Wir sind eine WG – kein Hotel!

Wir sind eine WG – kein Hotel!

Mütter übernehmen, wenn Familien gegründet werden, oft automatisch und selbstverständlich die Erledigung vieler Haushaltsaufgaben wie kochen, waschen, putzen, einkaufen, aufräumen und so weiter. Im besten Fall werden sie von ihren Partnern ebenbürtig unterstützt, doch Kinder können sich ja als Babies nicht selbst um ihre Wäsche kümmern, aufräumen oder sauber machen. Also geht es gar nicht anders, als das wir Erwachsenen diese Dinge übernehmen.

Bis die ersten Partizipationsversuche der Kinder in Punkto Hausarbeit spruchreif werden, vergehen also ein paar Monate, wenn nicht Jahre. Eine Zeit, in der wir uns gut einüben in Abläufe, Aufteilung von Tätigkeiten und Routinen und es für uns selbstverständlich wird, eine Familie wie ein kleines Hotel zu organisieren. Manchmal Roomservice und Spezialwünsche inklusive, denn den geliebten Gästen soll es ja gut gehen und bei uns gefallen.

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass – wenn die “Gäste” älter werden – Änderungen in der Hausorganisation auf Widerstand stoßen oder selbst den bisher so engagierten Hoteliers ungewohnt erscheinen.
Sensible Störung der Kreise. So nennen wir das in der Beratersprache. Dass wir dadurch ein wenig aus der Bahn kommen, gehört dazu und dass es zunächst ein wenig mehr holpert, wenn wir neue Wege gehen, auch. 

In Familien ist die Aufteilung von Hausarbeit oft ein Konfliktpunkt mit potenzieller Sprengkraft. Nicht zuletzt deshalb, weil es immer wieder Anpassungen braucht, um eine altersgemäße und gerechte Verteilung von Aufgaben gewährleisten zu können. Wer also nicht als Hotelpage, Butler oder Zimmermädchen verenden will, legt sich besser rechtzeitig ein paar Strategien zurecht, wie die Haltung einer “Wohngemeinschaft” früh durchsickern kann und der angeborene Antrieb zum Mitmachen und sich Einbringen (ja, ich glaub tatsächlich, dass es sowas gibt) gut genützt wird.

Strategie 1: Sag niemals “nein”

Wenn Kinder kommen und eine Aufgabe übernehmen wollen “Mama, darf ich bügeln?” … sag niemals “nein!”
Ich bin überzeugt, dass es bei jedem Kind, wenn es den Wunsch äußern kann, zumindest eine Teilkompetenz gibt, diese Aufgabe zu erledigen. Also, sag: “JA!” 
Natürlich würd ich nicht das teuerste Hemd des Göttergatten als Probierstück zur Verfügung stellen, aber ein Geschirrtuch oder ein einfaches Leiberl sollte möglich sein. Sag dem Kind: “Ich glaub, diesen Teil schaffst du. Bei diesem / jenem Teil kann ich dir helfen, wenn du magst.”

Natürlich ist das anfangs nicht wirklich eine große Hilfe – im Gegenteil. Es dauert länger, ist mühsam und beim Erlernen passieren auch Fehler. Wenn wir aber 10 Jahre lange immer sagen: “Das kannst du noch nicht, dafür bist du zu klein” wird es eher schwierig, den Prinzen oder die Prinzessin nach so langer Zeit plötzlich vom Thron in die Waschküche zu motivieren.
Also: nützt die Begeisterung am Anfang! 

Strategie 2: Zumuten & Vertrauen

“Aber die können doch nicht Kloputzen!” – “Wie’s da ausschaut, wenn die abwaschen!” … solche Sätze wälzen wohl viele Mütter und Väter im Kopf, vielleicht bestärkt von vorherigen Generationen. Tatsache ist, dass auch Kinder erst lernen dürfen, wie die Dinge gemacht werden – das heißt sie brauchen Beispiel und Anleitung. Und genau das sollten wir unseren Kindern nicht nur zumuten, sondern auch zutrauen. Dass sie es können, wenn sie sich bemühen und dass sie es dürfen, weil wir sie lassen. Zumuten heißt, sie MUTIG sein lassen. Vertrauen heißt, das BESTE in ihnen zu sehen und sie WACHSEN lassen an den Aufgaben.
Auch kleine Kinder können ein Teller in den Geschirrspüler einräumen, viele Aufgaben können auch spielerisch verpackt werden (Sockenmemory) und in dramatischen Fällen hilft uns auch gute, laute Musik.

Strategie 3: Do it your way

“Wie die die Wäsche aufhängen, da mach ich es lieber selbst!” … ja. Dieser Satz ist von mir. Und bei manchen Dingen ist es auch gut und wichtig, dass wir die Kids “anlernen”, denn es ist kein instinktives oder angeborenes Verhalten, wenn geputzt oder Wäsche aufgehängt wird. Es ist gelerntes Verhalten. Denk doch mal daran, wie du selbst die Wäsche faltest und wie es jemand anderes vielleicht tut. Genau – es gibt Unterschiede.

Und hier sind wir beim Punkt: es ist auch immer wieder notwendig, die Mitbewohner Tätigkeiten auf ihre Weise tun zu lassen. Wenn jeder gute Versuch im Keim erstick wird, braucht man sich nicht über mangelndes Engagement zu beklagen. 
“Möchtest du sehen, wie ich das mache?” “Weißt du, warum ich die Wäsche vor dem Aufhängen gut ausschüttle?” … erklären und verständlich machen ist gut. Wenn sie trotzdem manchmal ihren eigenen Weg gehen: der Wille zählt fürs Werk.

Strategie 4: Sichtbar machen

Ich weiß von Frauen, die die Hausarbeit möglichst in Abwesenheit der Kinder zu erledigen versuchen. Das hat Vorteile, ja – weil man teilweise schneller und effizienter ist – doch dabei geht verloren, dass die Kinder miterleben, wie viel Arbeit dahinter steckt. Vielleicht sind es ja doch Heinzelmännchen oder sonstige zauberhafte Wesen, die diese Arbeit erledigen. Wenn man’s nicht sieht, kann man’s nicht (mit Sicherheit) wissen!

Also: nimm die Kinder mit, lass sie dabei sein, lass sie zusehen und sie werden ein anderes Bewusstsein, eine andere Wertschätzung und eine andere Motivation bekommen, sich bei der Arbeit zu beteiligen. Auch möglich (und super gut für Selbstzufriedenheit): eine Liste anlegen, auf der man notiert, was heute schon erledigt wurde. Sichtbar für alle aufhängen und dazu gleich, was es noch zu tun gibt, denn: nein – sie sehen die Arbeit meistens nicht “von selbst”. Wenn ich allerdings auf einer Liste nachlesen kann, was ich übernehmen könnte, ist es einfacher, sich einzubringen. Setzt voraus, dass das Kind sinnerfassend lesen kann (PISA lässt grüßen) oder du alternativ mit entsprechendem Zeichentalent gesegnet bist. 😉

Strategie 5: die Haltung!

“Wir sind eine Familie, ein Team! Wir leben hier zusammen und jeder trägt seinen Teil dazu bei, dass es hier angenehm ist. Kannst du bitte ……. übernehmen!”
Es braucht die Überzeugung, dass die Arbeit im Haushalt eben nicht natürlicher Weise den Frauen überlassen wird und diese wie Kellnerinnen und Dienstmädchen den ganzen Tag durch die Bude hetzen. Es braucht eine WohnGemeinschafts-Mentalität – jeder wohnt hier, also trägt auch jeder etwas dazu bei. In einer WG werden auch Tätigkeiten verteilt, Verhandlungen geführt und einer darf sich auf den anderen verlassen – auch da geht’s oft nicht reibungslos und das muss auch gar nicht so sein.

Es braucht nicht immer lustig sein – das ist es uns auch nicht. Dennoch ist es zumutbar und möglich. Niemand – auch nicht die Kinder – haben was von überlasteten und überstrapazierten Eltern, die sich zu sehr aufopfern, wo es nicht mehr notwendig wäre. 
Der Wille, Aufgaben auszuhandeln und die Kinder auch in die Verantwortung zu nehmen kann ein Gewinn für alle Beteiligten sein, auch wenn es zunächst mühsam erscheint.
Wir leben dadurch auch Ebenbürtigkeit, Partnerschaftlichkeit und Respekt, wenn wir darauf achten, wie wir uns als Gemeinschaft organisieren. Daran sollten wir uns in zähen Verhandlungsrunden immer bewusst sein.
Welche Idee möchtest du umsetzen oder hast du schon umgesetzt? Berichte!!!! Ich bin neugierig, wie es anderen Familien dabei geht … 

Kommentar schreibenKommentare: 2

  • #1Monica (Freitag, 06 Dezember 2019 12:16)Liebe Kerstin,
    damit trifft du wiedermal den Nagel auf den Kopf!
    Ja, ich habe mich und auch meinen Mann in so manche deiner Beschreibungen wiedergefunden.
    Ja, wir hätten auch gerne mehr Zeit miteinander und weniger “durch die Bude hetzen”.
    Ja, wir haben schon öfter versucht, die Kinder mit einzubeziehen. Mit mehr oder (viel öfter) weniger Erfolg.
    Ja, wir werden es weiterhin machen (nicht nur versuchen), denn die Ansprüche (auch die der Kinder) werden nicht kleiner.
    Ja, ich bedanke mich herzlich bei dir für die Tipps.
    Ja, es hilft (auch wenn nicht logisch), einen Einblick zu bekommen, wie es in andere Familien klappt oder auch nicht �. Denn wir sind nur Menschen, und es tut gut sich bewusst zu werden oder zu lesen, dass man nicht perfekt sein muss und dass es anderen auch so geht.
    Liebe Kerstin, ich wünsche dir viel Erfolg bei der Umsetzung vom WG-Plan und auch viel Humor, denn ohne ist man verloren�.
    Ganz liebe Grüße,
    Monica
  • #2Kerstin (Dienstag, 10 Dezember 2019 12:29)Liebe Monika, danke für deine Gedanken! DU hast so recht: OHNE HUMOR geht’s einfach gar nicht … oder zumindest ist er oft die Rettung in der Not! Liebe Grüße, Kerstin
7 Schlüssel für den Advent

7 Schlüssel für den Advent

Der Advent steht vor der Tür und wir gehen mit großen (und meist schnellen) Schritten auf Weihnachten zu. Wenn jemand sagt, dass ist die “stillste Zeit im Jahr” bekomme ich fast Gesichtsentgleisungen, weil es sich für mich und manch andere schon lang nicht mehr so anfühlt. Advent war doch ursprünglich mal anders gedacht, von irgendwoher muss dieser Spruch doch kommen. Warum wir die Türen am Adventskalender eher einrennen als vorsichtig öffnen und welche Schlüssel vielleicht hilfreich sein können, um sich der “alten” Idee anzunähern, darum geht’s diesmal im Beitrag.

Als mir kürzlich am Telefon der Verkäufer eines großen und namhaften Frauenmagazins ein Abo einreden wollte, sagte er – sehr bemüht, aber leider zur falschen Person, nämlich mir – “… es kommt doch der Advent, die gemütlichste Zeit im Jahr, …. was macht man denn so die ganze Zeit, da braucht man doch eine gute Zeitschrift, mit der man sich einkuscheln kann, gemütlich …. ” 

Recht viel länger hab ich ihm nicht zugehört und ihm lachender Weise erklärt, dass er leider überhaupt keine Ahnung von dem hat, was im Dezember hier teilweise abgeht. Ich glaub, ich hab ihn schmunzeln gehört, doch gleich war er nicht abzubringen. (Ein jedenfalls ambitionierter Verkäufer!) Erst als ich ihm eindeutig gesagt hab, er soll bitte seine Zeit nicht länger mit mir verschwenden, verabschiedeten wir uns freundlich.

Ich brauche nicht noch eine Ablenkung. 
Ich brauche nicht noch mehr Bilder, wie “Weihnachten” auszusehen hat in punkto Deko, Klamotten, Make-up und Geschenken. 
Ich brauche auch kein Hochglanzheft, aus dem mich von jeder zweiten Seite Werbung anschreit. 
Ich brauche keine Anregungen zu noch mehr Konsum.

Doch was brauche ich?

Eigentlich ist es ganz einfach. Wenn uns alles ZU VIEL ist, dann brauchen wir WENIGER. 

Wir brauchen das Fokussieren auf den Moment, wir brauchen echten Genuss, wir brauchen das Gefühl genug zu haben und gut genug zu sein, ohne allfälligen (von Außen vorgegebenen) Maßstäben zu entsprechen. Dann kann sich die Tür zu einem entspannten Fest langsam öffnen. 

Hier also sieben Schlüssel, die vielleicht auch für dich passen können, wenn du dir Weihnachten nicht als Konsumrausch mit Volksfestcharakter wünschst. Ideen, die dir helfen, in den Moment zu kommen und bewusst Dinge anders zu machen als sonst immer. Möglichkeiten, die alle deine Sinne ansprechen und einfach umzusetzen sind.

Schlüssel 1: Kerzenlicht für deine AUGEN

Um die Dunkelheit ertäglicher zu machen, wird alles beleuchtet, was geht. Manchmal ist das stilvoll, beruhigend und idyllisch – manchmal aber grell, blinkend und bunt. 

Einmal am Tag eine Kerze anzünden, am liebsten bei Tisch, wenn sich die Familie versammelt. Dann schau in das ruhige Flackern und lass dich faszinieren, von dem was du siehst. Für mich gibt es kaum etwas beruhigenderes als einer Kerze beim Brennen zuzusehen. Es sorgt einfach und sicher für eine entspanntere Atmoshpäre. 

Schlüssel 2: Stille und Musik für deine OHREN

Dauerbeschallung ist besonders in dieser Zeit eine Unsitte geworden. Aus dem Radio dröhnt nicht nur besinnliche Weihnachtsmusik, viel mehr (nach meinem Gefühl) Werbung über Werbung gespickt mit den neuesten Unglücksmeldungen.

Achte bewusst darauf, öfter die Stille zu hören und nicht jede Sekunde mit akustischen Reizen zu zu müllen. Da ich aber Musik liebe und sie auch so viele Emotionen transportiert, die halt einfach für mich zum Advent dazugehören, wähle gezielt und bewusst aus, WAS du anhörst, genieße die Musik und lass alles Überflüssige weg. Selbst musizieren ist, wer’s kann, sowieso das Beste.

Schlüssel 3: Genuss nach deinem GESCHMACK

Nicht nur Weihnachtsessen haben tendenziell einen Hang zur Völlerei, sondern auch schon die Adventszeit. Kekse hier, Glühwein dort, Weihnachtsfeierbuffets, Bratwürstl, Raclettebrote, … es gibt so viele leckere Sachen, die an jeder Ecke auf uns warten. Oft verhalten wir uns so, dass wir dann mehr essen, weil es so gut schmeckt, dabei kann Genuss auch – und vielleicht noch besser – erlebt werden, wenn wir vor allem eins tun: langsam essen, bewusst schmecken und sich wenn möglich nicht dabei ablenken lassen. Gute Gespräche mit echten Menschen gegenüber mal ausgenommen ;-).

Schlüssel 4: Berührung geht unter die HAUT

Viele der Berührungen, die wir täglich geben oder empfangen sind standardisiert. Die Verabschiedung am Morgen, der Gute-Nacht-Kuss, der Händedruck beim Begrüßen … – lenke doch deine Aufmerksamkeit mal ganz bewusst zu deinen Händen und spüre, welche Signale von dort gesendet werden: wie warm sind die Hände, wie weich die Haut, wie fest die Umarmung, wie energisch die Geste. Und schenke dir selbst und jemand anderem einmal am Tag eine zärtliche Berührung.

Schlüssel 5: Ich kann es schon RIECHEN

Düfte beflüglen unsere Erinnerungen und wir wollen verschiedene Gerüche bei verschiedenen Momenten dabei haben. Eine Spritzkerze, Lebkuchenduft, Tannengrün – was auch immer es ist, was du genießt, gönne es dir. Und wenn es dir stinkt (weil du zuviele Gerüche auf einmal wahrnimmst, was auf Weihnachtsmärkten der Fall sein KÖNNTE), dann achte darauf nachher wieder klare, frische Luft durch deine Nase strömen zu lassen und versuche auch das “NICHTS” riechen zu können. 

Schlüssel 6: Was für’s HERZ

Das Fest der Liebe ist zu einem Konsumrausch verkommen, doch die wenigsten Geschenke berühren unser Herz tatsächlich, erfreuen uns aufrichtig – weil die meisten von uns hier ohnehin alles haben, was wir für ein zufriedenes Leben brauchen. 

Setz doch mal statt auf Zeug auf Zuwendung: finde ein wertschätzendes Wort (oder mehrere) für jede Person in deiner Familie. Bei uns gibt’s heuer einen Wertschätzungs-Adventkalender (inspiriert von @diekleinebotin). Da unsere Kids alle schreiben können, schreibt jeder für jeden 6 Zettelchen. So geht es sich aus, dass jeder von uns 5 jeden Tag von einem aus der Familie eine Notiz bekommt, wo etwas Nettes draufsteht. Man kann das natürlich auch ohne Zettel machen – beim WIE gibt’s viele Möglichkeiten. (Was Süßes bekommen sie – nach panischem Anfall des Kindes – auch, aber nicht im Kalender: denn das war ohnehin immer zuviel des Guten).

Schlüssel 7: Es (kaum noch) ERWARTEN können

Die Anspannung vor dem Fest steigt (nicht nur bei den Kindern) oft ins Unermessliche – bis es kaum mehr auszuhalten ist. Hohe Erwartungen sind eine super Garantie, dass man hinterher wegen irgendetwas enttäuscht ist. 

Schraub deine Ansprüche runter. Mal nicht perfekt putzen, einen mangelhaften Baum kaufen (das machen wir schon seit einigen Jahren – dann passt er besser zu uns als Familie ;-)!), Geschenke in Zeitungspapier einwickeln, weniger Geld ausgeben, spenden statt schenken …. . Nicht alle Energie auf den einen Tag konzentrieren und statt auf ein Event hin zu rasen … 
Weihnachten zu dir kommen lassen.

Vielleicht öffnet sich ja dann, ganz leise … eine Tür … zu einem Raum, wo wir uns als Menschen begegnen können.

Wo wir fühlen können, riechen, hören, schmecken und sehen: es ist gut, so wie es ist. 
Gut genug.

Welchen Schlüssel benützt du, um den Advent zu genießen?! 

Vereinbarkeit – Falle oder Chance?

Vereinbarkeit – Falle oder Chance?

Zunächst einmal möchte ich aber sagen: Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist kein Frauenthema. Es betrifft Väter und Mütter gleichermaßen, auch wenn wir oft von Vereinbarkeit reden und nur die Frauen gemeint sind. Hier geht es um mehr. Es geht um eine gerechte Verteilung von Arbeit jeglicher Art und wie Familien sich das ausmachen können.

Vereinbarkeit als Chance

Beruf und Familie “unter einen Hut” zu bekommen, kann eine große Chance sein. Wenn in Familien beide Elternteile arbeiten, kommt man unweigerlich in die Diskussion, wie man die Kinderbetreuung regeln möchte, da ja nicht mehr zu jeder Zeit ein Elternteil zur Verfügung steht, wenn man auch außer Haus arbeitet. Es ist nötig, alle zu erledigenden Tätigkeiten und Verantwortungen anzuschauen und dann eine Lösung zu finden, wie man damit umgehen möchte.

Wer sorgt für welchen Teil des Einkommens?
Wer sorgt für welchen Teil der Kinderbetreuung?
Wer sorgt für welchen Teil des Haushalts?

Die Verhandlungen darüber sind auch hier oft zermürbend, weil gerecht nicht bedeutet “gleich” und weil das “gerecht” so schwer festzulegen ist. Jeder in der Familie hat da seinen eigenen Blickwinkel drauf. Dennoch ist es die Chance, die Dinge aufzuwerten, die Frauen generationenlang automatisch und selbstverständlich erledigt haben. Was wir gewinnen können?
 Eine wertschätzedne Haltung gegenüber “kleinen Handgriffen”.

Zufriedenere Frauen und damit zufriedenere Familien.
Mehr Achtung gegenüber der oft auch nicht lustigen Erwerbsarbeit.

Vereinbarkeit als Falle

Wenn es als selbstverständlich angesehen wird, dass beide Elternteile erwerbstätig sind und gleichzeitig Verhandlungen um die gerechte Verteilung der restlichen Arbeit in Familien ausbleiben, kann diese Thema auch zu einer Falle werden. Ich erlebe in Beratungen und in meinem Umfeld oft Frauen (ja, leider sind das hier hauprsächlich Frauen), die darunter leiden, die überwiegende Last der Care- und Haushaltsarbeit zu tragen und nebenbei auch erwerbstätig sind. Manchmal werden Frauen gedrängt, doch endlich “mehr Stunden” zu arbeiten, man müsse doch an die eigene Pension und die finanzielle Unabhängigkeit denken, außerdem: was macht man denn bitte sonst den ganzen Tag daheim, wenn die Kinder in Betreuung sind.

Bei solchen Sätzen dreht sich mir oft der gesamte Mageninhalt um, weil es nur zeigt, wie wenig diese Personen von dem wissen, was Frauen leisten und wie sehr sie damit Druck ausüben. Nicht selten fühlt man sich dann tatsächlich “minderwertig” und geringgeschätzt, weil ja andere dieses Kunststück scheinbar mühelos vollbringen. Da sitzt man dann in der Falle und spürt nur: “… ich mach doch alles Menschenmögliche und das ist immer noch nicht genug.”

Ob und wie Vereinbarkeit in Familien gelebt wird und gelebt werden kann, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. 

Wie viel Freude macht uns unsere Arbeit?
Wie viel Unterstützung bekommen wir?
Wie notwendig ist mein Beitrag zum Familieneinkommen?
Wie flexibel ist mein Dienstgeber?
Wie sind unsere Ressourcen in punkto Kinderbetreuung?
Wie alt sind unsere Kinder?

Ich bin privilegiert. Ich mache eine Erwerbsarbeit, die mir total viel Spaß macht, bei der ich meine Stärken ausleben kann, ich bin nicht hauptverantwortlich für das Familieneinkommen, ich hab mit Menschen zu tun, kann kreativ sein und meine Ideen in meinen Workshops umsetzen, befasse mich mit Themen, die mich berühren und begeistern und darüber hinaus kann ich mir auch noch meine Zeit als Beraterin, Coach und Vortragende ziemlich frei einteilen.

Vereinbarkeit ist für mich genau deshalb überhaupt lebbar: weil ich flexibel sein kann, meine eigene Chefin bin und meine berufliche Tätigkeit so ausrichte, wie es für mich und meine Familie passt. Ich kenne auch die andere Seite. 

Bevor ich als psychologische Beraterin mein Business gegründet hab, war ich als Pädagogin angestellt, hatte fixe Arbeitszeiten, konnte keinen Urlaubstag frei wählen und musste zur Arbeit IMMER außer Haus. Obwohl ich damals viel weniger gearbeitet hab, war die Situation massiv schwieriger und komplizierter zu organisieren. Ich hab damit aufgehört, weil ich mich selbst verheizt hab und auch unsere Kinder darunter gelitten haben.  Und das wegen “nur” 10 Wochenstunden. 

Ich weiß also, welche Faktoren förderlich sein können und welche hinderlich. Zumindest in unserem Fall.
Und darum geht es VOR ALLEM: darum, dass es für UNS passt. 

Dieses “PASST” ist bei jeder Familie anders und wir dürfen uns bemühen, das jeweilig Andere zu akzeptieren und uns gegenseitig – wenn gewünscht – Erfahrungen zum Austausch anbieten, damit wir nicht alle die gleichen Fehler machen müssen. Obwohl man durch Fehler lernt und sich weiter entwickelt und vielleicht, irgendwann …. zu einem Vereinbarkeitsmodell kommt, oder je nach Lebensabschnitt verschiedenen Vereinbarkeitsmodellen kommt, die dann doch “passen”!

Wie lebt ihr in der Familie die Aufteilung von Arbeit? Erzähl doch mal ….

Von Nebel und Dankbarkeit

Von Nebel und Dankbarkeit

Wir sitzen im Nebel. Vielleicht nicht alle von uns, aber viele. Diese Herbsttage an denen das Grau einfach nicht aufgeht, schlagen manchmal ganz schön aufs Gemüt und lassen uns stimmungsmäßig in den Keller sinken. Die Fotos, die man dann in den sozialen Medien sieht von Berggipfeln, die sich über der Nebelsuppe erheben und die Kraxler in der schmeichelnden Herbstsonne zeigen sind da leider auch nicht förderlich. Schnell werde ich missmutig und wünsche mir auch die Sonne her, ohne zu bedenken, dass sie eh da ist – auch wenn wir sie gerade nicht sehen

So geht’s mir auch manchmal mit meiner Dankbarkeit. Vor lauter Nebel (sich beschweren, jammern, klagen, …) vergesse ich, dass ich trotzdem genügend Grund hab, dankbar zu sein. Weil die Sonne scheint, auch wenn wir sie gerade nicht sehen können. So hab ich heute für dich 5 Anregungen, die dich zu mehr Dankbarkeit anstiften können. Wenn du vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr siehst.

Solltest du lieber schlechte Laune haben wollen, hör bitte HIER auf zu lesen!

Kinder

In Gesprächen mit anderen Müttern und in Beratungen geht es oft um die Anstrengungen, die mit unseren Kindern verbunden sind. Ihre Wutanfälle aushalten, sie gefühlt von Kopf bis Fuß zu bedienen, die unzähligen Handgriffe, die wir tagtäglich für sie erledigen, andernorts die durchwachten Nächte, anstrengende Körpernähe oder das Gefühl immer nur am Schimpfen zu sein. 

Dabei könnten wir unsere Kinder auch einfach ein wenig mehr genießen. So viele Paare würden sich wünschen, ein Kind zu haben, das sie nervt. Für viele der Konflikte, die wir täglich erleben oder begleiten sollen, gibt es einfache Lösungen, wenn man mal die Perspektive wechselt und etwas Anderes probiert. Kinder machen uns menschlich, weise, mitfühlend, sie bringen uns zum Lachen und halten uns den Spiegel vor, sie versetzen uns in Staunen und bereichern unseren Alltag. Ja, es ist auch anstrengend, Kinder zu haben. Doch noch mehr ist es belebend, erfüllend und sinnstifend.

Haushalt

Oje. Meine schwerste Übung, weil ich diese Tätigkeiten so gar nicht mag. Putzen, kochen, waschen, bügeln – eher ein lästiges Muss als ein Juhuu-ichdarf!  Dennoch: ich wache morgens auf, liege in einem warmen Bett, hab ein Dach über dem Kopf, im Bad fließt Wasser aus der Leitung und im Kühlschrank findet sich essenswertes. Es ist kein ich-muss-aufstehen, ich-muss-putzen, ich-muss-bügeln, sondern ein: “Ich tu’s, weil es mir wichtig ist. Weil ich möchte, dass ich meinen Tag nütze, weil ich möchte, dass die Wohnung halbwegs sauber ist und weil ich möchte, dass mein Gewand ordentlich ausschaut.”

Nur gleich zur Erläuterung … natürlich bin es nicht nur ICH sonder WIR (die diese Arbeit erledigen), auch wenn das oft ein kleiner Kraftakt ist, weil andere Menschen in der Familie andere Werteordnungen haben. 
Ich erinnere mich hiermit, dass viel Wäsche zu waschen heißt, dass wir genug Gewand haben. Jeden Tag zu kochen heißt, ausreichend Essen zu haben. Und viel putzen zu können bedeutet, viel Platz zu haben, den man bewohnen und genießen kann.

Wetter

Der Nebel war ja schon eingangs das Thema. Wie oft beschweren wir uns über das Wetter … es ist zu nebelig, zu kalt, zu heiß, zu trocken, zu regnerisch, zu …. . Mal ehrlich: so richtig recht machen kann’s uns das Wetter nicht. 

Statt dem ewigen Jammern könnten wir uns darüber freuen, dass wir so viel verschiedenes Wetter erleben, dass wir an einem Ort leben, wo es vier Jahreszeiten gibt, jede mit ihrer eigenen Schönheit und dass jeder Tag einzigartig ist und richtig, so wie er ist. Wir haben warme Kleidung um uns vor Kälte zu schützen, wir haben Regenjacken und -schirme, wenn es mal kübelt und wir können hochsommerliche Temperaturen in der Sonne genießen oder den Schatten der Bäume nützen. Wir können uns bei Nebel zuhause einkuscheln und es uns gemütlich machen.

Es ist eine Frage der Perspektive, wie wir das Wetter anschauen und, mal ehrlich: tagein, tagaus immer Sonnenschein und blauer Himmel? Wär doch langweilig!

Partner

Wenn wir mit Partnern zusammenleben (und Familien haben) dann ist das meistens so, weil wir den überwiegenden Teil daran gut finden. Ich ertappe mich auch dabei, wie mich Dinge am Gegenüber nerven, wie verschiedene Verhaltensweisen mich verärgern und meine Stimmung deshalb alles andere als erfreulich ist. Wie bei den Kindern vergessen wir auch hier, dass wir (hoffentlich) reichlich Gründe haben, dankbar zu sein.

Dass wir jemand haben, mit dem wir das Leben teilen wollen, der uns wichtig ist, den wir respektieren und wertschätzen. Der anders ist als wir und diese Verschiedenartigkeit uns bereichern kann und dass wir nicht mit allem einverstanden sein müssen, um die Person trotzdem gut finden zu können. Meist ist es die fehlende Zeit füreinander, das Ausbleiben von liebevollen Gesten, die für selbstverständlich genommene Anwesenheit des Partners / der Partnerin, die zu Unzufriedenheit führt. Bewusst verbrachte gemeinsame Zeit ist ein guter Weg, diese Beziehung wieder zu stärken und die Dankbarkeit zu spüren, von der Pizzera & Jaus singen: “Dass du ohne mi kannst, aber net ohne mi wüllst!”

Arbeit

Wenn man in die Gesichter von Autofahrer*innen am Morgen blickt, bekommt man den Eindruck, die fahren alle ins Verderben. Klar, nicht jede*r hat das Privileg, einen Beruf auszuüben, der einem auch Spaß macht, die eigenen Stärken zum Vorschein bringt und für den man Wertschätzung bekommt. Doch auch, wenn dich dein Job “angeht”: du bist nicht verpflichtet hinzugehen. Nein! Niemand zwingt dich! Wenn du nicht mehr kommst, hat das allerdings Folgen – du wirst vermutich gekündigt, bekommst dann nach einer Weile kein Geld mehr und hast wahrscheinlich (solltest du nicht auf einem fetten Erbteil sitzen) Probleme, dein Leben zu finanzieren.

Also. Wir wollen arbeiten. Weil wir nützlich sein wollen. Weil wir etwas Sinnvolles tun wollen. Weil wir zeigen wollen, was wir können. Weil wir mitgestalten wollen. Und zumindest: weil wir dafür Wertschätzung in finanzieller Form bekommen. Es gibt gute Gründe, zu arbeiten. Für jede*n von uns. Diese Gründe können sehr unterschiedlich sein. Wer keinen einzigen guten Grund findet, seinen jetzigen Job zu machen, hat auch die Freiheit zu wechseln. Oder weiter zu jammern. 
Man kann sagen: ja, bitte – wenn ich mich immer damit tröste, wie schlecht alles sein könnte bringt mich das nicht weiter. Stimmt. Wenn ich mir dauernd vorstelle, was alles noch viel besser sein könnte aber auch nicht.

Es ist eine Entscheidung. Dankbar zu sein. Es ist eine Haltung. Man kann das lernen und trainieren. Man muss nicht. In der Entscheidung, dankbar zu sein liegt allerdings eine gute Kraft, die zufrieden macht und uns selbst vermittelt: wir sind gut, so wie wir sind. 

Das Leben ist gut, so wie es ist.
Die Kinder sind gut, so wie sie sind.
Der Alltag ist gut, so wie er ist.
Das Wetter ist gut, so wie es ist.
Der Partner ist gut, so wie er ist.

Und für alles was nicht gut ist, hast du die Möglichkeit, etwas zu verändern. Dich zu entwickeln und dazuzulernen.
Danke, dass du bis hierher gelesen hast und dankbarer sein möchtest.

Wofür bist du heute schon dankbar? Was macht dich glücklich und zufrieden?
Schreib in die Kommentare, wenn du etwas davon hier und jetzt teilen möchtest!

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  • #1Simone (Samstag, 26 Oktober 2019 17:57)Hallo Kerstin! Echt gut geschrieben und mir fällt auch auf das sehr viele Leute sehr unzufrieden sind egal bei was, sie Wissen immer was zum aussetzen! Ich bemühe mich sehr es eben positiv zusehen und wir sind sehr dankbar und glücklich das unser Ludwig in unsere Familie geboren ist!
    Ich freu mich auf weitere Geschichten von dir – alles liebe
  • #2Kerstin (Dienstag, 29 Oktober 2019 11:08)Heyyyy, liebe Simone! Danke für dein Feedback und noch viel WICHTIGER: herzlichen Glückwunsch zur Geburt von Ludwig! Da bist du ja nun vielleicht ein bisschen getragen von der hormonellen Welle. Alles Liebe, viel Unterstützung für euch als Familie und Gesundheit und Kraft für die natürlichen Anfangsturbulenzen!
Die Mutter – eine Heldin?!

Die Mutter – eine Heldin?!

Als Heldin bezeichnet man laut Wikipedia eine Frau, die außergewöhnliche Leistungen erbringt – entweder körperlicher oder geistiger Natur. Sie verfügt über heroische Eigenschaften wie Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Mut, Aufopferungsbereitschaft und Tugendhaftigkeit, sie kämpfen für Ideale und zeigen dabei hohe Einsatzbereitschaft für Menschen.

Ein Kind zu gebären, es zu stillen und monate- (oder jahrelang) mit einem Schlafdefizit klarzukommen, ist eine körperliche Höchstleistung. Wir brauchen alle oben genannten Eigenschaften in unserer täglichen Rolle als Mutter – wir setzen uns bis an unsere Belastbarkeitsgrenzen ein, wenn es um unsere Kinder geht, um unsere Familien. 

Am Muttertag ernten wir dann kurz den Applaus für 364 Tage Einsatz. 
So weit ist alles klar – kaum jemand erhebt hier Einspruch.
Interessant wird es allerdings, wenn wir über Arbeit, Anerkennung und Selbstbestimmung reden.

Wenn wir über ARBEIT reden, meinen wir Erwerbsarbeit, für die man ein Gehalt bekommt. Wir meinen die Zeit, die wir in einem Beruf verbringen, für den wir professionell ausgebildet wurden, wo es eine vertragliche Vereinbarung gibt und wir am Ende eines Monats Wertschätzung in Form von Geld bekommen.

Wie kommen wir eigentlich dazu, die Arbeit einer Mutter derartig abzuwerten? 

Der Beruf der Mutter ist mindestens gleichwertig und gleichwürdig zu jeder anderen Erwerbsarbeit, wenn nicht sogar noch wichtiger, in jedem Fall aber zukunftsprägend. (Die des Vaters übrigens auch.) Kinderbetreuungsaufgaben zu übernehmen ist nicht “Urlaub vom Job” – viele Mütter berschreiben es genau umgekehrt: “Wenn ich arbeitn geh, ist das wie Erholung von daheim!” “Da kann ich Dinge fertig machen und erledigen, es gibt einen Anfang und ein Ende.” 

Wir brauchen dringend ein neues Bild, was “ARBEIT” ist und wie wir diese Tätigkeiten honorieren und wertschätzen wollen, denn sonst kommen wir nie zu echter Wahlfreiheit, was Familienmodelle angeht, weil es viel zu oft eine wirtschaftliche Entscheidung ist, wann und in welchem Ausmaß Eltern erwerbstätig sind. Ja, Teilzeitarbeit ist eine Gefahr und die Lücken am Pensionskonto führen vermutlich zu Altersarmut, aber doch nicht weil wir Mütter nicht arbeiten WOLLEN, sondern weil unsere Arbeit nicht entsprechend wertgeschätzt wird – nämlich entlohnt! Wir brauchen nicht den Drill, alle früh wieder in Lohnarbeit zurück zu gehen, sondern neue Modelle der Anerkennung der Familienarbeit bzw. Carearbeit.

Wenn wir über SELBSTBESTIMMUNG der Frau reden, meinen wir: sie müsse früh die Möglichkeit haben, wieder in ihren Beruf einzusteigen. Dem folgt der laute Ruf nach mehr und längerer institutioneller Kinderbetreuung verbunden mit der Annahme, dass alle Frauen das ehest möglich tun wollen. Denn: die armen Mütter müssen ja so lang hinter dem Herd ausharren. 

Wie kommen wir dazu, uns allen dieses Modell überzustülpen? 

Selbstbestimmung sollte vielmehr heißen, dass wir eben selbst bestimmen dürfen!
Was wir wollen, 
was wir gut finden und 
wofür wir uns entscheiden 

und dass es eben NICHT eine Luxus-Entscheidung sein sollte, Kinderbetreuungsaufgaben selbst zu übernehmen. Wirtschaftliche Argumente sollten niemals die menschlichen schlagen und Frauen (und Kinder!!) in eine Doppelbelastung drängen, obwohl sie etwas Anderes lieber hätten. 

Ich wünsche mir, dass man laut sagen darf, dass man gern Familienarbeit übernimmt.
Ich wünsche mir, dass man laut sagen darf, dass diese Arbeit sinnstiftend ist.
Ich wünsche mir, dass man laut sagen darf, dass auch diese Entscheidung selbstbestimmt sein kann (und wir nicht von unseren Männern gezwungen werden ;-)!).

Ich sehe so viele kluge, gut ausgebildete, reflektierte und tolle Frauen in meinem Umfeld und in meinen Workshops, die sich viele Gedanken zum Thema Begleitung und Beziehung mit Kindern machen. Viele von ihnen haben mehr pädagogisches Gespür im kleinen Finger als so manche Lehrerin oder Kindergartenpädagogin, die ich kennengelernt habe und ich finde eindeutig, dass diese Form der Arbeit in der Familie mehr wert sein sollte. 

Durch die vorgepredigte Marschrichtung “alle Frauen zurück in den Job” bewerten wir Erwerbsarbeit höher als Familienarbeit und das ist unfair.

Wenn wir über ANERKENNUNG reden, dann sind wir ganz schnell bei den Frauen, die uns vorleben, wie “Kind und Karriere” geht und erklären sie dann zu Nachahmungsmodellen. Soll ich ehrlich sein? Ich kann es nicht mehr hören.

Wir brauchen die menschlichen Erfolgsgeschichten, von denen, die mutig genug waren, sich gegen Trends und gesellschaftliche Vorgaben zu entscheiden. Mütter, die sich gut überlegt haben, “wie will ich das denn haben … mit meinen verschiedenen Rollen” und bewusst und individuell Wege gehen, die nicht von Politik und Wirtschaft bereitet wurden, sondern die manchmal steinig sind, aber dafür den eigenen Überzeugungen entsprechen und sich an dem Wertekompass orientieren, dem man folgen will. Diese Entscheidungen betreffen Mütter und Väter gleichermaßen. Es braucht auch Diskussionen auf Augenhöhe, ebenbürtig, gleichwürdig und gleichwertig, wie die Aufteilung von Arbeit und Zeit gelingen kann. 

Wir wollen unsere Berufe leben, etwas gestalten, haben Ziele in unserer Erwerbstätigkeit und möchten diese erreichen. Und wir brauchen GLEICHZEITZIG die Anerkennung in finanzieller und rechtlicher Hinsicht für Familienarbeit, die wir leisten.

Im Übrigen trifft diese geschlechtermäßig ungleiche Bewertung von Arbeit auch die Väter enorm, denn die sind auch in vorgeformte Rollen gepresst und können sich oft nicht dafür entscheiden, wenn sie etwas Anderes wollen. Ich bin überzeugt, dass auch viele Väter sich echte Wahlfreiheit wünschen würden und mehr Chancen, sich in der Familienarbeit einbringen zu können, ohne dabei wirtschaftlich schlecht auszusteigen, weil sie nun mal diejenigen mit dem besseren Gehalt sind und daher für den größeren Teil des Familieneinkommens Sorge tragen.

Es liegt an uns. Wir sind diejenigen, die jetzt Weichen stellen können für die Zukunft.
Dafür, dass wir GLEICHWERTIG auf Familienmodelle schauen.
Dass wir GLEICHWERTIG über Familienmodelle sprechen.
Und dass sie GLEICHWERTIG anerkannt werden.
Damit Mütter und Väter GLEICHWERTIG nebeneinander stehen können und ihren Kindern vermitteln:

wir sind beide GLEICH viel WERT, gleich gut und gleichwürdig – jeder von uns kann etwas Anderes gut und diese persönlichen, individuellen Stärken von Frauen und Männern können zusammen zu unabhängigen, zufriedenen, und überzeugten Lebensmodellen als Familie führen.

Wir brauchen Lösungen! Welche Idee hast du, um Familienarbeit aufzuwerten??

Kommentar schreibenKommentare: 2

  • #1Sabine Ruttnigg-Felder (Freitag, 18 Oktober 2019)Dieses Thema beschäftigt mich seit ich Kinder habe- Danke Kerstin!!! Kurzfassung: weg mit allen Beihilfen!! Staatsentlohnung(wie zb Polizei, Gericht, BH, ….) wir liefern“überspitzt“ Staatsbürger und somit die nächsten Steuerzahler! Den Kindergarten, Musikschule, Krabbelgruppe uvm zahlen wir selber. Der Staat spart sich den enormen Beihilfen Dschungel und die Kindereinrichtungen. Die Eltern hätten wirkliche Wahlfreiheit! Kind und Geld in gute Hände oder gute Eigenbetreuung. Schade ist: momentan wird alles finanziert was nicht die Erziehungsberechtigten leisten. Pension wäre somit automatisch geregelt! Pensionsplitting ist ein guter Ansatz- dann würds Männer u Frauen gleich betreffen und es käme Wind in die Sache! Wieso wird unsere Pension in „dem Zeitraum“ halbiert im Vergleich zu Kinderlosen? Kurz zur Staatsentlohnung: bis zu 4 Jahren 100% Danach prozentual nach unten. Zb wenn’s Kind 5 ist 60%entlohnung mit 6 50% Entlohnung usw. Somit kann der betreffende immer mit zusätzlicher Lohnarbeit auf 100% kommen. Genaue Details würden die Kurzfassung sprengen. �- Grüße Sabine
  • #2Kerstin (Dienstag, 29 Oktober 2019 11:06)Liebe Sabine … danke für diese vielen Ideen. Besonders interessant finde ich deine Überlegung in punkto Pensionssplitting: stimmt – dann haben beide weniger davon, dass sie Kinder gezeugt haben. Das sind Ungerechtigkeiten, die aufhören müssen. Ich bin jedenfalls voll bei dir und unterstütze jede Form der Aufwertung von familiärer Arbeit. Vielleicht sprechen wir mal im echten Leben ausführlich darüber bei einem Glaser 🙂
Wenn nur noch Humor hilft

Wenn nur noch Humor hilft

Es gibt Tage im Leben einer Mutter, die stehen einfach unter keinem guten Stern. Man kann auch sagen, manchmal hat man mieses Karma, steht mit dem verkehrten Fuß auf usw.

Gestern war wieder mal so einer und auch in den letzten Wochen gabs öfter mal Situationen, wo nur mehr Humor hilft, weil es für alles andere zu spät ist.

Der Start in den Herbst verlief grundsätzlich recht geschmeidig. Triple-Schulstart … kein Problem, da bin ich schon routiniert, auch der Schulwechsel des älteren Kindes geht sang- und klanglos vor sich. Ja, der Terminkalender ist wieder zunehmend zugepflastert, da die Kinder nun noch öfter das Tanzbein schwingen, das runde Leder treten und ich (mit großartiger Unterstützung meines “Dorfes”) den Uber von Stadl-Paura mime. Alles in Ordnung, denk ich mir – ich bin ein Termin-Tetris Pro, das schaff ich schon wunderbar.

Instruiere die Tochter noch, mittags mit dem Zug nur bis Wels zu fahren, briefe die zwei Jüngeren, dass ich gleich nach dem Mittagessen wegfahre, weil Kieferorthopädentermin und gebe am späten Vormittag noch in der Schule die Details für das digitale Klassenbuch bekannt, wegen der Abwesenheit. Ich bin die Checkerin. Nach einem produktiven Vormittag mache ich mich an die Arbeit und schupfe Palatschinken, damit die hungrige Meute beim Heimkommen beruhigt werden kann. Reste der letzten Mittagessen ebenfalls aufgewärmt, dann sorgfältig die Küche in Originalzustand zurückgebracht. Hach, denk ich mir. Ein wenig Selbstfürsorge – ich klink’ mich aus und leg mich eine halbe Stunde aufs Ohr (ich hab erfolgreich gelernt zu Powernappen – darauf bin ich sehr stolz!)

Scheinbar dürfte der Dunst beim Palatschinkenwenden einen Nebel des Vergessens über meine nächsten To-Dos gelegt haben. Die Mittlere reißt mich aus dem Schläfchen – wo ich denn bleibe, lässt das Ältere Kind am Telefon fragen, während sie am Bahnhof auf mich wartet. 

Ein Blitz durchfährt mich und wie von der Tarantel gestochen zische ich in die Garage, ab ins Auto, wüst schimpfend … ich hab alles genommen, was ich in meiner “Schimpfwörterschublade” fand. Hoffentlich hat mich niemand beobachtet, es wäre auch nicht besonders ansehnlich gewesen.

In Sekundenschnelle alle Optionen gecheckt und via Freisprech den Mann, glücklicherweise in Wels stationiert, für einen Taxidienst eingeteilt. Ich hatte schon entspanntere Autofahrten als diese.

Letzte Woche, ebenfalls Tatort Küche: der Sohn bringt einen Karton frischer Eier und versucht sie mit entsprechender Coolness eines Neunjährigen auf der Anrichte zu platzieren. Leider mit dem Erfolg, dass alle 10e am Boden landeten. Andere Mütter holen panisch das Putzzeug, wischen und sterilisieren (bitte keine Salmonellen). Ich zücke das Handy und fange erstmal die Situation ein, während der Sohn wütend abdampft. (Ich hab mich später um seine Wut gekümmert.) Wie bekommt man so viele Eier am effizientesten vom Boden weg und selbigen wieder sauber?

Auch letzte Woche, Tatort Auto: als Uber vom Dienst jongliere ich gekonnt die Fahrten von und zur Tanzschule, kombiniere sie geschickt mit Notwendigkeiten wie Einkauf und Besorgungen und bastle minutengenaue Pläne, die auch meistens aufgehen. (Wenn ich nicht grad power-nappe.)

Raus aus dem Parkhaus, nach dem Schranken über die erste kleine Querstraße, will gerade zum Sicherheitsgurt greifen, schießt mich fast die Polizei von rechts ab. Oder … ich sie? Ich bremse und katapultiere das Kind fast aus dem Sitz, das vor lauter Hitze noch schnell die Jacke ausziehen wollte und auch noch nicht wieder angeschnallt war. Na bravo. Die Kontrolle folgt prompt, in der Aufregung find ich natürlich mein Pannendreieck und das Verbandspaket NICHT, dafür hätte ich in etwa siebenhundert Stoffbeutel und wiederverwendbare Gemüse- und Obstsackerl dabei. Leider gelten die weder als Pannendreieck noch als Verbandszeug. Die Tochter befürchtet während dieser Prozedur die ganze Zeit, dass wir nun verhaftet und abgeführt werden. So scharf war die Polizistin dann doch nicht.

Da ich nun wieder weiß, wo sich meine “Fahrzeugausstattung” befindet, überleg ich ernsthaft, am Wochenende ins Planquadrat zu fahren und alles stolz zu präsentieren.

Ja, ich hab mich in solchen Situationen auch schon fürchterlich geärgert.
Ja, es hilft mir diesen Ärger auch rauszulassen und (mit mir selbst) zu schimpfen.
Ja, manchmal frage ich mich schon, wie so etwas passieren kann.

Und dann, wenn die erste Wut verraucht ist und ein bisschen Zeit vergeht, merke ich: das ist doch eigentlich zum Lachen.

Es ist nichts Ernsthaftes passiert, einmal durchatmen bitte.
So ist halt das Leben.
Lass dir wenigstens nicht die Erfahrung daraus entgehen.

In meinem Fall sind das folgende Erkenntnisse:

Ich brauche wieder einen Stehkalender, kein Buch das zwar gut aussieht, aber wenig übersichtlich ist.
Das beugt dem Terminevergessen vor. Hoffentlich.
Kenne dein Fahrzeug in und auswendig und achte wieder genauer darauf, dass die Kinder angeschnallt sind, BEVOR sich das Fahrzeug in Bewegung setzt.
Kommt Zeit, kommt Humor. Manchmal braucht es ein wenig, bis man über solche Episonden lachen kann, über eigene Unzulänglichkeiten, über gemachte Fehler. Dann aber ist “einmal darüber lachen können”, sehr heilsam. 

Seien wir dennoch gnädig mit uns selbst, verzeihen wir, entschuldigen wir uns.
So ist das Leben. Unberechenbar und überraschend. Ungezähmt und aufregend. Abwechslungsreich und lebendig. So wie wir.

Worüber kannst du jetzt lachen, was dich im ersten Moment geärgert hat? Erzähl es mir!