die wir gewohnt sind, und Wünsche jederzeit erfüllen, werden wir zurückgeworfen auf das, worum es eigentlich geht: 
das HINSEHEN, HINHÖREN und HINFÜHLEN.(Statt: “… ich schau, wie ich das möglichst schnell erfülle, damit Ruhe ist!”)

Statt: “Jammere bitte nicht schon wieder wegen den Freundinnen!”
Ja, es ist traurig, dass du deine Freundinnen so lang nicht sehen kannst.

Statt: “Du hast es doch so schön ruhig, jetzt lern halt einfach, was dir aufgegeben wurde!”
Ja, es ist frustrierend, dass du ganz allein lernen sollst.

Statt: “Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du derzeit mit niemandem spielen kannst!”
Ja, es ist furchtbar, die Nachbarskinder zu sehen und dennoch nicht spielen gehen zu können.

Statt: “Das geht jetzt nicht, wir können Oma und Opa jetzt einfach nicht besuchen!”
Ja, es ist schade, dass wir Oma und Opa jetzt so lang nicht sehen.

Statt: “Ich kann das – mir ist soooo fad – nicht mehr hööööreenn!”
Ja, es ist auch langweilig, dauernd zuhause sein zu müssen.

Es ist, wie es ist.

Kerstin Bamminger

Wenn wir mit der Realität streiten, sind wir immer die Verlierer.
Was den Druck im Kelomat also erleichtert, ist folgende Haltung:
“Ich sehe deine Bedürfnisse.
Ich höre deine Wünsche. Ich fühle, wie es dir geht.
Und ich helfe dir dabei, das auszudrücken und auszuhalten. “
Niemand sagt, dass das leichter ist, als Kinder zu “bespaßen” oder “beschäftigen”. Doch es ist definitiv dringender und vor allem NOT-wendig. Nach dem WAHRnehmen folgt übrigens keine gemeinschaftliche, langanhaltende Depression, sondern die Suche nach Lösungen

  • Was glaubst du, hilft dir, wenn es so langweilig ist?
  • Was glaubst du, lenkt dich jetzt ab?
  • Was können wir denn tun, wenn …. gerade nicht geht?

Bindet die Kinder in die Lösungsfindung ein! WIR müssen nicht alles wissen! Wir können Möglichkeiten anbieten und vorleben (“Weißt du, mir hilft zum Beispiel, ….”). Wir können aber auch unwissend sein.

Es ist deswegen trotzdem manchmal schwer auszuhalten, weil wir in unseren Möglichkeiten begrenzt sind, oder uns zumindest begrenzt fühlen – und: weil wir selbst im Ausnahmezustand sind.

Du darfst auch sagen:
Ich bin auch traurig. Ich bin auch frustriert. Ich bin auch überfordert. 
UND: wir schaffen das GEMEINSAM. 
Es darf dauern, bis sich ein neues System “einpendelt” und dabei darf es auch ordentlich wackeln
Vertrauen wir darauf, dass wir jetzt die Gelegenheit haben, Dinge neu zu ordnen, unseren ausschweifenden und überdimensionalen Lebensstil zu überdenken und dass es gelingen wird eine bodenständige, neue Ausrichtung zu bekommen

Auch wenn wir jetzt noch nicht genau wissen, wie die aussehen wird.
Stay positive. Stay strong.


GEFÜHLspaletten als Hilfswerkzeug

Das Ausdrücken von Gefühlen und Bedürfnissen ist oft schwieriger als vermutet. Wir sind, wie ich gern sage, sachlich verwahrlost, was dieses Thema angeht, unterscheiden bei der Frage “Wie geht’s dir denn?” oft nur zwischen gut und schlecht. Dabei sind wir soooooo viel mehr! 


Diese beiden Gefühlspaletten schenke ich dir: druck sie aus und hänge sie an einen gut sichtbaren Ort, wo sie dir hilfreich sein können als Unterstützung beim Formulieren von Gefühlslagen. Wenn deine Kinder noch nicht lesen können, biete ihnen verschiedene Begriffe an, oder versuche für sie den richtigen Ausdruck zu finden.

Das verlangt viel Empathie, ich weiß – es ist aber sprachliche Bildung und Herzensbildung in höchster Form!


Bei Fragen: immer gern das MAMAtelefon nützen 😉 …

CORONA , oder: Bleib in der Liebe!

CORONA , oder: Bleib in der Liebe!

Da sind wir also. Mehr oder weniger plötzlich erwachen wir in einer Situtation, die wir so sicher nicht geplant hatten, oder uns so wünschten. Ein Virus und sein Schatten verschaffen sich Raum – kaum jemandem, der nicht völlig abgeschottet von Nachrichten & Co lebt, war es wohl möglich, in den letzten Tagen einen kompletten Bogen um das Thema zu machen. 

Es geht uns an. Und es geht uns alle an. Gedanken kreisen beständig um das Thema, der kritische Geist überlegt, was vielleicht Wahrheit und was Übertreibung ist, das bequeme Gemüt schreit auf, dass es keine Veränderung will, der sensationshungrige Zwerg in uns meint, gefüttert werden zu müssen und ganz nebenbei erwacht draußen, als ob sie nichts von all dem wüsste, die Natur.

Auch in Zeiten, in denen scheinbar alltäglichste Dinge über unseren Kopf hinweg bestimmt werden, uns verordnet werden, haben wir die Wahl. So wie wir immer irgendwie eine Wahl haben.
Wir können in Panik geraten, uns jede Schreckensmeldung anhören, wie verrückt unsere Lebensmittelvorräte aufstocken, Angst und Schrecken verbreiten und uns fürchten, weil alles momentan ach so schrecklich ist.

Und wir können Ruhe bewahrenEmpfehlungen einfach beachten, unsere Nächsten schützen. Wir können Begrüßungsrituale verändern und dabei erleben, wie wir plötzlich viel bewusster auf den anderen achten, weil es nicht mehr so automatisiert ist. Wir können spielerisch an das Thema Händewaschen herangehen und unsere Haut dabei achtsam spüren. Wir können Kontakt zu den Großeltern vermeiden und schon jetzt die Vorfreude auf das Wiedersehen genießen. Wir können – wie Notfallsanitäter Mag. Gerry Foitik gestern treffend beschrieben hat – durch Rücksichtnahme zu Lebensrettern werden indem wir unser Leben für einige Zeit verändern.

Veränderung. Wunderbare Zeiten also für’s Gehirn. Wer hier schon länger mitliest, weiß, dass ich Fan von allem Neuen bin, dass ich gerne selbst unbeschrittene Wege gehe und es mag, mich heraus zu fordern, ungewohnte Dinge zu tun, um im Kopf frisch zu bleiben.

Jetzt bekommen wir Veränderung quasi per Verordnungsschein. Wunderbar. Schulen und Kindergärten machen ab nächster Woche dicht. Alle möglichen Veranstaltungen sind abgesagt. Aufträge werden storniert und plötzlich wird aus einem vollen Kalender einer mit ganz viel Raum.

Jammern wir nicht allzu oft über das hohe Tempo?
Jammern wir nicht allzu oft über die vielen Termine?
Jammern wir nicht allzu oft über ärgerliche Verpflichtungen?
Nun – jetzt können wir mal ordentlich bremsen und uns auf das Wesentlichste reduzieren.
Und das, obwohl wir (noch hoffentlich lang) bei bester Gesundheit sind.
Eine Pause.
Ein Schnitt.
Eine Unterbrechung.

Und weißt du was? Ich bin nicht die Einzige, die sich ein bisschen darauf freut. Schon mehrere Menschen mit denen ich in letzter Zeit Kontakt hatte, haben schon Ideen, was sie “nun endlich” umsetzen möchten, weil durch diese außergewöhnliche Situation Zeit dafür entsteht.

Die Ideen reichen von “ich näh mir endlich mein eigenes Dirndl, der Stoff liegt eh schon so lang daheim” über “ich miste meinen Gewandkasten aus” bis hin zu “die Garage gehört dringend aufgeräumt”. Ich kann es schon jetzt fast fühlen, wie es sein wird, lang aufgeschobene Dinge erledigt zu haben – weil viele Alltagstermine ausfallen.

Natürlich bin ich in einer privilegierten Situation, denn es gibt Berufsgruppen und Menschen, die jetzt erst recht gefordert sind, vielleicht noch mehr arbeiten sollen und sich dabei in Gefahr begeben, über ihre Grenzen hinauswachsen müssen. Ich ziehe meinen Hut vor allen, die durch ihr Tun diese Gesellschaft in einer Krise am Laufen halten und DANKE von Herzen.

Allen, denen die aktuellen Emfehlungen einen wirren Kopf bescheren, denen wünsche ich jedenfalls, dass es ihnen gelingt, RUHE zu bewahrenPOSITIV zu bleiben, sich für LANGSAMKEIT zu begeistern, und immer davon auszugehen, dass es da LÖSUNGEN gibt, neue VERHALTENSWEISEN zu erproben und entdecken, zu WACHSEN mit der Aufgabe.

Bleiben wir zuversichtlich.
Bleiben wir achtsam.
Bleiben wir rücksichtsvoll.
Bleiben wir dankbar.
Bleiben wir gelassen.
Bleiben wir freundlich.
Bleiben wir in der Liebe.
Denn Angst macht definitiv krank. Auch ohne Virus. 
Stay safe and enjoy your new current life. 

P.S: derzeit stelle ich es mir durchaus idyllisch vor, mit den Kindern den neuen Alltag daheim zu gestalten, viel Zeit für Spiel und Natur zu haben, die sonst fehlt. Ein bisschen Lernen und HomeOffice dazu, nebst jeder Menge Familienzeit. Falls uns die Realität überholt und wir anschließend alle einen Lagerkoller haben, liest du es vermutlich nächste (oder übernächste) Woche … genau hier. 😉

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  • #1Sandra g. (Donnerstag, 12 März 2020 22:31)Applaus, Applaus, für deine Worte!!
    Kerstin, du hast das echt voll gut geschrieben!! Ich werde es weiterteilen und hoffe es sehen und nützen das viele so!!!
  • #2Bernhard (Freitag, 13 März 2020 02:06)DANKE KERSTIN, DAS IST ES!!
  • #3Carmen (Freitag, 13 März 2020 07:28)Super, Kerstin! Danke für die schönen, wahren Worte. Diese Panikmache ist der Horror. Ich freu mich ehrlich gesagt auch auf die Zeir mit meinen Liebsten. ❤ Hab nicht Angst um meine Kinder oder mich – wir sind ja fit und lassen uns nicht unterkriegen. Aber meine Großeltern sind alt und gebrechlich. Das ist mir erst jetzt richtig bewusst geworden. Es liegt an uns, sie zu schützen. Wer mich kennt, weiß, ich bin ein Grund-positiver-Mensch�. Ich als Selbstverständige bin halt in einer etwas anderen Situation. Wenn ich nichts arbeite, verdiene ich auch nichts. Punkt. Partys werden auf unbestimmte Zeit verschoben, was ich auch verstehe. Das als Alleinverdiener, der gerade mitten im Hausbau steckt … momentan nicht die Beste Kombi�. Aber ich werde es schaffen! Der Virus ist hoffentlich bald in Griff zu bekommen und die Menschen verlieren ihre Angst und schätzen soziale Kontakte, die Tupperpartys mit sich bringen umso mehr. �� Wir werden in dieser Notsituation wieder näher zusammenrücken und uns wieder mehr umeinander kümmern. Füreinander da sein. Das werden wir Positives aus dieser Lage mit raus nehmen. Und es wird die Menschheit im Umgang miteinander stärken.
    Ich wünsche allen das Wichtigste: xund bleib’n!!!!
  • #4Kerstin Bamminger (Freitag, 13 März 2020 09:02)Vielen Dank für die positiven Rückmeldungen! Es freut mich, euch mitnehmen zu können.
    @Sandra: Danke für den Applaus!
    @Bernhard: It is, what it is! 😉
    @Carmen: vollstes Verständnis unter Selbständigen. Es ist auch unbequem und wir kommen möglicherweise mit unseren Existenzängsten in Berührung. Das ist natürlich eine Herausforderung. Umso schöner, dass du auch der Meinung bist, dass ein positiver Geist jedenfalls hilfreich ist, wenn schon im Außen manches schwer wird. Ich versuche auch weiter die Chancen zu sehen. Die Möglichkeiten, sich zu verändern und daran zu wachsen, auch wenn es hart ist.
    Wie hat schon Kelly Clarkson so schön enthusiastisch gesungen: “…. what doesn’t kill you makes you stronger!”
    Bleibt’s g’sund!
  • #5Maddy (Freitag, 13 März 2020 11:04)DANKE für die aufbauenden und wahren Worte! Genau so muss man es sehen. 🙂
    Mir ist auch nicht mehr wohl bei der Sache gewesen, aber mit deinem Beitrag hast du mir geholfen, es mit anderen Augen zu sehen. DANKE! Alles Gute, weiter so & bleibt gesund!
  • #6Susanne (Freitag, 13 März 2020 17:25)Wahre Worte Kerstin … ENTSCHLEUNIGUNG!!!!
    Wieder Zeit haben für Wesentliches
FEMINISMUS: 10 Fragen & Antworten

FEMINISMUS: 10 Fragen & Antworten

Im Februar diesen Jahres hat mich eine Schülerin der Abschlussklasse der Fachschule Kleinraming gebeten, sie bei ihrer Facharbeit zum Thema Feminismus und Frauenrechte zu unterstützen und Fragen zu beantworten. Ich war natürlich gleich “on fire” – erstens, weil ich gerne junge Frauen unterstütze (wie auch immer) und zweitens, weil mich das Thema begeistert. 

Lena hat mir die Fragen geschickt und mit ihrer Erlaubnis teile ich hier und heute meine Antworten mit meiner Leserschaft.

Liebe Lena, ich wünsch dir übrigens alles Gute für dein Ausbildungsfinale und

dass deine Arbeit bei deiner Lehrerin Fr. König-Felleitner, die mich empfohlen hat,

gut ankommt. Ich drück dir die Daumen! Du wirst das rocken!!!


“If you stand for equality, you’re a feminist. That’s it.” (Emma Watson)


1. Bezeichnen Sie sich als Feministin, wenn ja – warum?

Ja, ich bezeichne mich (mittlerweile) gern als Feministin. Beim Feminismus geht es um Gleichberechtigung, Menschenwürde und Selbstbestimmung aller Menschen und nicht etwa (wie manche Menschen glauben) um Männerfeindlichkeit oder Frauenbevorzugung. Insofern sehe ich keinen Grund mich nicht als Feministin zu bezeichnen, denn die oben genannten Werte sind Grundpfeiler einer gesunden Persönlichkeit. Früher war es für mich auch eher ein “Schimpfwort”.

2. Warum brauchen wir im Jahr 2020 Feminismus?



Eben weil es immer noch geschlechtsspezifische Unterschiede gibt, wie ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen, weil Frauen in vielen Bereichen des Lebens unterrepräsentiert sind (nicht nur in den Führungsetagen des Landes) und besonders, weil so viel hochwertige Arbeit, die überwiegend von Frauen geleistet wird, die sogenannte Care-Arbeit, unbezahlt und daher auch zu wenig wertgeschätzt und gewürdigt wird – von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. 

3. Wo herrscht zwischen Frauen und Männer noch am wenigsten Gleichberechtigung?

In der Bezahlung von Arbeit. Und hier meine ich eben nicht nur Erwerbsarbeit, sondern auch und besonders Care-Arbeit. Leider sind zudem sogenannte typische Frauenberufe generell schlechter bezahlt als sogenannte typische Männerberufe, was weitreichende Auswirkungen hat in Bezug auf bezeichnende Lebensentscheidungen – besonders was Familien und die Aufteilung von Arbeit dort betrifft.


Auch sprachlich gehöre ich zu denen, die penibel darauf achten, korrekt zu sprechen. Ich sag bewusst nicht “gendern”, weil das so einen negativen Touch hat!

Wenn meine Ärztin eine Frau ist, sage ich niemals “zum Doktor gehen”. Es ist schlicht und einfach falsch und hemmt uns im gleichwürdigen Denken! Sprache ist Macht und diese Macht darf genützt werden!
Ich könnte jetzt noch schreiben über weibliche Hauptrollen, wieviel Text Frauen in Hollywood Blockbustern bekommen, welche Rollen Mädchen schon in der Kinder- und Jugendliteratur einnehmen oder über die von Social Media und Co salonfähig gemachten Posen sprechen, die Mädchen einnehmen sollen, damit sie “für Jungs süß” rüberkommen. An dieser Stelle würde die Antwort wahrscheinlich in eine Doktorarbeit münden und mein Nervenkostüm überstrapazieren.

4. Finden Sie dass Feminismus männerfeindlich ist?

Was kann an Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und Gleichwürdigkeit von beiden Geschlechtern männerfeindlich sein? Ich weiß schon, dass man Feminismus gerne in diese Ecke rückt – und offen gestanden gibt es auch Persönlichkeiten, die sich männerfeindlich verhalten, doch das hat nichts mehr mit Feminismus zu tun!
 Es braucht die Erkenntnis, dass Männer Stärken haben und Frauen Stärken haben, die GEMEINSAM dazu beitragen können, diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Natürlich fühlen sich manche Männer nun bedroht, weil sie eine recht bequeme Position – die des bestimmenden Patriarchen – aufgeben sollen. Echte Männer – nämlich welche, die keine Minderwertigkeitskomplexe haben – kommen mit starken Frauen wunderbar klar.

5. Welche/r Politiker/in wäre für Sie in der Lage wirkliche Veränderungen für Frauen und Mädchen weltweit zu bewirken? Wer sollte mehr Einsatz zeigen?


Das ist eine schwierige Frage, da wir hier in Mitteleuropa diesbezüglich in einer vergleichsweise heilen Welt leben. Ich glaube, dass beispielsweise Michelle Obama sich sehr für Bildung und Chancen von Mädchen weltweit einsetzt und da ist sie bestimmt nicht die Einzige.

Ich schätze unseren Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, der bei erster Gelegenheit eine Frau als Kanzlerin und ein geschlechtermäßig ausgewogenes Kabinett installiert hat, wenn auch nur als Übergangslösung. Und ich vermute, dass es noch viele andere Personen in politischen Ämtern gibt, die sich ähnlich bemühen – mir aber hier und jetzt nicht einfallen oder bekannt sind. Ich finde immer schade, wenn sich Frauen in Führungspositionen oder aus dem öffentlichen Leben angewöhnt haben wie Männer zu funktionieren anstatt sich auf ihre eigenen Talente zu besinnen. Und wenn solche Frauen dann auch noch ihre enorme Präsenz in den Medien nutzen um andere Frauen zu diskreditieren, bekomme ich alle Zustände vor lauter Enttäuschung.

6. Was verändern Sie als Feministin in unserer Welt?


Ich bemühe mich, jegliche gelernten oder unbewusst überlieferten Bilder von Geschlechtlichkeit bei meinen Kindern zu vermeiden. Keine Mädchenfarben, keine Jungs-Spielsachen oder Ähnliches – jede und jeder darf alles und kann alles machen, was er oder sie gut findet. Ich traue allen Kindern alles zu und versuche nicht etwa Mädchen vor technisch oder körperlich schweren Aufgaben zu schützen oder Jungs vor der Hausarbeit zu schonen. Das ist täglich ein Stück gelebte Gleichberechtigung und Gleichwürdigkeit.


Ich nütze meine Arbeit, um Frauen zu bestärken und ihnen zu echter Selbstbestimmung und Unabhängigkeit zu verhelfen. Ich verdeutliche ihnen den Wert ihrer Arbeit, ermutige sie zu individuellen Entscheidungen, denke aber dabei immer daran, dass wir alle uns in sogenannten Systemen bewegen, in die wir auch hineinpassen möchten und wo wir dazugehören wollen. 
Als jemand, der viele Frauen erreicht, habe ich Einfluss – wenn auch in kleinerem Rahmen als echte Promis. Diesen Einfluss nütze ich so oft wie möglich um uns Frauen zu verbünden, uns gegenseitig zu unterstützen und stark zu machen und zusammen mit Männern eine gute Zukunft zu gestalten. Das könnte man dann *SINNfluencen* nennen. 

7. Hatten Sie schon negative Erfahrung als Feministin?

Mich kränken natürlich abschätzige Kommentare ein wenig mit, wenn man sich anhört, was beispielsweise eine Sigrid Maurer oder die neue Justizministerin Sadic sich anhören oder lesen müssen. Selbst wenn ich weiß, dass diese Meldungen von definitiv unterentwickelten und schwächlichen Männern kommen, lässt es mich nicht völlig kalt.
 Persönlich bekomme ich sehr wenig ab – ich denke, es wird eher hinter meinem Rücken geredet, dass ich eine “Emanze” bin oder wie wir auf gut oberösterreichisch sagen: “a Schoarfe”. Das bringt mich dann wohl eher zum Lachen. 


Mein Mann kriegt da eher manchmal etwas ab, weil Männer ihn sehr wohl konfrontieren mit seiner Frau, die so unangenehme Sachen ausspricht und eine von denen ist, die “scheinbar den Hals nicht vollkriegen”.  So nach dem Motto:  “… was wollen sie denn noch alles, die Frauen?” Womit wir wieder bei Frage 2 wären.

8. Gab es schon Situationen wo Sie es bereut haben, sich als Feministin einzusetzen?

Nein, ich habe noch nichts bereut – im Gegenteil. Ich wünsche mir manchmal, ich hätte früher schon in manchen Situationen deutlichere Worte gefunden.

Obwohl ich sehr schlagfertig bin, war ich oft perplex angesichts einer frauenfeindlichen Meldung mir oder einer anderen Frau gegenüber. 
Dass das aber auch gefährlich sein kann, ist mir bewusst und dieses Gefühl hatte ich sehr wohl schon. Wenn du einem Mann klar sagst, er soll die Hand von deinem Hintern nehmen und er das beinhart und provokant ignoriert, du dich dann mit deinem Stiletto Absatz auf seinem Vorfuß verteidigst … dann kann das schon mal fast ins Auge gehen. 


Selbstverteidigungskurse sind super und hilfreich, letztlich darf man sich aber auch selbst schützen, indem man eine Situation verlässt und nicht “bis zum bitteren Ende” ausharrt. Kluge Frauen treffen eben kluge Entscheidungen.

9. Finden Sie es gut, dass es auch männliche Feministen gibt?

Ich finde es nicht nur gut, ich finde es hervorragend!!

Wie gesagt: es geht um Gleichberechtigung, Gleichwürdigkeit, Selbstbestimmung – all das geht nur, wenn wir uns mit den Männern verbünden, sie als ebenbürtig ansehen und uns nicht überhöhen. Dafür brauchen wir sie mit im Boot und es ist zu einem großen und guten Teil auch an einem Mann – nämlich meinem Papa – gelegen, dass ich zu der Frau geworden bin. 


Väter können wesentlich dazu beitragen, ihre Töchter zu stärken, sie gleichwürdig und gleichwertig behandeln und nicht wegen ihres Geschlechts Spezialbehandlungen anwenden. Sie leisten 50% der Arbeit, also: JA, wir brauchen sie! Dringend! Und mehr von ihnen!!

10. Glauben Sie, dass Frauen einmal dieselben Rechte wie Männer bekommen könnten?


Das glaube ich nicht, das weiß ich. Es muss so kommen!

Die Frage ist nur, wie lange es noch dauern wird. Das Patriarchat war bis 1976 in Österreich gesetzlich verankert – und die gesellschaftlichen Mühlen mahlen oft langsam – besonders, was Rollenbilder betrifft. Also brauchen wir vermutlich noch etwas Geduld. Leider. 
Ich glaube, dass das die Rettung der Welt bedeuten könnte. 
Frauen führen anders, Frauen denken anders, Frauen handeln anders.

Und die aktuelle Situation (Klima, Kapitalismus, Kriege) sind meiner Meinung nach eindeutig auf männliche Entscheidungen zurückzuführen. Frauen waren ja nirgendwo an der Macht!


Das würde sich schlagartig ändern und das wird sich schlagartig ändern, wenn mehr Frauen vorne stehen (wie mein Opa liebevoll sagen würde).

Das ist ein Bild voller Hoffnung!

Ich bin außerdem voll Zuversicht, wenn ich mir viele junge Frauen anschaue, die das Thema schon viel früher und viel bewusster aufnehmen. So wie Sie!
Die Zukunft wird weiblicher und das ist dringend nötig. Wenn wir mehr Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mittragen können, wird das spürbar sein für Frauen in unserem Land. Gemeinsam mit Männern kann es gelingen.

Ein friedliches, konstruktives und gegenseitig bereicherndes Miteinander.

So stell ich mir das vor. Und Gedanken schaffen Realität.
Also tragen wir die Gedanken hinaus in die Welt!

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  • #1Andrea Holzer-Breid (Freitag, 06 März 2020 13:12)Liebe Kerstin! Vielen Dank für deinen wunderbaren Beitrag zum Thema Feminismus! Der Film „Die Dohnal“, der gerade in den Ö-Kinos gespielt wird, passt super zu deinen Impulsen.
  • #2Kerstin Bamminger (Montag, 09 März 2020 14:01)Liebe Andrea, danke für deine Rückmeldung! Ich möchte mir den Film voll gern ansehen und hoffe echt, ich find ein Zeitfenster ;-)!! Lg, Kerstin
Fasten. Das Tor zum “MEHR”.

Fasten. Das Tor zum “MEHR”.

Aschermittwoch. Was für die einen eine politische Bühne ist, für andere das Probesterben nach einem fordernden Fasching, so ist er für manche Menschen der Beginn der Fastenzeit.
Fasten hat ja für die eine oder den anderen ein negatives Etikett. 
Wir leben in einer Gesellschaft des Überflusses, einer “Zuvielisation”, alles steht uns praktisch jederzeit zur Verfügung, wir sind kaum mehr gewöhnt etwas nicht haben zu können – und noch weniger, freiwillig weniger zu wollen als möglich wäre.

Dabei bietet das bewusste Verzichten auf verschiedenste Dinge – ich hab ja letztes Jahr ausführlich darüber geschrieben, wie wir mit allen Sinnen fasten können (BLOG Beitrag lesen) – einige echte Vorteile, für die es sich lohnt über das “FASTEN” nachzudenken.

SINNSUCHE

Egal, was man fasten möchte: es beginnt immer mit der Suche nach dem geeignteten Feld. Das heißt: wenn es nicht gerade von jemand Fremdem vorgeschrieben (= aufgezwungen) wird, sind wir grundsätzlich frei, zu entscheiden, wobei wir uns reduzieren möchten.

Das bedingt eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben:
Wovon gibt es bei mir ein Zuviel?
Was würde mir guttun zu reduzieren?
Wo möchte ich mich auf das Wesentliche besinnen?
Die Suche nach der Sinnhaftigkeit ist also schon der erste bedeutende Schritt, der dem Fasten vorausgeht.

Das kann natürlich per Datum erfolgen, muss es natürlich nicht. Ich lasse mich gern von solchen Gelegenheiten im Jahreskreis packen, da steckt für mich oft mehr Energie drin.

FREIHEIT

Sich zu entschließen, auf Was-auch-immer bewusst zu verzichten ist ein Akt der Freiheit. Wir leben in einem reichen Land, leiden keine Not und können uns ganz einfach dafür entscheiden, weniger zu brauchen (als uns manchmal vorgegeben wird).
In dieser Haltung steckt ein ganzes Stück Unabhängigkeit, eine riesen Portion Luxus und jede Menge Leichtigkeit. Freiheit, so wird uns oft suggeriert, ist, wenn man sich alles leisten kann, jederzeit alles bekommt und im Überfluss lebt.
Ich meine: Freiheit ist viel einfacher und schneller erreicht, wenn ich mit weniger zufrieden bin, als ich haben könnte. Wenn ich Anerkennung im Innen finde statt im Außen. Wenn ich dankbar bin für das, was ich hab anstatt nach ewig mehr zu lechzen.

GEWINN

Durch das “Weniger” kann ein “Mehr” entstehen. 
Wenn ich bewusst meine Nahrung reduziere, kann ein mehr “Körperwohlgefühl” entstehen. 
Wenn ich bewusst auf schlechte Gedanken verzichte, kann mehr “Zuversicht” entstehen. 
Wenn ich bewusst diversen Lärm im Alltag beschränke, kann mehr “Stille” hörbar werden, in der ich mich selbst finden kann. 
Wenn ich bewusst die Reizüberflutung in (sozialen) Medien vermeide, kann mehr “Zeit” für echte, persönliche Begegnung entstehen.

Wenn ich bewusst meine vollen und immer beschäftigeten Hände leere, kann ich “mehr” Wertvolles aufnehmen und annehmen (Berührung, Zärtlichkeit, Kontakt).
Hinter einem Weniger verbirgt sich immer ein Gewinn – wenn dieser Gewinn nicht erkennbar oder spürbar ist, finde ich, ist es eventuell nicht der richtige Bereich, in dem man sich eingrenzen will.

Mal abgesehen davon, dass es höchst natürlich ist, anfangs so etwas wie Entzugserscheinungen zu haben. (Ja, das sind diese Stimmen im Kopf, die dir flüstern, dass das alles ja Quatsch ist, du dich dem doch nicht aussetzen musst, dass du wieder so weitermachen sollst, wie vorher, …..)

Ich glaube, dass das WENIGER wollen, WENIGER brauchen, WENIGER müssen, …. ein Schlüssel für ein zufriedeneres und glückliches Leben ist und nicht zuletzt auch unsere Gesellschaft, die ja seit Jahrzehnten derart über ihre Verhältnisse lebt, die Rettung wäre. Fasten also auf Rezept und Verordnung?
Wie bei so vielen anderen Dingen glaube ich nicht, dass es uns verordnet werden kann und soll, weniger Fleisch zu essen (oder darauf zu verzichten), weniger zu fliegen (oder darauf zu verzichten), weniger zu konsumieren, weniger Müll zu produzieren,….  – es darf eine freiwillige Entscheidung sein. 

In der Überzeugung, dass es uns gut tut.
In der Überzeugung, dass es der Gesellschaft gut tut.
In der Überzeugung, dass es der Umwelt gut tut.
In der Überzeugung, dass es den Tieren gut tut.
Weniger ist mehr. Lassen wir uns doch darauf ein.

Und wenn schon nicht das gesamte Jahr, dann zumindest phasenweise.
Phasenweise ist ein guter Anfang. 
Let’s get it started. 
Today. 
Du? Schon Fastenvorsätze? Welches MEHR verbirgt sich hinter deinem “Verzicht”? …

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  • #1Manfred Mitterer, Steinakirchen (Donnerstag, 27 Februar 2020 22:50)LIebe Fr. Bamminger,
    danke für diese sehr anregenden Gedanken zum Fasten.
    Ich bin fest davon überzeugt, dass “Selbstbegrenzung” (=Fasten) ein wesentliches Lernfeld ist, damit wir nachhaltiger, ökologischer, klimafreundlicher, beziehungsintensiver, gelingender und letztlich befriedigender/glücklicher/zufriedener …. leben können.
  • #2Kerstin Bamminger (Montag, 02 März 2020 16:50)Lieber Herr Mitterer, da sind wir uns dann einig. Schön, wenn wir VIELE sind, die so denken und damit andere anstecken! Liebe Grüße nach Steinakirchen!