von Kerstin Bamminger | Aug. 9, 2024 | Allgemein, Frauenstärke, Leben
Hormongeschwängerte Glückseligkeit, heisere Stimme und zwei Unterarme voll mit bunten Perlenbändern. So hätte der heutige Freitag sein sollen nach dem geplanten Taylor Swift Konzert in Wien. Geplatzt der Traum – am späten Mittwochabend und immer noch ist es unbegreiflich.
Warum dies junge Menschen emotional aus der Bahn wirft, was wir von Taylor Swift über Beziehungen lernen können und wie man richtig tröstet, liest du in diesem Beitrag.
Tränen fließen, stille Umarmungen werden geschenkt und es werden Löcher in die Luft gestarrt. Seit der Nachricht von der Absage der Wien Konzerte des US-Superstars Taylor Swift laufen in diesem Haushalt mehrere Seelen neben der Spur.
Jahrelange Vorfreude: zerschmettert.
Enthusiastische Vorbereitungen: verhöhnt.
Heiß ersehntes Konzerterlebnis: torpediert.
Unfassbar, dass es ein paar wenigen hirnlosen Extremisten möglich ist, hunderttausenden jungen Menschen derart in die Suppe zu spucken.
Warum die Wogen und Emotionen bei den Fans – die sich selbst Swifties nennen – so derartig hochgehen hat mehrere Gründe, wie ich meine.
1.) Starke emotionale Verbindung
Taylor Swift ist bekannt für ihr Songwriting und verarbeitet in den Texten lebensnahe Erfahrungen, an die so viele Jugendliche und Menschen überhaupt anknüpfen können. Von enttäuschter Liebe, dem Frust der ungleichen Behandlung von Männern und Frauen bis empowernden Unterstützungshymnen: gefühlt hat Taylor Swift für jede beliebige Lebenssituation einen Song parat, der zum Ausdruck bringt, wie man sich fühlt. Das erzeugt eine starke emotionale Verbundenheit zwischen ihr und den Fans. Sie fühlen sich gehört, verstanden, abgeholt. Etwas, das ihnen so oft im echten Leben fehlt. Die Musik holt sie ab, umarmt sie und gibt ihnen Halt, wenn sie ihr Leben verarbeiten.
2.) Tiefgründige Werte
Als weibliche Künstlerin, Unternehmerin und Rollenvorbild verkörpert Taylor Swift vor allem Werte, die der jungen Generation bedeutend sind. Freiheit und Unabhängigkeit, gleiche Chancen für alle Geschlechter, Stärkung von Frauen. Sich nicht verbiegen lassen und zu sich selbst stehen – aber auch Freundlichkeit, Mitgefühl und Akzeptanz. Ein Respektvolles Miteinander, Fürsorge und ein offenes Herz für andere haben – all das kommt nicht zuletzt beim Tauschen der „Friendship Bracelets“ bei ihren Konzerten zum Ausdruck. Das mag teeniehaft und oberflächlich wirken – wer die Community kennt, erlebt aber, wie aufrichtig das gelebt wird. Der geplante Angriff auf die Konzerte ist eine Attacke auf diese Werte und schmerzt beinahe körperlich.
3.) Gelebte Beziehung
Zahlreiche Elemente der Star-Fan-Beziehung sind ein Paradebeispiel für gelungene Beziehung. Swifts ehrliches Interesse den Liebhaberinnen ihrer Musik gegenüber, geheimnisvoll versteckte Botschaften (die Spannung und Vorfreude erzeugen) und unzählige kleine Rituale, die bei Konzerten (z.B. bestimmte Zwischenrufe, Gesten, Freundschaftsbänder) gelebt werden, erzeugen eine verschworene Einheit und ein Zusammengehörigkeitsgefühl, wie es gute Beziehungen brauchen. Emotionale Verbindung, das Gefühl gehört und verstanden zu sein erzeugt ein Nähegefühl ganz unabhängig von räumlicher Distanz. Über ihre Musik begleitet sie Fans durch die Höhen und Tiefen des Lebens. So ist sie ein Bestandteil des Alltags bis hin zu tragender Stütze für ihre Anhängerinnen.
Endlich einmal auch räumlich nahe sein, mit ihr live in die Musik eintauchen und Gefühle aufarbeiten und gehen lassen – durch Melodien und ihre Texte. Das wird vorerst nicht Realität für die Menschen, die sie in Wien erstmals erleben wollten. Bei allem Verständnis für die Sicherheit bei Veranstaltungen und der korrekten Entscheidung der Behörden und Swifts Management bleibt ein schaler Beigeschmack zurück.
Warum ein Konzert, wo hauptsächlich junges, weibliches Publikum anwesend sein wird und nicht ein Fußball-Em-Endspiel? Wie kann es sein, dass Taylor Swift ganze Welt bespielt und überall klappt es, nur in Wien gewinnen die Wahnsinnigen?
Natürlich wäre ein durchgeführter Terrorakt eine Katastrophe völlig anderen Ausmaßes gewesen und wir sind dankbar, dass wir heute gesund und vollzählig aufgewacht sind. Doch Trost ist das leider nur ein kleiner.
Unangenehme Gefühle wie Trauer, Frust, Wut kommen ja bei jedem Menschen vor. Nicht nur wegen abgesagter Events. In diesen Situationen ist es wichtig, nicht zu bagatellisieren oder abzulenken. Diese Sätze helfen nicht wirklich:
- Das wird schon wieder, mach dir keine Sorgen!
- Sie kommt bestimmt wieder, die ist ja noch so jung!
- Seid froh, dass euch nix passiert ist statt euch zu ärgern!
Auch wenn jede Aussage bestimmt gut gemeint ist, hinterlässt sie beim Gegenüber den Eindruck, dass etwas mit seiner oder ihrer Empfindung nicht stimmt. “Du bist nicht richtig” , wenn du dennoch frustriert, enttäuscht oder entsetzt bist. Hilfreich und wirklich unterstützend ist es, das Gefühl der anderen Person ernst zu nehmen, anzuerkennen und zu validieren (für WAHR erklären). Das geht zum Beispiel so:
- Ich sehe, wie traurig du bist, weil …. (beliebiges Ereignis einfügen)
- Das macht dich richtig wütend, dass …..(beliebige Begebenheit einfügen)
- Es ist so frustrierend, dass … (beliebigen Grund einfügen)
Um Gefühle zu respektieren, anerkennen und achten zu können, muss das Gegenüber sie NICHT verstehen! Es hilft, wenn man versteht, das muss aber nicht sein. Ich kann mir denken: „Was, warum die Aufregung, ist doch völlig übertrieben!“ und dennoch mitfühlend sein.
Menschen, die emotional gerade schwere Dinge erleben wollen und sollen nicht ZU früh abgelenkt, darüber hinweggetröstet oder beschwichtigt werden.
- Gefühle sind da, um gefühlt zu werden.
- Freude darf sein und gefühlt werden. Dann geht sie wieder.
- Enttäuschung darf sein. Dann geht sie wieder.
- Zufriedenheit darf sein. Dann geht sie wieder.
- Wut darf sein. Dann geht sie wieder.
Was uns bei angenehmen Gefühlen leicht fällt, wird bei belastenden Befindlichkeiten zur Herkulesaufgabe. Besonders, wenn der Schmerz nicht uns selbst, sondern Partner, Kinder oder Angehörige betrifft, halten wir furchtbar schlecht aus, dies zu ertragen. Darum wollen wir darüber hinweg „TRÖSTEN“. Wir sollten trösten, um zu trösten. Nicht, um möglichst schnell wieder Ruhe zu haben. Das ist herausfordernd und unangenehm, aber möglich.
Zwei junge Frauen sahen gestern Nachmittag, wie wieder Tränen über das Gesicht eines Mädchens flossen. Sie gingen auf sie zu und schenkten ihr selbst gebastelte Friendship Armbänder, wie es bei den Konzerten Tradition ist. Plus ein paar tröstende Worte. Diese Szene war so berührend. Denn: logisch dürfen wir etwas Gutes tun, ein Angebot machen, versuchen zu Beruhigen. Wenn die Zeit reif ist, wird sich dein Gegenüber sehr darüber freuen. Je nachdem wie heftig der Auslöser für das Gefühl ist, dauert das länger oder kürzer.
Verheulte Gesichter, getrübte Mienen und kreisende Gedanken – so sitzen wir tatsächlich heute am Küchentisch und versuchen, irgendwie einzuordnen, was da gerade vor unseren Augen den Bach hinunter schwimmt. Wir probieren, das beste draus zu machen und einfach zu sein.
Üben wir uns doch bitte alle darin, die Emotionen (eigene und fremde) zuzulassen. Fühlen, was gefühlt werden will.
Loslassen, wenn es Zeit dafür ist.
Und in der Zwischenzeit: da sein, ernst nehmen und aushalten.
Klingt einfach – ist es nicht immer. Versuchen will ich es jedenfalls.
von Kerstin Bamminger | Dez. 3, 2021 | Allgemein
Seien wir mal ehrlich. Jeder von uns hat in den vergangenen zwanzig Monaten schon mal ein Streitgespräch über das leidige C-Thema geführt – auch ich. Diese Gespräche sind aufreibend, berührend und bewegend, besonders wenn wir sie mit unseren Liebsten führen. Da die Stimmung so aufgeheizt ist, hat mich überlegen lassen, was ich als Profi so über Deeskalation weiß. Dieses Wissen portioniere und teile ich heute mit dir. In der Hoffnung wieder ein Stück mehr Menschlichkeit in die Beziehungen zu tragen, die davon belastet sind.
ONLY BAD NEWS ARE GOOD NEWS
Wir Menschen sind täglich mit unzähligen Reizen konfrontiert. Viel mehr als wir verarbeiten können. Daher filtern gesunde Menschen automatisch – und wir können uns ganz bewusst manchen Themen entziehen oder uns davor schützen. Ich beobachte allerdings erstaunt, wie nachhaltig Menschen über die Medien seit vorletztem Frühling Bilder in den Kopf gezimmert bekommen, die sie oft wenig reflektiert übernehmen. Dass Radio, TV, Zeitung und Co immer schon Dinge pointiert, überspitzt und etwas dramatisch darstellen, weil only bad news good news sind, ist ein alter Hut. Doch klar ist: wir alle stehen unter diesem Einfluss. Und je nach Vorgeschichte und persönlichem Zugang gehen wir damit um.
Und lassen uns oft entzweien und gegeneinander aufwiegeln.
IM SCHATTEN DER ANGST
Konflikte sind zwar grundsätzlich nichts Schlechtes und lediglich Ausdruck dafür, dass zwei Personen (oder eigene innere Anteile) zum Zeitpunkt unterschiedliche Bedürfnisse haben. Das Problem dabei ist, dass viele von uns sehr schlechte Lösungsstrategien haben, und: dass Konflikte immer angstbesetzt sind. Sie bringen unsere Schattenseiten hervor.
Es wär gut, diesen Ängsten ins Gesicht zu schauen und anzuerkennen: Ja, ich hab Angst.
- Angst, keine glückliche Zukunft zu haben.
- Angst, meine Freiheit zu verlieren.
- Angst, meinen Beruf nicht ausüben zu können.
- Angst, krank zu werden und zu leiden.
- Angst, jemanden dadurch zu verlieren.
- Angst, die Kontrolle zu verlieren.
- Angst, meine Selbstbestimmung einzubüßen.
- Angst, wertvolle Beziehungen zu beschädigen.
Angst ist bekanntlich (meist) ein schlechter Ratgeber, wenn es um Beziehungsgestaltung geht. Besonders, wenn Gemüter erhitzt und Temperamente hochgekocht sind. Damit es wieder gelingen kann, in Beziehung zu gehen und diese zu stärken, hab ich 7 Strategien zur Deeskalation für dich gesammelt.
1) PEACE NOW
Wenn wir uns das mal eingestehen und anerkennen, wäre der erste Schritt getan. Das braucht insofern Mut, als dass wir uns verletzlich zeigen. Es braucht einen verlässlichen Rahmen und die Gewissheit, dass mein Gegenüber diese Verletzlichkeit nicht ausnützt. In bodenständigen und herzlichen Beziehungen sollte das als Fundament vorhanden sein. Dann dürfen sich alle Parteien die Frage stellen: “Wofür lohnt es sich, den Kriegspfad zu verlassen und den Friedenspfad zu betreten?” Vielleicht ist das …
- Ich möchte unsere Freundschaft erhalten.
- Ich möchte friedliche Begegnungen in der Familie haben.
- Ich möchte mit dir das Leben genießen.
Wichtig ist: beide Konfliktparteien brauchen Gründe, den Streit beilegen zu wollen. Eine:r allein ist zu wenig. Doch wenn beide wollen, dann sagt: “Peace now.” Und steigt aus aus der Streitsituation bewusst aus.
2) KLISCHEES ABBAUEN
Um es mal kurz zu fassen: NEIN, nicht alle Menschen, die sich impfen lassen sind hörige Schafe der Bundesregierung und nicht alle, die sich nicht impfen lassen wollen sind aluhuttragende Esoteriker:innen, die meinen von Bill Gates gechipt zu werden. Einfach nein. Es gibt wahrscheinlich soviele Gründe wie Menschen, das eine oder das andere zu tun oder eben nicht. Deeskalation braucht diese Sichtweise.
Interessiere dich für dein Gegenüber. Warum entscheidet er oder sie sich so und nicht anders? Nur im persönlichen Gespräch kommen wir weg davon, was uns Medien tagtäglich vermitteln: die einen gegen die anderen.
3) EGO RUNTER
Dazu braucht es auch, dass wir alle unser Ego ein bisschen runter schrauben. Woran du erkennst, dass das noch zu groß ist? Wenn du immer noch versuchst, Menschen (ausdrücklich) von deiner Meinung zu überzeugen. Ja, ich weiß – das ist ein autsch.
Wenn wir uns auf Augenhöhe begegnen wollen und wieder in Beziehung gehen möchten, dann ist es dringend notwendig, das besserwisserische, überhebliche und penetrante Ich auf stumm zu schalten. Es braucht an der Stelle noch lang kein Verständnis. Zuhören, hinschauen und sich aufrichtig interessieren wäre ausreichend für den Anfang. (Das ist für manche eh schwer genug.) Und ansonsten: vereinbaren, Themen auszuklammern, um den Frieden zu sichern.
4) JA-HALTUNG
Nachdem wir nicht davon ausgehen dürfen, dass unser Gegenüber auch geniale Blogbeiträge (ups, das Ego) über Deeskalation gelesen hat und sich sofort kooperativ verhält, ist das Herstellen einer JA-Haltung hilfreich. (Klappt übrigens auch super im Umgang mit Kindern!)
Das schaffst du, indem du deinem Gegenüber mindestens drei Aussagen servierst, die er oder sie tatsächlich oder im Stillen (wenn grad jemand bockig ist 😉 mit “Ja!” beantworten kann. Versuch dabei, das Gefühl der Person zu erfassen.
“Ärgerst du dich gerade, weil wir uns schon wieder streiten?”
“Bist du wütend, weil du das Gefühl hast, ich versteh dich nicht?”
“Du bist traurig, dass wir darüber nicht gut reden können?”
Erst, wenn die andere Person dreimal (innerlich) mit JA antworten konnte, ist eventuell die Bereitschaft vorhanden, weiter zu sprechen und die eigenen Gefühle auszudrücken, wenn das für dich auch wichtig ist.
“Darf ich dir sagen, wie es mir dabei geht?” Nach drei inneren Jas kann ein weiteres leichter “folgen”!
Eine ruhige und respektvolle Stimmlage ist hier enorm wichtig. Der Ton macht die Musik!
5) SLOW -TALK
Damit ist ein konstruktiver Dialog gemeint. Es gilt zu erkunden: Was brauchst du? Was brauche ich?
Sich dabei an universellen Bedürfnissen zu orientieren ist empfehlenswert. Sonst tappt man schnell wieder in kommunikative Fallen, wird angriffig oder gegenseitige Vorwürfe bestimmen das Gespräch. Bei sich bleiben. In Ruhe von dem eigenen Innenleben erzählen. Der anderen Person aufmerksam zuhören. Sich ausreden lassen. Und dazwischen:
6) ATMEN
Atem ist Leben und die einzige überlebensnotwendige Körperfunktion, die wir auch bewusst steuern können. Wenn wir länger ausatmen als einatmen, beruhigt sich unser Nervensystem. Der Herzschlag geht runter. Wir können Altes, Verbrauchtes loslassen. Je stressiger und aufreibender der Alltag, desto flacher wird unsere Atmung und desto schlechter sind wir versorgt.
Atmen ist eins der einfachsten und effektivsten Tools bei Stress, Streit oder Angst und wir sollten ihn ganz gewiss besser nützen, wenn wir dabei sind zu deeskalieren.
7) VW- METHODE
Hat nichts mit dem deutschen Autokonzern zu tun. Man kann sich aber gedanklich bei jedem Emblem daran erinnern.
“Statt Vorwürfen: Wünsche.” Wir sprechen in der Alltagskommunikation und auch bei Streitthemen oft in Vorwürfen. Und die hört bekanntlich keiner gern, also schwächen sie die Beziehung. Klüger wäre, in Wünschen zu sprechen. Was den Alltag angeht:
- Statt: “Immer lässt du deine Socken liegen!” Lieber: “Bitte wirf deine Socken in die Wäschetonne!”
- Statt: “Du bist schon wieder zu spät daheim!” Lieber: “Kannst du morgen bitte um 5 da sein?”
- Statt: “Hier schaut’s aus wie in einem Saustall!” Lieber: “Können wir hier gemeinsam aufräumen?”
Und was Corona betrifft:
- Statt: “Du begreifst es einfach nicht, warum glaubst du nicht den Wissenschaftern?”
Lieber: “Ich würd mir wünschen, dass du der Wissenschaft vertraust.” - Statt: “Du bist so unsolidarisch, denk doch mal an die Gesellschaft!”
Lieber: “Ich wünsch mir, dass wir als Volk mehr zusammen halten.” - Statt: “Du bist echt ein Schaft, glaubst alles, was dir der ORF erzählt!”
Lieber: “Ich würd mir wünschen, dass du kritischer Medien konsumierst!”
DEESKALIEREN OHNE LÖSUNG IN SICHT
Ich hab vorhin gesagt, es braucht zwei, um den Friedenspfad zu betreten. Das stimmt. Das Gute ist: es braucht auch zwei zum Eskalieren. Niemand kann eskalieren, wenn das Gegenüber nicht mit-eskaliert. Das bedeutet noch nicht, dass für den Streit Lösungen parat stehen. Doch Eskalation kann man vermeiden, in dem man einfach aussteigt aus der Spirale.
Ich wünsche dir und mir, dass es uns möglichst oft gelingt, eine oder mehrere dieser Strategien anzuwenden.
Damit Beziehungen, die in den letzten Monaten womöglich ein paar Schrammen abbekommen haben, heilen können.
Weil wir genügend Gründe finden, dran zu bleiben.
Wohlwollend miteinander umzugehen.
Und den Friedenspfad gemeinsam beschreiten möchten.
Als jemand, der sich sehr gut in die Köpfe und Gefühle anderer hineindenken kann, versuche ich so oft ich kann, die “Gegenseite” zu verstehen. Ganz ehrlich: DAS gelingt nicht immer. Was mir aber gelingt, ist das Wahrnehmen von Gefühlen und Bedürfnissen, die Menschen mit anderen Meinungen haben. Ich erkenne diese Fähigkeit immer als einen Punkt, der es mir ermöglicht, sanfter in der Debatte zu werden.
Wenn du das auch trainieren möchtest, tauche mit mir ein in die Welt der Gefühle und Bedürfnisse:
von Kerstin Bamminger | Nov. 26, 2021 | Allgemein, Gute Worte, Hilfreich, Leben
Haltungen, Meinungen und Werte haben uns Menschen immer schon voneinander unterschieden. Es ist also nix Neues. Was aber neu ist, ist die Tatsache, dass sich so viele Menschen gleichzeitig bei einem Thema entzweien, wie derzeit beim großen C. Wenn man früher noch die Chance hatte, gewisse Themen geschickt zu “umschiffen” ist es heute kaum noch möglich, das Thema auszusparen, weil es so allgegenwärtig ist.
Höchste Zeit also, ein wenig hinter die Kulissen zu blicken und sich auf die Suche nach einem gemeinsamen Nenner zu machen, der wieder kitten kann, was so an Gräben aufgerissen wurde und immer noch wird.
LEADERSHIP IN FAMILIEN
Jeder Mensch wird in eine Familie hinein geboren und lernt dort sein erstes Wertekonstrukt kennen. Wir erfahren, worauf in der Familie wert gelegt wird, welche Gepflogenheiten, Rituale und Traditionen es gibt und all diese Dinge werden maßgeblich von den Erwachsenen in der Familie geprägt. Das ist auch gut so, denn Kinder im Aufwachsen zu begleiten erfordert ein ständiges Handeln und Entscheiden nach diesen Wertvorstellungen und da macht es Sinn, diese individuell und wohl überlegt abzustecken. Nur so können Mütter und Väter authentische Führungspersönlichkeiten sein und Leadership in Familien zeigen.
GEGENSÄTZLICHKEITEN ÜBERBRÜCKEN
Dass Dinge in anderen Familien ganz anders laufen, merkt man oft schon früh. Wenn man Freundinnen zuhause besucht, bei anderen Familien zu Gast ist oder spätestens, wenn man die eigene Schwiegerfamilie kennen lernt. Die Beziehungsarbeit, die dann notwendig ist, um solche Unterschiede oder Gegensätzlichkeiten zu überbrücken, ist entscheidend für das Gelingen des Zusammenlebens. Die Liebe zueinander hilft da natürlich ungemein – sowohl in freundschaftlichen als auch in partnerschaftlichen Beziehungen. Drum ist es auch grad im Großen Ganzen so schwierig, weil die Zuneigung und Verbundenheit fehlt.
IM NENNER BEDÜRFNISSE
Was aber tun, wenn plötzlich auch im “Kleinen” Sand im Getriebe ist und selbst in familiären Beziehungen Differenzen ausgebügelt werden sollen? Geschweige denn im großen gesellschaftlichen Ganzen? Mir hilft es, wenn ich mich darauf besinne, dass wir alle grundsätzlich dasselbe wollen und brauchen. Auch auf die Gefahr hin, dass du mich für völlig verrückt erklärst: JA, das meine ich wirklich so. Vielleicht benötigen wir nicht alle alles im selben Ausmaß und ganz sicher nicht immer zum gleichen Zeitpunkt, aber ja: das ist unser gemeinsamer Nenner.
Wir haben alle (die gleichen) Bedürfnisse.
WIR WOLLEN DOCH ALLE DAS SELBE
In der friedvollen Kommunikation ist das Ausdrücken von Gefühlen und Bedürfnissen ja die Basis von allem und somit nicht nur wichtig sondern auch hilfreich, wenn wir einander verstehen oder zumindest erkennen wollen. Im Groben lässt sich sagen, dass jeder Mensch einerseits verbunden sein will, also zu einer Gemeinschaft dazugehören mag und auch selbstbestimmt sein möchte. Dazu kommt das Bedürfnis, sich entspannen zu können und gleichzeitig sicher zu sein, bzw. sich sicher zu fühlen. Natürlich kann man das jetzt noch viel genauer aufdröseln, doch im Wesentlichen läuft es auf diese Dinge zusammen.
WARNBLINKANLAGE GEFÜHL
Da wir nicht wie Autos automatische Warnanzeigen haben, die zu blinken beginnen, wenn ein Bedürfnis nicht ausreichend gedeckt ist, brauchen und haben wir unsere Gefühle. Sie sind die Indikatoren dafür, wie es uns geht, sie zeigen auf, wenn unsere Bedürfnisse grad halbwegs erfüllt sind und wann eben eher nicht. Gefühle bei erfüllten Bedürfnissen wahrzunehmen und auszudrücken macht uns dankbar und ausgewogen, wir spüren Leichtigkeit und Freude und können unser Dasein wertschätzen. Wir genießen es, in solchen Emotionen zu baden.
STRATEGIEN IM MANGEL
Gefühle bei unerfüllten Bedürfnissen anzunehmen ist dagegen viel schwerer, weil sie irgendeine Form des Handelns erfordern. Schließlich mag man nicht in einem Zustand verweilen, der sich unangenehm anfühlt. Wenn wir also ängstlich, gestresst, wütend, verärgert, traurig, ohnmächtig, unzufrieden, einsam, frustriert oder hoffnungslos sind, dann macht das was mit uns. Wie wir darauf reagieren, wie wir damit umgehen, ist jedoch höchst unterschiedlich und hängt mit den erlernten Strategien im Lauf des Lebens zusammen.
DEIN GEFÜHL HAT IMMER RECHT
Ein erster wichtiger und guter Schritt ist jedenfalls, das eigene Gefühl wahrzunehmen, versuchen, es möglichst präzise zu benennen (Eltern machen das stellvertretend für ihre Kinder, wenn die das sprachlich noch nicht können) und dann anzunehmen. Ein Gefühl ist immer richtig, so wie es im Moment empfunden wird. Auch wenn wir die Auslöser dafür (wenn das Brot des Kindes beim Frühstück falsch durchgeschnitten wurde), nicht verstehen oder nachvollziehen können. Das Gefühl ist die Realität des Menschen, egal ob das jemand anderes auch noch versteht. Diese Erkenntnis und das Zugeständnis ist wichtig.
ANERKENNEN UND AUSSPRECHEN
Und wenn ich aufhöre, mit der Realität zu streiten – indem ich mir selbst oder anderen bestimmte Gefühle abspreche – kann ich mich und den anderen wieder ernst nehmen. Dann kommt der schwierigere Teil: solche unangenehmen Gefühle entweder aushalten oder reflektieren woher die kommen (die meisten von denen kennen wir aus sehr frühen Kindertagen) und gegebenenfalls in die Handlungsfähigkeit kommen. Dabei hilft es, auszusprechen, wie es da drin in mir aussieht:
- Ich fühle mich bedrängt und wünsche mir mehr Selbstbestimmung und Unabhängigkeit.
- Ich fühle mich frustriert und wünsche mir, wirksamer sein zu können.
- Ich fühle mich ohnmächtig und wünsche mir, etwas beitragen zu können.
- Ich fühle mich einsam und wünsche mir, dazu gehören zu können.
- Ich fühle mich hoffnungslos und wünsche mir Vertrauen, Ordnung und Klarheit für meine Zukunft.
- Ich fühle mich traurig und wünsche mir mehr Erholung, Ruhe und Harmonie.
- Ich fühle mich gleichgültig und wünsche mir mehr Respekt und Wertschätzung.
- Ich fühle mich wütend und wünsche mir mehr Gerechtigkeit und Unterstützung.
EIN GLÜCKLICHES LEBEN
Diese Liste lässt sich natürlich beliebig fortsetzen, unsere Palette an verschiedenen Gefühlen ist bunt und vielfältig. Wenn es uns gelingt, zu erkennen, dass wir im Grunde als Menschen dieselben Bedürfnisse haben, könnte uns das wieder milder stimmen im Umgang miteinander. Wir könnten erkennen, dass wir alle uns ein glückliches Leben wünschen und zufrieden uns selbstbestimmt in Sicherheit leben möchten. Dass das unser gemeinsamer Nenner ist. Und wir lediglich verschiedene Vorstellungen davon haben, wie wir das erreichen können.
AUSHALTEN UND AUSGLEICHEN
Zugegeben, das ist schwer genug. Die Vorstellung von andersdenkenden, andersfühlendnen und andershandelnden Menschen so zu akzeptieren ohne das eigene Weltbild davon bedroht zu wissen. Wir sind geprägt von unserer Geschichte und unseren Erfahrungen im Leben. Hätte uns das Universum auf andere Pfade geschickt, würden wir mit ziemlicher Sicherheit auch anders da stehen. So verlasse ich mich darauf, dass es einen Grund hat, warum wir so verschieden sind. Dass es Sinn macht, unterschiedlich zu sein. Und dass wir auch alles von der Schöpfung mitbekommen haben, um diese Andersartigkeit auszuhalten oder auszugleichen. Wenn wir uns nur ein Herz nehmen, ein bisschen herunter kommen und uns dann auf Augenhöhe begegnen. Weil wir eins sind.
- Jeder Mensch will wirksam sein.
- Jeder Mensch will Leichtigkeit und Entspannung spüren.
- Jeder Mensch will Gerechtigkeit erfahren.
- Jeder Mensch möchte dazu gehören.
- Jeder Mensch will Wertschätzung bekommen.
- Jeder Mensch möchte etwas beitragen können.
- Jeder Mensch will Abwechslung erleben.
- Jeder Mensch möchte sich austauschen können.
- Jeder Mensch will sich entwickeln.
- Jeder Mensch möchte gleichwertig und ausgewogen behandelt werden.
- Jeder Mensch möchte Harmonie und Schönheit erleben.
- Jeder Mensch möchte Unterstützung erfahren.
Vielleicht sind wir am Ende des Tages gar nicht so verschieden, wie wir meinen. Nützen wir dieses Wissen, um wieder mit mehr Sanftheit aufeinander zu zu gehen. Es täte uns jedenfalls gut.
von Kerstin Bamminger | März 18, 2020 | Allgemein, Elternbeziehung, Gute Worte, Hilfreich, Leben, Selbstfürsorge
Familien im Ausnahmezustand.
Egal ob wir daheim praktisch aufeinandersitzen müssen oder ob wir durch einen systemerhaltenden Beruf vor anderen Herausforderungen stehen: die momentane und wohl noch länger dauernde Situation ist alles, außer gewöhnlich.
Seit Bekanntwerden der Empfehlung “Bleib daheim!” gibt es eine Flut von Tipps und Rezepten, wie man Kinder daheim beschäftigt, was mit ihnen zu tun ist und ganz selbstverständlich übernehmen wir Eltern aus dem Stand den Heimunterricht. Warum Mütter dennoch keine Entertainer sind, was jetzt tatsächlich zählt und warum der Streit mit der Realität nichts bringt, darum geht’s heute hier am Blog.
Zack, zack, zack. Und der Staat wird auf Minimalbetrieb runter gefahren. Die Kinder sind daheim oder wir stehen vor echten Betreuungsproblemen. Das tägliche Leben wie wir es kennen: abgesagt.
Die Welt steht kopf. (Alle? Nein, eine Insel im Nordwesten Europas lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.)
Wie schon letzte Woche hier beschrieben, gibt es gute Gründe ruhig zu bleiben, das Neue als Chance zu wachsen zu sehen, die Herausforderung anzunehmen, in der Liebe zu bleiben.
Doch, dass nun der Druck auf Familien noch mal deutlich erhöht wird, fällt erst auf den zweiten Blick auf.
Mein erstes Gefühl war auch: hey, viel mehr Freiheit und Selbstbestimmung.
Das zweite allerdings: alles lastet auf meinen / unseren Schultern als Eltern.
Kein Wunder, dass man weiß, dass Quarantäne Maßnahmen die Zahl der häuslichen Gewalttaten in die Höhe treiben. Der Frust, die Enge, die Spannung entlädt sich – wie immer – nach unten: bei den Schwächeren, sprich Kindern und Frauen.
Wir sitzen im Kelomat (für alle, denen das Wort nix sagt: Druck-Schnellkochtopf. 🙂 ) Unterschiedliche Menschen unterschiedlichen Alters mit unterschiedlichsten Bedürfnissen und teils heftigen Gefühlen. Deckel drauf und dann kräftig aufheizen, der Druck kann steigen. Muss er aber nicht.
Ja, Kinder brauchen gerade in Krisenzeiten Struktur. Sie brauchen Rituale, die (vielleicht neu erfunden) jetzt gewisse Eckpfeiler im Tagesablauf markieren. Sie brauchen auch sinnvolle Beschäftigung und Anleitung.
Doch wir sind nicht für die Dauerbespaßung und -belehrung zuständig. Wenn wir in diese Rolle fallen, machen wir uns kaputt. Wir sollten erst gar nicht versuchen, jede Minute mit sinnvollem Tun zu füllen, eine Bastelidee nach der anderen umzusetzen, Aktivitäten vorauszuplanen und den Kindern dann vorzugeben. Das sind einfach gewohnte, alte Muster, die sich ihren Weg bahnen wollen. Doch wir brauchen nicht wieder “volles Programm” und “action” am laufenden Band.
Was jetzt not-wendig ist (Achtung, Wortspiel!), ist Beziehung.
Sie brauchen jemanden, der ihre Gefühle erfasst und benennt.
Sie brauchen jemanden, der ihre Bedürfnisse erkennt und anspricht.
Sie brauchen jemanden, der da ist: aufrichtig, ehrlich und echt.
Bedürfnisorientiertes und beziehungsorientiertes Handeln in einem neuen Licht, also. Weil wir nicht aus der Fülle an Möglichkeiten schöpfen können, die wir gewohnt sind, und Wünsche jederzeit erfüllen, werden wir zurückgeworfen auf das, worum es eigentlich geht:
das HINSEHEN, HINHÖREN und HINFÜHLEN.(Statt: “… ich schau, wie ich das möglichst schnell erfülle, damit Ruhe ist!”)
Statt: “Jammere bitte nicht schon wieder wegen den Freundinnen!”
Ja, es ist traurig, dass du deine Freundinnen so lang nicht sehen kannst.
Statt: “Du hast es doch so schön ruhig, jetzt lern halt einfach, was dir aufgegeben wurde!”
Ja, es ist frustrierend, dass du ganz allein lernen sollst.
Statt: “Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du derzeit mit niemandem spielen kannst!”
Ja, es ist furchtbar, die Nachbarskinder zu sehen und dennoch nicht spielen gehen zu können.
Statt: “Das geht jetzt nicht, wir können Oma und Opa jetzt einfach nicht besuchen!”
Ja, es ist schade, dass wir Oma und Opa jetzt so lang nicht sehen.
Statt: “Ich kann das – mir ist soooo fad – nicht mehr hööööreenn!”
Ja, es ist auch langweilig, dauernd zuhause sein zu müssen.
Es ist, wie es ist.
Kerstin Bamminger
Wenn wir mit der Realität streiten, sind wir immer die Verlierer.
Was den Druck im Kelomat also erleichtert, ist folgende Haltung:
“Ich sehe deine Bedürfnisse.
Ich höre deine Wünsche. Ich fühle, wie es dir geht.
Und ich helfe dir dabei, das auszudrücken und auszuhalten. “
Niemand sagt, dass das leichter ist, als Kinder zu “bespaßen” oder “beschäftigen”. Doch es ist definitiv dringender und vor allem NOT-wendig. Nach dem WAHRnehmen folgt übrigens keine gemeinschaftliche, langanhaltende Depression, sondern die Suche nach Lösungen:
- Was glaubst du, hilft dir, wenn es so langweilig ist?
- Was glaubst du, lenkt dich jetzt ab?
- Was können wir denn tun, wenn …. gerade nicht geht?
Bindet die Kinder in die Lösungsfindung ein! WIR müssen nicht alles wissen! Wir können Möglichkeiten anbieten und vorleben (“Weißt du, mir hilft zum Beispiel, ….”). Wir können aber auch unwissend sein.
Es ist deswegen trotzdem manchmal schwer auszuhalten, weil wir in unseren Möglichkeiten begrenzt sind, oder uns zumindest begrenzt fühlen – und: weil wir selbst im Ausnahmezustand sind.
Du darfst auch sagen:
Ich bin auch traurig. Ich bin auch frustriert. Ich bin auch überfordert.
UND: wir schaffen das GEMEINSAM.
Es darf dauern, bis sich ein neues System “einpendelt” und dabei darf es auch ordentlich wackeln.
Vertrauen wir darauf, dass wir jetzt die Gelegenheit haben, Dinge neu zu ordnen, unseren ausschweifenden und überdimensionalen Lebensstil zu überdenken und dass es gelingen wird eine bodenständige, neue Ausrichtung zu bekommen.
Auch wenn wir jetzt noch nicht genau wissen, wie die aussehen wird.
Stay positive. Stay strong.
Das Ausdrücken von Gefühlen und Bedürfnissen ist oft schwieriger als vermutet. Wir sind, wie ich gern sage, sachlich verwahrlost, was dieses Thema angeht, unterscheiden bei der Frage “Wie geht’s dir denn?” oft nur zwischen gut und schlecht. Dabei sind wir soooooo viel mehr!
Diese beiden Gefühlspaletten schenke ich dir: druck sie aus und hänge sie an einen gut sichtbaren Ort, wo sie dir hilfreich sein können als Unterstützung beim Formulieren von Gefühlslagen. Wenn deine Kinder noch nicht lesen können, biete ihnen verschiedene Begriffe an, oder versuche für sie den richtigen Ausdruck zu finden.
Das verlangt viel Empathie, ich weiß – es ist aber sprachliche Bildung und Herzensbildung in höchster Form!
Bei Fragen: immer gern das MAMAtelefon nützen 😉 …
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